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# taz.de -- Sonntag eröffnet Union die neue Saison: Viel Geduld vorausgesetzt
> Union Berlin wollte in der letzten Saison den Aufstieg erzwingen – und
> fand sich im Abstiegskampf wieder. Mit neuem Trainer sind die Töne jetzt
> demütiger.
Bild: Freundschaftsspiel zwischen Union und Carl Zeiss Jena, Anfang Juli: Union…
Um Union vor der neuen Saison zu beschreiben, drängt sich mitunter Ikarus
auf. Nicht, weil der zu nahe an die Sonne hinauf flog. [1][Union] ist eher
ein [2][Ikarus] im Geiste. Der [3][Köpenicker Zweitligist] war vergangene
Spielzeit ein beständig quasselnder Visionär, ununterbrochen vom geplanten
Höhenflug kündend. Ein seltsam nervöser, unruhiger, selbstherrlicher
Schatten seiner selbst, dem vor lauter Blick zur Sonne die Flügel so schwer
wurden, dass er hilflos am Boden kleben blieb. [4][In die erste Liga]
wollte Präsident Dirk Zingler, jetzt und sofort. Er glaubte, dass Union das
unbedingt können müsse – und das war eben nicht der Fall.
Im Prinzip ist an Sehnsucht nichts verwerflich: Einem Fußballverein wird ja
öffentlich abverlangt, jedes Jahr immer höhere Ziele zu formulieren. Das
Ikarus-Syndrom ist gewissermaßen Berufskrankheit. Weil man in der
vorvergangenen Saison lange um den Aufstieg mitspielte, schien ein
Pflichtaufstieg nur logisch, die sportlichen Limits des Teams verkennend.
Union Berlin ist dabei hart gelandet. Zerzaust steht der Zweitligist nun
vor einer neuen Saison, die eine nächste Chance bietet, aber ganz praktisch
auch Fragen: Wohin jetzt eigentlich?
[5][Union-Kapitän Felix Kroos] hat kürzlich im Trainingslager einigen
Berliner Zeitungen ein bemerkenswertes Interview gegeben. „Ich glaube, dass
wir als ganzer Verein viele Fehler gemacht und uns vielleicht auch deutlich
überschätzt haben. Das passt nicht zu Union.“ Man habe sich auf der eigenen
Qualität ausgeruht und zu wenig Verantwortung übernommen. „Wir müssen
wieder mehr als Einheit auftreten.“ Sinnige Wünsche.
## Der Neue ist Schweizer
Schwer wiegt dabei die immer noch [6][nebulöse Entlassung von Trainer Jens
Keller] im letzten Winter. Keller, maßgeblicher Architekt des Erfolges, der
bei drei Punkten Rückstand auf die Aufstiegsränge gehen musste. Mannschaft
und Fans wirkten geschockt. Ob die Verantwortlichen schlicht völlig die
Lage verkannten, nervös wurden oder nicht öffentliche Gründe eine Rolle
spielten, bleibt unklar. Fest steht: Selbstüberschätzender verhielt sich zu
dem Zeitpunkt kein Zweitligist.
Dem Nachfolger André Hofschneider gelang wenig, die immer noch zum Aufstieg
schielenden Unioner fanden sich im Abstiegskampf wieder. Und jeder neue
Coach wird sich fragen müssen, wie viel Zeit er hier zugestanden bekommt.
[7][Der neue Mann heißt Urs Fischer], ist ein 52-jähriger Schweizer, früher
Fußballspieler, heute Trainer, und zuletzt zweifacher Meister und ein Mal
Pokalsieger mit dem FC Basel geworden. Danach war er ein Jahr
beschäftigungslos. Einer, von dem wenig klar ist.
Fischer tritt höflich und bedacht auf, sagt, ein Traum sei „in Erfüllung
gegangen“, versprach in langsam wiegendem Schweizerdeutsch, an seinen
Hochdeutsch-Kenntnissen zu arbeiten. Was man eben so tut, um einem neuen
Verein ein wohliges Gefühl zu bereiten. Fußballerisch will man wohl einen
offensiv-kreativen Stil fortsetzen: Fischer forderte zuletzt Ballbesitz,
Mut zur Eigeninitiative, auch mal ein Eins-gegen-eins-Dribbling, dominantes
Spiel. Das wären gute Voraussetzungen. – Eine zweite gute Voraussetzung
wäre Geduld.
## Neues Personal geholt
In der Praxis ist vor dem Saisonstart gegen [8][Erzgebirge Aue] am 5.
August noch einiges wacklig. Die Leistungsträger Toni Leistner und Kristian
Pedersen sind nach England abgewandert, Torjäger Steven Skrzybski zu
Schalke 04, und der zweite Erfolgsschütze Sebastian Polter ist nach langer
Verletzung erst auf dem Weg der Genesung. Union hat durchaus neues Personal
geholt: einige erfahrene Bundesligaspieler, aber auch Nachwuchstalente wie
zuletzt den norwegischen U-Nationalspieler Julian Ryerson.
Vor eineinhalb Jahren, in der Beinaheaufstiegssaison 2016/17, sagte Dirk
Zingler mal, man habe in der Regel zwei Jahre, um einen Aufstieg zu
schaffen. Verbreitet ist die Meinung, danach breche die Mannschaft
auseinander oder die Luft sei raus, auch die erhöhten Ausgaben müssen sich
irgendwann decken. Und die aktuellen Absteiger gelten, wie sowieso immer,
als die härtesten Konkurrenten aller Zeiten. Aber vielleicht kommt gerade
die niedrige Erwartungshaltung einem Neuanfang sehr zugute.
Im Hinblick auf Ziele halten sich die Verantwortlichen derzeit irgendwo
zwischen kleinlaut und bedeckt. „Die Stoßrichtung ist, erfolgreicher zu
sein als in der letzten Saison“, sagte der neue Geschäftsführer
Profifußball, Oliver Ruhnert. Letzte Saison stand am Ende Platz 8. Trotzdem
soll es irgendwie schon in Richtung Aufstieg gehen, Fischer wünschte sich,
„dass wir da ein Wörtchen mitreden“. Das harte Aufstiegsziel jedoch gilt
vermutlich erst für die nachfolgende Saison.
Sammeln, finden, Demut lernen, damit dürften die Unioner erst mal genug zu
tun haben. Ob die Chance zum Aufstieg für die gute, aber nicht sehr gute
Mannschaft so schnell wiederkommt, darf man anzweifeln. Aber irgendwie galt
für Union auch immer das „Lied vom Scheitern“ der Ärzte: „Du bist immer
dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist.“
3 Aug 2018
## LINKS
[1] https://www.fc-union-berlin.de/en/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Ikarus
[3] https://www.bundesliga.com/de/2bundesliga/
[4] https://www.bundesliga.com/de/bundesliga/tabelle/2017-2018/
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Kroos
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Jens_Keller
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Urs_Fischer_(Fussballspieler)
[8] https://www.fc-erzgebirge.de/startseite/
## AUTOREN
Alina Schwermer
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