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# taz.de -- Senegals Geheimwaffe: Hoffnungsträger für Afrika
> Aliou Cissé ist ein kommunikativer, entspannter, cooler Chefcoach. Und er
> will den afrikanischen Fußball verbessern.
Bild: Aliou Cissé hat den Sénégal auf Erfolg getrimmt. Ob das auch gegen Kol…
Wenn der Senegal trifft, passiert etwas im Gesicht von Aliou Cissé, dem
Trainer der Nationalmannschaft des westafrikanischen Landes. Es ist nicht
einfache Freude zu sehen, da ist mehr: ein Lächeln, das er noch halbherzig
zu unterdrücken versucht, das aber trotzdem da ist. Etwas, das ein bisschen
aussieht wie Genugtuung.
Cissé wusste, dass diese Tore fallen, er hatte sie genau so geplant.
[1][Und seine Mannschaft setzt um, was er plant]. Cissé sei der „Big Boss“,
sagte Stürmerstar Sadio Mané vor der Partie gegen Japan. „Er macht eine
tolle Arbeit. Wir arbeiten als Team – das ist sehr wichtig. Wir hören auf
ihn, weil seine Pläne immer aufgehen.“
Auch im [2][Spiel des Senegal gegen Polen sieht es aus wie ein Konzept],
als Cissé in der 61. Minute am Spielfeldrand auf Stürmer M'Baye Niang
einredet, der Stift in seiner Hand im gleichen Grün wie das senegalesische
Trikot. Dann spielt der Pole Grzegorz Krychowiak einen langen Pass zurück
in die eigene Hälfte, Niang, soeben wieder von Schiedsrichter Nawaf Abdulla
Shukralla aufs Feld gelassen, holt sich den Ball, überspielt den weit vor
dem Tor befindlichen Wojciech Szczesny und schiebt den Ball mühelos ins
Tor. Cissé jubelt so, als sei das Tor, so, wie es angebahnt und erzielt
wurde, im Talk mit seinem Spitzenspieler entwickelt worden.
Das Gespräch mit Niang an der Seitenlinie als Manöver? Wer weiß. Allerdings
ist das überhaupt etwas, das Cissé gerne und häufig tut: Spieler zu sich
rufen, obwohl gar keine Trinkpause anberaumt wurde, sie dann nicht einfach
nur ansehen oder gar an ihnen vorbei aufs Spielfeld blicken, während er sie
taktisch ausrichtet.
Nein, er bückt sich, sucht den Augenkontakt, und wenn er ihn gefunden hat,
redet und redet er, so eindringlich, als wolle er in sie Löcher bohren.
Verlangt dann, dass sie bestätigen, dass sie gehört und verstanden haben,
was er von ihnen will. „Okay?“ fragt er, auch mehrmals, bis von seinem
Spieler mindestens ein Nicken kommt.
## Senegal präsentiert ganz Afrika
Cissé, geboren am 24. März 1976, ist einer der senegalesischen Helden von
2002, als die Auswahl seines Landes bei ihrer ersten – und bis Juni 2018
letzten – WM-Teilnahme das Viertelfinale erreichte. Schon im ersten Spiel
besiegten die „Lions de la Teranga“ die ehemalige Kolonialmacht und
amtierenden Weltmeister Frankreich. Und jetzt, 16 Jahre später, ist Cissé
wieder ein Held. Gegen Polen gewonnen, 2:1, gegen Japan ein großartiges
2:2. Cissé sagt: „Senegal repräsentiert ganz Afrika. Und ganz Afrika
unterstützt uns. Wir sind stolz darauf.“
Am 28. Juni spielt sein Team im letzten Gruppenspiel gegen Kolumbien, mit
guten Chancen, das Achtelfinale zu erreichen. Seine Bilanz als
Nationaltrainer ist prima: 30 Länderspiele mit dem Senegal, 18 Siege, nur
vier Niederlagen. Der 42-Jährige feiert diese Erfolge mit seinen Spielern,
als wäre er nicht ihr Trainer, sondern immer noch ihr Kapitän. Doch Cissé
war immer schon auch beides.
Im Jahr 2012 fungierte er als Interimscoach, bereits im Herbst 2002 aber,
stand er zum ersten Mal bei den Westafrikanern an der Seitenlinie. Der
Anlass damals, ein trauriger. Cissé leitete ein Benefizspiel für die Opfer
und Angehörigen des Joola-Schiffsunglücks, bei dem 64 von 2.000 Passagieren
überlebten. Nur drei Monate nach dem Glückstaumel bei der WM in Japan und
Südkorea verlor Cissé mehrere Familienangehörige. Die Katastrophe löste im
Senegal eine Staatskrise aus.
Im März 2015 übernahm Cissé den Job als Nationaltrainer vom Franzosen Alain
Giresse, schied in der Afrikameisterschaft 2017 im Viertelfinale erst durch
Elfmeterschießen aus, sprach da bereits von einer „Großen Generation“.
Sagte, es gehe nicht nur um technisches Können, es gehe darum, das
komplette Niveau des afrikanischen Fußballs zu verbessern. „Das ist unser
Ziel.“
## Cool, cooler, Cissé
Cissé ist kein in Europa längst aussortierter Trainer, der es sich mit
einer afrikanischen Mannschaft noch einmal beweisen möchte. Er glaubt an
ein ganzheitliches Projekt, sagt, es brauche afrikanische Trainer, um den
afrikanischen Fußball nach oben zu bringen, und er ist selbst ein Teil
davon. Jetzt in Russland ist das längst zu beobachten: Senegal spielt
gelegentlich schönen, vor allem aber disziplinierten und effektiven
Fußball. Cissé sagt, bei der WM kämpften 32 Mannschaften um den Titel.
„Warum sollte es am Ende nicht der Senegal schaffen?“
Wenn seine Männer spielen, steht Cissé in der Coachingzone, fast 90 Minuten
lang. Die Hände immer in den Taschen seiner Anzughose. Die Anweisungen,
präzise, manchmal genügen zwei parallel zueinander postierte Zeigefinger,
als wolle er den Abstand zwischen zwei Dingen messen. Wird er nervös, wie
phasenweise im Spiel gegen Japan, werden die Gesten energischer. Meist aber
sieht Cissé aus wie ein entspannter Gentleman, einer, der nicht darüber
sinniert, wie er wirkt und deshalb so wirkt, wie viele nur wirken wollen.
Den Anzug mit weißem Hemd und schmaler Krawatte, die große Uhr an dem
einen, das Armband aus schwarzen Kügelchen am anderen Handgelenk, die
Dreadlocks, die riesige Hornbrille – all das trägt er mit so viel
Selbstverständlichkeit: ein cooler Mann. Er ist der jüngste Trainer und der
einzige mit schwarzer Hautfarbe. „Diese Debatten stören mich“, sagt Cissé.
„Fußball ist universell. Die Hautfarbe ist nicht wichtig.“
Nur eine Frage bringt Cissé während einer Pressekonferenz in Russland aus
der Fassung. Wie er damit umgehe, dass er nun ein Sexsymbol sei.
„Sexsymbol, ich?“ fragte Cissé, überrascht, aber auch erfreut. „Es ist
schön, gemocht zu werden“, sagt er dann nur. Noch viel schöner aber wäre
es, als einzige im Turnier verbliebene afrikanische Mannschaft mindestens
so weit zu kommen wie 2002.
28 Jun 2018
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## AUTOREN
Hanna Voß
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