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# taz.de -- Unterirdische Öl- und Gaslagerung: Friedeburg versinkt
> In der ostfriesischen Gemeinde Friedeburg lagern in 75 Salzstöcken Öl und
> Gas. Bis 2024 soll die Menge verdoppelt werden. Dabei senkt sich schon
> heute der Erdboden.
Bild: Idyllisch gelegen: Die Verteilerstation 12 der Kavernen-Betreibergesellsc…
FRIEDEBURG taz | In Ostfriesland ist es üblich, jeden zu grüßen. In der
Gemeinde Friedeburg gilt das nicht mehr. Schuld sind die 75 Öl- und
Gaskavernen, 900 bis 1.700 Meter tief unter dem Erdboden. Eine ist 300 bis
500 Meter hoch und bis zu 60 Meter lang und alle zusammen lassen sie den
Erdboden absacken.
Die Dörfer Etzel, Horsten und Marx drohen langsam abzusaufen. Doch während
die einen hier gegen den Ausbau der Kavernen kämpfen, profitieren die
anderen davon. Darum sind sich auch Nachbarn mittlerweile spinnefeind. „Wir
werden regelrecht verschaukelt und vom Kavernenbetreiber Storag und den
Behörden falsch oder nicht ausreichend informiert. Wenn jetzt noch Streit
mit den Nachbarn dazukommt, ist langsam Schluss“, sagt eine Anwohnerin in
Etzel. Sie denke ernsthaft daran, aus dem 800-Einwohner-Dorf wegzuziehen.
Das kleine Etzel ist als Energiedrehscheibe angebunden an ein verzweigtes
Pipelinenetz. Es reicht von den Ölfeldern in der Nordsee bis zu den
nordwesteuropäischen Versorgungsnetzen in den Niederlanden und Belgien.
Experten sagen, dass Ölkonzerne mit den Kavernen die Energiepreise steuern.
Im Sommer werden billige Rohstoffe eingekauft und im Winter teuer verkauft.
Eigentlich waren das eingelagerte Gas und Öl als Sicherheitsvorräte für
Deutschland gedacht. Ob diese Vorräte überhaupt sinnvoll sind, ist zwar
umstritten, trotzdem sind in Friedeburg bereits 24 weitere Kavernen
genehmigt, 144 sollen es am Ende sein.
Darüber, wie schlimm es um die Dörfer Etzel, Horsten und Marx wirklich
steht, streiten sich derzeit der Gas- und Ölkavernenvermieter Storag Etzel
und die Bürgerinitiative Lebensqualität Horsten-Etzel-Marx (BI). „Die
Storag arbeitet mit getürkten Messungen und Zahlen. Mit diesen Zahlen
arbeiten auch die Behörden“, schimpft Arendt Hindriksen, Vorsitzender der
Initiative.
Dem widerspricht Hans Joachim Schweinsberg, der Sprecher der Storag: „Wie
weit sich die Region in Zukunft durch die Kavernen und deren Betrieb
absenken wird, errechnen wir in Modellen. Die BI geht von falschen
Rahmenbedingungen aus. Ich weiß auch nicht, ob sie in allen Belangen
fachlich kompetent ist.“
Noch im Jahr 2010 behauptete der inzwischen insolvent gegangene vormalige
Betreiber der Kavernen, die staatliche Industrie- und
Verwaltungsgesellschaft, Senkungen gebe es in der Gemeinde bloß im
vernachlässigbaren Millimeterbereich. Und das auch nur in direkter Nähe der
Kavernen. Privathäuser in den umliegenden Dörfern seien überhaupt nicht
betroffen, hieß es damals.
Tatsächlich gemessen wurde aber im Jahr 2011 zum ersten Mal. Diese
Messungen ergaben dann, dass sich der Erdboden sehr wohl in den nächsten
Jahrzehnten absenken werde und zwar im Bereich von 1,01 bis 1,47 Metern.
Neue Messungen schraubten diese Prognose in die Höhe: Jetzt sollte der
Erdboden bis zum Jahr 2060 bis zu 2,30 Meter absinken. Vor Kurzem wurde
diese Prognose nochmals auf 2,50 Meter erhöht.
