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# taz.de -- Verbandsvize über Leichtathleten: „Nacktes Überleben“
> Verbandsvize Carsten Decker hofft, dass Leichtathleten durch eine
> Selbstvermarktung im Netz mehr Geld verdienen können.
Bild: Aus Niedersachsen und dieses Jahr bei der EM dabei: Imke Onnen
taz: Herr Decker, kaum jemand kennt die Namen der Sportler, die für
Deutschland bei der Leichtathletik-EM in Berlin antreten. Sollten sich
Athleten stärker in den sozialen Medien vermarkten?
Carsten Decker: Das passiert bereits. Die Sportler und Sportlerinnen
vermarkten sich im Internet und stellen sich in der Öffentlichkeit dar. Im
Sport geht die Schere finanziell sehr weit auseinander. Viele Profis in der
Leichtathletik kämpfen ums nackte Überleben.
Inwiefern?
Nach dem Abitur wollen sie studieren und müssen nebenbei Geld verdienen.
Viele geben dann den Leistungssport auf. Wenn die Sportler bekannter
werden, werden Sponsoren eher auf sie aufmerksam.
Aber birgt es nicht auch Risiken, wenn sich gerade junge Athleten über
Instagram oder Facebook präsentieren müssen?
Man gibt viel von sich preis und macht sich angreifbar. Das ist gerade für
Frauen ein Risiko, weil dort Menschen unterwegs sind, die andere Absichten
haben und versuchen, Kontakt aufzunehmen. Außerdem gibt es die Gefahr, dass
nur die Topleute, auf die sich die öffentliche Aufmerksamkeit konzentriert,
Geld verdienen. Das verkennt aber, dass die Guten auch aus der Breite
kommen. Die muss gefördert werden.
Im Fußball ist es üblich, dass der Nachwuchs eine Social-Media-Schulung
bekommt. Wie ist das in der Leichtathletik?
Es wäre sinnvoll, wenn die Sportler beraten würden. Aber woher soll das
Geld für so eine professionelle Begleitung kommen? Natürlich gibt es viele
Agenturen, die so etwas anbieten, aber die wollen auch Geld verdienen. Wir
sind froh, dass wir im niedersächsischen Leichtathletikverband den Apparat
aufrecht erhalten können. Im Präsidium arbeiten wir ausschließlich
ehrenamtlich. In der Geschäftsstelle schieben die Mitarbeiter Überstunden
vor sich her. Die Leichtathletik wird stiefmütterlich behandelt, dabei
wollen alle, dass bei internationalen Wettkämpfen Deutsche erfolgreich
sind.
Was ist nötig, um den Sport zu professionalisieren? So etwas wie den Umgang
mit Social Media hätte Teil der Leistungssportreform des Bundes sein
können.
Das Bundesinnenministerium hat mit dem Deutschen Olympischen Sportbund ein
Konzept ausgearbeitet, um den Leistungssport in Deutschland neu zu
strukturieren und Spitzensportler zu fördern.
Noch wissen wir nicht, wie genau es nun weitergeht. Fest steht, dass wir
mehr Geld brauchen, wenn wir nicht wollen, dass Leistungssportler
abspringen statt eine sportliche Karriere zu machen. Wir haben beim
niedersächsischen Landessportbund bereits einen Antrag gestellt, um unseren
Leistungssportetat zu erhöhen. Die Frage ist doch, was kostet ein Athlet
pro Monat.
Und?
2.000 Euro. Darin enthalten sind Mobilität, eine Unterkunft am Stützpunkt
in Hannover, die Ausrüstung und auch ein Taschengeld, damit derjenige eben
nicht nebenbei arbeiten muss. Das sind 24.000 Euro pro Jahr. Wenn wir zehn
Topathleten mit Olympiakandidatur fördern, sind das nur 240.000 Euro. Ein
Witz, wenn man es mit dem vergleicht, was ein einzelner Spieler in der
Fußballbundesliga im Monat verdient.
Wie ist Niedersachsen für die EM aufgestellt?
Niedersachsen ist in diesem Jahr mit vier Athleten vertreten. Unser
Lokalmatador Eike Onnen tritt im Hochsprung an, ebenso seine Schwester
Imke. Eine richtige Springerfamilie. Fabian Dammermann läuft in der Staffel
und die Dreispringerin Neele Eckhardt aus Göttingen, die gerade erst
Deutsche Meisterin geworden ist, hat sich ebenfalls qualifiziert. Die ist
in einer Topverfassung.
Sind Medaillen zu erwarten?
Da bin ich vorsichtig. In der europäischen Bestenliste geht es immer um
Zentimeter. Die Athleten der Top 20 liegen sehr dicht beieinander. Da ist
alles möglich. Aber man muss natürlich an dem Tag auch alles abrufen können
und dem Druck gewachsen sein. Bei einer Europameisterschaft steht man im
Fokus und damit geht jeder anders um. Die Sportler müssen auch im Stadion
abschalten und auf Tunnelblick schalten können. Gerade für die jüngeren
Athleten geht es aber auch darum, international gute Erfahrungen zu
sammeln.
6 Aug 2018
## AUTOREN
Andrea Maestro
## TAGS
Leichtathletik
Social Media
Leistungssport
Sponsoren
Handball
Leichtathletik
Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Sport trotz Corona
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