# taz.de -- Die Wahrheit: Mit Scooterman zum Mindestlohn | |
> Mit MS ist man nicht nur auf harte Medikamente mit noch Nebenwirkungen | |
> angewiesen, sondern auch auf spritzbereite Helfer. Oder besser nicht. | |
Bild: Der Mindestlohn bringt mehr Geld am Monatsende? Leider ist das für Besch… | |
Während Sie diese Zeilen lesen, liegt der Mindestlohn in Berlin bei 9 Euro | |
pro Stunde. Deshalb die Menschen, die ihrem Scooterman jeden Tag behilflich | |
sind, zu den Besserverdienern zu zählen, wäre allerdings eine grobe | |
Fehleinschätzung. | |
Die Frau, die heute um kurz nach sieben die Nachtruhe des Scooterman | |
beendete, war schon seit ungefähr drei Stunden auf den Beinen. Auch der | |
Scooterman war schon seit zwei bis drei Stunden wach. Das hängt davon ab, | |
ob er am Abend davor wegen seiner Multiplen Sklerose seine Ampulle | |
Betaferon subkutan gespritzt hat oder nicht. Eigentlich sollten die | |
Spritzen von geschulten Mitarbeitern gesetzt werden. Es kostete den | |
Scooterman ein Jahr, bis er die Helfer davon überzeugt hatte, dass er sich | |
die Spritze lieber selbst setzte. | |
Nicht selten nämlich bringt das Medikament Nebenwirkungen mit sich, die | |
manchmal zwei bis drei, aber manchmal auch zehn und mehr Stunden anhalten. | |
Eigentlich wäre es logisch und sinnvoll, dass der Frühdienst dem Scooterman | |
die Spritze setzt. So argumentieren jedenfalls die Helfer. Aber irgendwann | |
nach dem Frühstück setzen dann die Nebenwirkungen ein. Wie die ausfallen, | |
ist jeden zweiten Tag wieder eine Überraschung. | |
## Die Nebenwirkungen im Blick | |
Sie ganz zu ignorieren hilft auf jeden Fall nicht weiter. Denn der Autor | |
dieser Zeilen erhöht seine Rente mit Schreiben. Sollte also in der Lage | |
sein, sich zumindest ein paar Stunden so zu konzentrieren, dass er das | |
Ergebnis seiner Arbeit nicht gleich wieder löschen muss. Also gilt es, die | |
Nebenwirkungen der Medikamente wachsam im Blick zu behalten, ohne sich | |
seinen Lebensstil von ihnen diktieren zu lassen. Morgen ist ja immerhin | |
auch noch ein Tag. | |
Doch genau da legt Scooterman sich mit sich selbst an. Denn auf seinem | |
Tagesplan stand heute oben links und dick und fett und damit auf jeden Fall | |
zu beachten: „Kolumne. Heute. No way außen vorbei!“ Daran, dass er mitten | |
im Satz die verwendete Sprache wechselt, kann man leicht sehen, dass es | |
wirklich ernst ist. Und dass Scooterman es sich selbst nur schwer verzeihen | |
könnte, die Arbeit unerledigt bis morgen Vormittag zu unterbrechen. | |
Na ja, aber manchmal muss er es eben doch tun. Heute zum Beispiel. Vor | |
einer Stunde begann der Scooterman seine Kolumne. Eigentlich wurde diese | |
Kolumne aber schon gestern Nachmittag begonnen. Sollte also fertig | |
geschrieben sein, bevor ihr Autor auch nur vollumfänglich realisieren | |
konnte, was er da gerade tat. Klappte aber nicht. Nach gut der Hälfte des | |
Textes musste Scooterman seine Arbeit verschieben. Um Tabletten zu nehmen. | |
Sich subkutan zu spritzen. Und dann in der beginnenden Dunkelheit wachsam | |
zu kontrollieren, wie stark die Nebenwirkungen ihn dieses Mal einschränken | |
würden. Im Ganzen waren sie zu ertragen. | |
Scooterman wurde rechtzeitig ins Bett gebracht. Und brauchte heute Morgen | |
nur eine Viertelstunde zum Aufstehen. | |
17 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Knud Kohr | |
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