„Uns liegt ein Schreiben des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums vor,
in dem Absenkungen von bis zu sechs Zentimetern pro Jahr bestätigt werden“,
sagt Doris Stehle, Gemeinderätin für die Grünen im Friedeburger Gemeinderat
und in der Bürgerinitiative aktiv. „An manchen Stellen um die Kavernen soll
es jetzt schon Absackungen von 40 Zentimetern geben. Danach würde nach
unseren Modellrechnungen in 100 Jahren der ganze Landstrich um gut sechs
Meter versinken.“
Seit drei Jahren ist keine Rede mehr davon, dass sich der Erdboden
lediglich in der Nähe der Kavernen absenke. Ein Gebäudemonitoring an
Privathäusern in den Dörfern untersucht eventuelle Bauschäden durch die
Senkungen. Pikant an der Sache: Die Storag ist per Gesetz verpflichtet,
insolvenzsichere Rücklagen für den möglichen Abbau der Kavernen zu bilden.
Diese Rücklagen sind aber laut Storag-Sprecher Hans Joachim Schweinsberger
nicht für mögliche Schäden an Privathäusern gedacht. Im Zweifel bleiben die
Hausbesitzer also auf den Schäden sitzen, die der wegsackende Erdboden
verursacht.
## Ein großer See
Nachdem die Kavernen nach den Insolvenzen der ehemals staatlichen
Betreiberfirmen privatisiert wurden, werden sie jetzt von der Storag an
Energiekonzerne vermietet. Investoren bei der Stoarg sind Banken,
Versicherungen und Rentenkassen.
Ein Problem sind vor allem die sogenannten Ein- und Ausspeicherungen mit
Gas und Öl, die sich auf die Bodenbeschaffenheit auswirken. „Wir haben
Einfluss auf den Verfüllungsrhythmus. Es liegt im Eigeninteresse der
Konzerne, es zu keinen Schäden kommen zu lassen“, sagt Storag-Sprecher
Schweinsberger. Andreas Rudolph, Sprecher der BI, glaubt das nicht: „Wann
hätte ein Großkonzern jemals die Interessen der Umwelt vor seinen Profit
gestellt?“
„Hier wird ein großer See entstehen, sonst nichts“, befürchtet
Ini-Vorsitzender Arendt Hindriksen. Für Storag-Sprecher Schweinsberger sind
das Unkenrufe. „Hier wird es nie einen See geben, es sei denn die
Bevölkerung will das.“
Der See ist aber schon einmal entstanden. Bei den Starkregenfällen im
vergangenen Jahr stand das Betriebsgelände des Verteilerplatzes 14 in Etzel
30 Zentimeter unter Wasser. „Wir werden mit den Sielachten reden, wie man
solche Situationen verhindern kann“, sagt Schweinsberger. Im Klartext heißt
das: Staatliche Pumpwerke sollen das Kavernengebiet trocken halten. Welche
Folgen das für die allgemeine Wasserdynamik und die Deiche hat, ist bisher
nicht abzusehen.
## Verschiedene Senkungsprognosen
Streit gibt es aber nicht nur über die verschiedenen Senkungsprognosen.
„Wir bemängeln die Sicherheitsabstände zwischen den Industrieanlagen und
den Wohnbereichen“, sagt Hindriksen. „90 Meter reichen“, hält
Storag-Sprecher Schweinsberger dagegen. Dabei fordert selbst der
Bundesverband der Gas und Erdöl fördernden Industrie als Mindestabstand 180
Meter. In Etzel, Horsten und Marx liegen die Anlagen direkt vis à vis von
Wohnsiedlungen und Bauernhöfen. „Wenn hier mal was in die Luft geht, haben
wir keine Chance“, sagt Hindriksen.
Nicht nur in Friedeburg, sondern auch im benachbarten Landkreis Leer
beklagen die Landwirte überdies den Verlust von Grünflächen. Die brauchen
sie, um ihre Viehwirtschaft zu sichern. Entsprechend fordern sie
Entschädigung.
Tatsächlich aber haben auch viele Landwirte sowohl in Friedeburg als auch
in Leer ihre Ländereien für den Kavernenbau verkauft. Die Bauern, die in
Friedeburg ihr Land verkauft haben, verdienen zudem doppelt. Einmal
kassieren sie für den Verkauf ihres Landes. Zum andern gehören ihnen, laut
Sonderrecht, auch die Bodenschätze unter der Erdoberfläche. Da steckt also
viel Geld drin. Das macht das Grüßen immer schwieriger.
4 May 2018
## AUTOREN
Thomas Schumacher
## TAGS
Ölindustrie
Gas
Fossile Rohstoffe
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