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# taz.de -- Forscher*innen melden Erfolg: Spermien gegen Gebärmutterkrebs
> Eine Studie verspricht Sensationelles: Männliche Samen heilen weibliche
> Unterleibskrankheiten. Doch was ist da tatsächlich dran?
Bild: Hier nur als Drachen – echte Spermien sollen helfen, Gebärmutterkrebs …
Es klingt zu schön: Sperma könnte bald helfen, Gebärmutterhalskrebs zu
heilen. Und das geht so: Man bestückt Spermien mit Krebsmedikamenten und
schickt sie auf die Reise zur Gebärmutter. Dort kommen sie rasch und
zielgerichtet an, denn naturgemäß finden Spermien blind ihren Weg zur
Gebärmutter. Dort können sie drei Tage überleben, und das Medikament hat
Zeit zu wirken.
So steht es – verkürzt und zugespitzt formuliert – in einer Studie, die
gerade im seriösen Wissenschaftsmagazin ACS Nano erschienen ist. Einer der
Autor*innen ist Oliver G. Schmidt, Physiker und Direktor des Instituts für
Integrative Nanowissenschaften am Leibniz-Institut in Dresden und Professor
für Materialsysteme der Nanoelektronik an der TU Chemnitz. Im März dieses
Jahres hat Schmidt für seine Forschung zu „Spermbots“ den renommierten
Leibniz-Preis erhalten.
Warum also zweifeln an den sagenhaften Erkenntnissen? Jedes Jahr sterben in
Deutschland etwa 1.600 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Weitere 4.700
erkranken daran. Ihnen sollte so schnell wie möglich geholfen werden. Warum
nicht mit Hilfe von Spermien? Solch eine gezielte und direkte Platzierung
von Krebsmedikamenten mindert sicher auch all die tragischen Nebenwirkungen
üblicher Krebstherapien wie Chemo und Bestrahlung: Haarausfall, Haut- und
Gewichtsveränderung, Übelkeit und Schwäche.
Die Geschichte hat nur einen Haken: Das, was der Nanowissenschaftler
Schmidt erforscht hat, steckt noch ganz, ganz, ganz weit in den
Kinderschuhen. Bislang wurde das Verfahren nur an Rinderspermien getestet.
Dazu haben die Wissenschaftler*innen das Tiersperma mit einem Stoff
bestückt, der in der Chemotherapie gegen Brust- und Lungenkrebs eingesetzt
wird. Dazu bekamen die Spermien eine Art Magneten angelegt, mit dem die
Forscher*innen die männlichen Samen gezielt zum Tumor steuern konnten. Dort
hat sich schließlich das Medikament entladen und konnte wirken. Auf diese
Weise wurden 87 Prozent der Krebszellen innerhalb von drei Tagen
vernichtet, heißt es in der Studie.
## „Wunder gibt es, man sollte aber nicht an sie glauben“
Das Verfahren könnte möglicherweise „irgendwann einmal Realität werden“,
bewertet der Berliner Urologe Mathias-Michael Slomka die Studie: „Es ist
als Gedankenexperiment jetzt ganz schön, aber in der Umsetzung derzeit
komplett unrealistisch.“ Bevor ein Medikament zugelassen wird, dauert es
Jahre oder sogar Jahrzehnte. Dafür bedarf es verschiedener
Forschungsschritte: Grundlagenforschung, Machbarkeitsstudien, Forschung im
Reagenzglas, später an Tieren und schließlich zunächst an einer kleinen
Gruppe von Menschen, die sich freiwillig dafür zur Verfügung stellen,
anschließend an einer größeren Gruppe.
Die Dresdner und Chemnitzer Forscher*innen haben mit den Rinderspermien
eine allererste Grundlagenforschung absolviert. Es ist nicht einmal eine
Machbarkeitsstudie, sagen Wissenschaftler*innen, die die Studie ausgewertet
haben. „Ob die Ergebnisse der Rinderspermien übertragbar sind auf
menschliche Spermien ist fraglich“, sagt der Urologe Slomka, der seit
Jahrzehnten zu erektiler Dysfunktion bei Männer forscht. Er schenke dem
aktuellen Forschungsstand „kein übermäßiges Vertrauen“, sagt Slomka: „…
kann an Wunder glauben, aber man sollte nicht auf sie hoffen.“
10 Aug 2018
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Krebs
Forschungsförderung
Gebärmutter
Krebs
Cannabis
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