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# taz.de -- Uraufführung Junges Deutsches Theater: Keiner hat sie je gefragt
> In „Draufgängerinnen“ setzt sich das Ensemble mit
> Teenagerschwangerschaften auseinander. Das Stück ist radikal – und zum
> Teil zu lustig.
Bild: Stigmata Teenagerschwangerschaft: Damit setzt sich das Stück „Draufgä…
Der Fall sorgte 2014 weltweit medial für Aufsehen: Sieben Teenagerinnen
zwischen 13 und 14 Jahren aus Bosnien und Herzegowina waren von einer
fünftägigen Klassenfahrt allesamt schwanger heimgekehrt. Im Anschluss wurde
viel über die angeblich mangelnde sexuelle Aufklärung von Minderjährigen
diskutiert. Von Versäumnissen seitens der Eltern und Schulen war die Rede.
Die „kollektive Schwangerschaft“ wurde vollends skandalisiert.
Die jungen Mädchen selbst, die aus einem kleinen Dorf der serbischen
Provinz Bosniens stammen sollen, kamen nie zu Wort. Die 29-jährige Autorin
Tanja Šljivar, selbst im ehemaligen Jugoslawien geboren, gibt ihnen in
Salome Dastmalchis Inszenierung „Draufgängerinnen – All adventurous women
do“, nun eine – fiktive – Stimme.
Bei der Aufführung werden die sieben Teenagerinnen und andere Personen von
drei jungen Männern und vier Frauen zwischen 15 und 19 Jahren dargestellt.
Die Bühne benutzen sie sowohl als Laufsteg als auch als Pinnwand. Gedanken
werden mit Hashtag an die Wand geschrieben, Ideen in Skizzen ausformuliert.
Bestimmte Story-Elemente übernimmt die Musik: Nach den positiven
Schwangerschaftstests springen die Mädchen zu „Smells like teen spirit“ von
Nirvana über die Bühne, den Übergang zur sichtbaren Schwangerschaft
zelebrieren sie tanzend zu einem französischen Popsong.
## Es geht um Selbstbestimmung
Aber nicht nur die Musik ist laut, sondern auch die Stimmen der Mädchen –
teilweise aggressiv und verzweifelt, dann ausgelassen und hoffnungsfroh.
Denn es geht um nicht weniger als die radikale Einforderung nach
Selbstbestimmung – über den eigenen Körper und das eigene Leben.
Dabei werden weder Ursachenforschung noch Aufklärung betrieben, stattdessen
fokussiert das Stück auf den jugendlichen Leichtsinn, die Naivität, aber
auch die Frustration, mit der die Mädchen zu kämpfen haben. Anstelle von
Hilfe und Unterstützung bekommen sie Ablehnung zu spüren. Eine Frauenärztin
weigert sich gar, sie zu behandeln. „13-jährige Mädchen haben keinen Sex!“
und „Habt ihr nichts im Kopf?!“ sind Sätze, die im Raum stehen.
Der Tenor „Wir – die Erwachsenen – müssen Kinder vor Unheil bewahren“
steuert die gesellschaftliche Ausgrenzung und Stigmatisierung der Mädchen.
Die sind wiederum euphorisiert, „Wir tragen die Zukunft in unseren
Mütterleibern“, sagen sie, philosophieren über das erste Mal, Instagram,
Schwangerschaftssymptome, Abtreibung und Gesellschaftsutopien – und das
immer mit einer gewissen Portion Humor.
Den jungen Schauspieler*innen gelingt dabei eine beeindruckende Balance
zwischen den unterschiedlichen Gemütszuständen. Obwohl das Stück auch
ernste und leise Momente hat, dominieren die lauten, abstrusen Perioden. Es
stellt sich die Frage, ob gerade das die richtige Art und Weise ist, sich
einem solchen Thema zu nähern, oder ob man sich nicht doch etwas weniger
humoristisch damit hätte auseinandersetzen sollen.
## Konkrete Antworten fehlen
Die musikalischen Einlagen und teilweise fast schon parodistischen
Unterhaltungen sorgen zwar dafür, dass die Aufführung sehr kurzweilig
wirkt. Gleichzeitig werden viele Dinge nur angerissen, die man gerne
konkreter gehabt hätte. Aber vielleicht ist es ebendas, was die Autorin
Tanja Šljivar mit ihrer Geschichte erreichen will: ein Gefühl des
Dazwischenhängens und der Verunsicherung: Wie sicher ist man sich der
eigenen moralischen Prinzipien? Wie angemessen ist der gesellschaftliche
Diskurs über Sexualität bei Teenagern?
Dass sie an ebenjenen gesellschaftlichen konservativen Konstrukten ruckeln,
merken derweil auch die Teenagerinnen selbst, als sie gegen Ende der
Aufführung bemerken: „Wir sind die Zeitbomben der Zukunft.“
18 Apr 2018
## AUTOREN
Mirjam Ratmann
## TAGS
Teenager
Bosnien und Herzegowina
Schwangerschaft
Schwangerschaft
Schwangerschaft
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