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# taz.de -- Offene Tür zur Klassik: Hereinspaziert!
> Ein Bemühen um das Publikum von heute und morgen. Am Samstag lädt das
> Konzerthaus zu seinem Tag der offenen Tür.
Bild: Neue Perspektiven auf die Klassik finden: Konzerthaus am Gendarmenmarkt
Kultur ist schön, kostet aber oft viel Geld. In Berlin nicht einmal so viel
wie andernorts, aber auch hier muss man für Spitzenveranstaltungen ganz
schön tief in die Tasche greifen. In vielen Konzerten der Berliner
Philharmoniker und bei fast jeder Premiere der Staatsoper dominieren denn
auch die solventen Silberhaarigen die Publikumsoptik. Kein Wunder, dass man
besonders im Bereich der sogenannten klassischen Musik manchmal Angst hat,
dass einem das Publikum irgendwann schlicht weggestorben sein könnte.
Schon längst hat man daher allerorten begonnen, Gegenmaßnahmen zu
ergreifen: mit Education-Programmen, neuen Konzertformaten,
Mitmachveranstaltungen und nicht zuletzt mit Tagen der offenen Tür.
Besonders letztere bieten Kulturinteressierten mit schmalem Budget die
Möglichkeit, tolle Musik – oft gespielt von Spitzenensembles, für die man
sonst teuer bezahlen muss – ganz für lau zu hören.
Ein kleines bisschen schade nur, dass alle drei Berliner Konzerthäuser –
die Philharmonie, das Konzerthaus und der Boulez-Saal – ihre Tage der
offenen Tür so kurz nacheinander beziehungsweise sogar gleichzeitig
abhalten. Philharmonie und Boulez-Saal öffneten dieses Jahr beide am
Pfingstmontag die Pforten für das Volk und traten damit nicht nur in
Konkurrenz zum Straßenfest des Karnevals der Kulturen, sondern vor allem in
Konkurrenz zueinander. Seltsam, irgendwie. Will man sich denn gegenseitig
das Publikum abgraben? Von solchen Events werden schließlich vor allem jene
Kulturneugierigen angezogen, die am liebsten überall mal die Nase
reinstecken.
Theoretisch wäre es sicher möglich, an ein und demselben Offene-Tür-Tag
sowohl am opulenten Mitmach- und Zuhörprogramm bei den Philharmonikern
teilzunehmen als auch im Boulez-Saal vorbeizuschauen. Dort hatte man
nämlich das großartige Arditti-Quartett geladen, um einen ganzen Tag dem
Komponisten Elliott Carter und seinen Streichquartetten zu widmen. Auch mal
ein schönes Konzept. Und auch für Kinder! Aber faktisch ist der normale
Mensch wohl von einer solchen Veranstaltung kulturgesättigt genug für den
Tag und geht danach lieber Eis essen.
## Große Umsonstmusik-Sause
Mit etwas gesünderem Abstand zu den anderen Häusern lädt nun das
Konzerthaus an diesem Samstag zur großen Umsonstmusik-Sause. Alle
vorhandenen Säle brummen dabei vor musikalischem Leben, und auch eine
Außenbühne auf dem Gendarmenmarkt wird bespielt.
Eines der Highlights ist das Wunschkonzert, ein sehr spezielles
Konzertformat, das Chefdirigent Iván Fischer erdacht hat. Spannend wird das
nicht zuletzt für die MusikerInnen seines Orchesters, die prinzipiell auf
alles vorbereitet sein müssen – mindestens aber auf die 102 Stücke, die auf
jener Liste stehen, aus der das Publikum am Samstag seine Musikwahl treffen
darf. Den genauen Ablauf gestalte Iván Fischer jedes Mal etwas anders,
erklärt Pressesprecherin Elena Kountidou: „Letztes Jahr waren zum Beispiel
drei Geburtstagskinder im Publikum, die sich etwas aussuchen durften, und
das restliche Publikum konnte dann darüber abstimmen, welchen der drei
Vorschläge es am besten fand.“ Ein anderes Mal sei sie selbst mit einer
Lostrommel durch den Saal gegangen. Sobald eine Wahl getroffen sei, werde
eine Werkeinführung durch den Dirigenten und den Dramaturgen gegeben,
während im Hintergrund die Orchesterwarte aus mehreren großen Körben, in
denen die Orchesterstimmen von über hundert Stücken gleichzeitig
bereitgehalten werden, die passenden Noten heraussuchen und an die
MusikerInnen verteilen.
Ob es bestimmte Stücke gibt, die immer wieder gewählt werden? Elena
Kountidou überlegt kurz. Brahms’ „Ungarische Tänze“ seien sehr beliebt,
auch „Die Moldau“ von Smetana sei bestimmt schon zwei- oder dreimal
drangewesen. Prinzipiell müssten die Stücke auf der Überraschungsliste
natürlich Repertoirestücke sein, die alle Musiker bereits kennen. Selbst so
sei es noch anspruchsvoll genug, da es ja darin auch Soli gebe, die man als
InstrumentalistIn normalerweise lange vorher üben müsse.
Wer, statt immer nur Publikum zu spielen, lieber selbst Musik macht, hat an
solchen Tagen der offenen Tür auch selbst die Möglichkeit, engagiert in die
Saiten zu greifen. Schon für kleine Kinder gibt es Mitmach-Workshops. Und
für die Halbprofis unter den Großen bieten sowohl das Konzerthaus als auch
die Philharmonie die Möglichkeit, sich für ein eigens für den Anlass
gebildetes Orchester zu bewerben.
9 Jun 2018
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
Klassische Musik
Orchester
Musikfestival
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