# taz.de -- Thüringer Grünen-Abgeordnete mit Baby: Kinder im Parlament nicht … | |
> Eine Thüringer Grünen-Abgeordnete wird des Plenarsaals verwiesen, weil | |
> sie ihr Baby dabei hat. Nun prüft ihre Fraktion, ob das verfassungswidrig | |
> ist. | |
Bild: Babys nicht vorgesehen: Elternzeit für Abgeordnete gibt es weder in Land… | |
Berlin taz | Es hätte alles so einfach sein können. Madeleine Henfling, | |
Grünen-Abgeordnete im Erfurter Landtag, hat vor sechs Wochen ein Kind | |
bekommen. Nun trägt sie ihren schlafenden Säugling vor der Brust, stellt | |
sich in den hinteren Bereich des Erfurter Plenarsaals und will ihrer Arbeit | |
als Abgeordnete nachgehen. Doch Landtagspräsident Christian Carius (CDU) | |
macht schnell klar: Daraus wird nichts. | |
Carius verwies Henfling am Mittwoch des Saals: Kleinkinder hätten hier | |
„nichts zu suchen“, sagte er. Die Geschäftsordnung sehe Mütter mit Kindern | |
im Parlament nicht vor. Schon des Kinderschutzes wegen würde er | |
Abgeordneten empfehlen, sich um eine Kinderbetreuung zu kümmern. | |
Grüne und Linke im rot-rot-grün regierten Thüringen protestierten, die | |
Landtagssitzung musste unterbrochen werden. Doch nach etwa einer halben | |
Stunde bestätigte der Ältestenrat die Entscheidung des Präsidenten – denn | |
der, so die Geschäftsordnung, entscheidet letztlich, wer den Raum betreten | |
darf. Nun prüft die Fraktion der Grünen, inwieweit Carius’ Entscheidung | |
verfassungswidrig ist, weil er Henfling damit in ihrem Mandat einschränkt. | |
Und die Koalitionsfraktionen diskutieren darüber, die Geschäftsordnung zu | |
ändern. | |
„Dass Carius mit Kindeswohlgefährdung argumentiert, trifft mich persönlich | |
schon etwas“, sagte Henfling der taz. Sie sitze nun in ihrem Büro im | |
Landtag und verfolge die Sitzungen online. Bei ihr ist ihre Mutter – damit, | |
wenn Abstimmungen anstehen, Henfling schnell rausrennen und ihre Stimme | |
abgeben kann. Rot-Rot-Grün regiert in Thüringen mit nur einer Stimme | |
Mehrheit. | |
## Rechtssicherheit gibt es nicht | |
Tatsächlich sind Babys in der Politik nicht vorgesehen: Elternzeit für | |
Abgeordnete gibt es weder in Landtagen noch im Bundestag. In vielen | |
Bundesländern war es in der Vergangenheit allerdings kein Problem, Babys | |
bei Abstimmungen dabei zu haben. Auch im Bundestag gebe es zwar keine | |
offizielle Regelung, aber ein „Agreement“, dass das in Ordnung sei, sagte | |
Henfling. Die Sitzungen seien schließlich Pflicht. Und auch wenn sie mit | |
Hilfe ihrer Mutter abstimmen könne – in die Debatten im Landtag könne sie | |
sich so natürlich nicht einbringen. | |
Landtagspräsident Carius sieht darin kein Problem. Abgeordnete könnten | |
„völlig frei mit ihrer Zeit umgehen“, sagte er der taz. „Sie haben keinen | |
Arbeitgeber oder Vorgesetzten. Sie können daher auch frei entscheiden, ob | |
sie an einer Sitzung teilnehmen oder nicht.“ Weder könne er erkennen, dass | |
durch solche Ausschlüsse vor allem junge Mütter benachteiligt würden, noch | |
dass dadurch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert würde. | |
Wenn eine Abgeordnete trotzdem an den Sitzungen teilnehmen wolle, könne | |
sich währenddessen „eine Mitarbeiterin“ um das Kind kümmern. Alternativ | |
könnten ein Kollege oder eine Kollegin einer anderen Fraktion ebenfalls | |
nicht abstimmen, um die Mehrheitsverhältnisse zu wahren. Das sei üblich. | |
Rechtssicherheit allerdings gibt es damit nicht: „Dann bin ich auf den | |
guten Willen der anderen angewiesen und gefährde im Ernstfall die | |
Koalitionsmehrheit“, sagte Henfling. „Und wer weiß, wie lange die anderen | |
das mitmachen? So lange, bis ich nicht mehr stille?“, fragte sie. | |
Selbst Exfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) wandte sich gegen die | |
Entscheidung ihres Parteifreunds: „In der Geschäftsordnung geht es immer | |
nur darum, eine Störung des Parlamentsbetriebs zu vermeiden“, twitterte | |
sie. „Und den stört kein schlafender Säugling.“ | |
30 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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