| # taz.de -- Studie zu Teenager-Schwangerschaften: Auf den Geschmack gekommen | |
| > Babysimulator-Puppen, die schreien und viel Fürsorge brauchen, sollen | |
| > junge Frauen von Schwangerschaften abhalten. Doch das Gegenteil ist der | |
| > Fall. | |
| Bild: Der Appetit kommt beim Essen: Wer mit Babypuppen das Muttersein simuliert… | |
| Adelaide dpa | Sie schreien, müssen gefüttert und gewickelt werden: | |
| Babysimulator-Puppen werden in vielen Projekten zur Verhinderung von | |
| Teenager-Schwangerschaften eingesetzt. Doch die Puppen können auch den | |
| gegenteiligen Effekt auf ihre jungen Pflegemütter haben, wie Forscher bei | |
| dem australischen Programm VIP (Virtual Infant Parenting) ermittelten. | |
| Das Team um Sally Brinkman von der University of Western Australia in | |
| Adelaide hatte Daten von knapp 3.000 Schülerinnen analysiert. Es habe sich | |
| über mehrere Jahre hinweg keine Verringerung des Risikos von | |
| Teenager-Schwangerschaften eingestellt, schreiben die Autoren im Magazin | |
| The Lancet (Artikel [1][als PDF]). Mehr noch: „Verglichen mit den Mädchen | |
| in der Kontrollgruppe, gab es bei den Mädchen im VIP-Programm eine größere | |
| Häufigkeit von Schwangerschaften und Abtreibungen.“ | |
| So gebaren 8 Prozent der Mädchen in der Interventionsgruppe zumindest ein | |
| Kind, verglichen mit 4 Prozent in der Kontrollgruppe. Zudem hatten 9 | |
| Prozent der Teilnehmerinnen in der Gruppe mit den Baby-Simulatoren eine | |
| Abtreibung. In der Kontrollgruppe waren es nur 6 Prozent. | |
| „Unsere Studie zeigt, dass das Programm zur Schwangerschaftsverhütung in | |
| Westaustralien, das einen Babysimulator verwendet, das Risiko einer | |
| Schwangerschaft bei Teenagern nicht verringert. Im Gegenteil, das Risiko | |
| ist sogar höher, verglichen mit Mädchen, die nicht an der Intervention | |
| teilnahmen“, sagte Studienautorin Brinkman. Die Daten ließen den Schluss | |
| zu, dass solche Programme nicht den gewünschten langfristigen Effekt | |
| hätten. Sie stellten somit nicht den besten Einsatz öffentlicher Mittel zu | |
| diesem Zweck dar. | |
| ## Ein Wochenende mit einer schreienden Puppe | |
| Das australische Programm VIP basiert auf dem US-Programm „RealityWorks“. | |
| In Schulen werden Teenager über wichtige Aspekte wie Rauchen und Trinken in | |
| der Schwangerschaft, Ernährung, sexuelle Gesundheit oder Verhütung | |
| informiert. Sie sehen eine Videodokumentation über eine Teenager-Mutter und | |
| müssen sich ein Wochenende lang um eine Simulator-Puppe kümmern. Die | |
| Babypuppe weint, wenn ein Baby gefüttert, gewickelt oder in den Schlaf | |
| gewiegt werden muss und speichert, wie gut die „Mutter“ den Bedürfnissen | |
| nachgekommen ist. | |
| In einem Kommentar in The Lancet schreibt Julie Quinlivan von der | |
| University of Notre Dame Australia in Fremantle, es gehöre mehr dazu, | |
| Teenager von Schwangerschaften abzuhalten, als ein solches Projekt. „Wir | |
| müssen uns an beide richten: Väter und Mütter.“ Zudem sollten die Programme | |
| schon in der Kindheit starten, da Teenagerschwangerschaften oft das | |
| Ergebnis von Ereignissen zu dieser Zeit seien. Es müsse darin investiert | |
| werden, besonders gefährdete Kinder vom Weg zur frühen Elternschaft | |
| abzulenken. | |
| Zudem bekämen Teenager, die sich gut um ihren Baby-Simulator kümmerten, | |
| positives Feedback von Gleichaltrigen und Familie – gerade zu einer Zeit, | |
| in der sie sich danach sehnten, meint Quinlivan. Die kurze Zeit mit einer | |
| Puppe könne für sie zur Idealisierung der Elternschaft führen. | |
| ## Geringe Teilnahmequote | |
| An der Studie waren 57 Schulen beteiligt – 1.267 Schülerinnen nahmen am | |
| VIP-Programm teil, 1.567 erhielten den Standard-Unterricht zum Thema | |
| Gesundheit und Schwangerschaft. Die Schülerinnen waren zu Studienbeginn | |
| zwischen 13 und 15 Jahre alt und wurden von den Autoren bis 20 begleitet. | |
| Die Autoren holten Daten aus Krankenhäusern und Abtreibungskliniken über | |
| Schwangerschaften der Teilnehmerinnen ein. | |
| Bei der Arbeit handelt es sich nach Autorenangaben um die erste | |
| randomisierte kontrollierte Studie zum Einsatz von Babysimulatoren. Die | |
| Forscher gaben zu bedenken, dass die Teilnahmerate an der Studie in den | |
| Schulen gering war (45 Prozent in den Kontrollschulen und 58 Prozent bei | |
| VIP-Schulen). Die Studie lasse keine Rückschlüsse über Teenager zu, die | |
| sich dafür entschieden hatten, nicht teilzunehmen. Nach Angaben von | |
| „Realityworks“ wird dessen Programm mit Babysimulatoren in über 89 Ländern | |
| eingesetzt. Auch in Deutschland gibt es ähnliche Projekte. | |
| 26 Aug 2016 | |
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| [1] http://dpaq.de/KbEIv | |
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