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# taz.de -- Sexuelle Belästigung in der Sauna: Massage wird Vergewaltigung
> Seit Jahren soll ein Bremer Masseur Frauen sexuell belästigt haben.
> Betroffene beschreiben, wie er die vertrauensvolle Atmosphäre ausnutzte.
Bild: Kann leicht übergriffig werden: Massage in heimeliger Atmosphäre
Bremen taz | Die Atmosphäre in der Sauna wirkt entspannt. Kerzen verbreiten
warmes Licht, der süßliche Geruch von Räucherstäbchen liegt in der Luft. So
beschreiben es BesucherInnen eines Bremer Massage-Salons, der neben einer
Frauensauna auch Meditationen und indische Ayurveda-Massagen anbietet.
Es ist ein Treffpunkt für ein eher alternatives und spirituell
interessiertes Publikum. Doch nun erheben einige Frauen schwere Vorwürfe
gegen den Meditationslehrer und Masseur: Seit Jahren soll Martin Becker*
Kundinnen sexuell belästigt und vergewaltigt haben.
Einige Betroffene haben sich Anfang des Jahres zusammengetan, per Rund-SMS
Warnungen verschickt und letzte Woche einen offenen Brief formuliert.
Inzwischen ermittelt die Polizei. Gegenüber der taz berichten fünf Frauen,
wie Becker die vertrauensvolle Atmosphäre ausnutzte. Zwei Frauen schildern,
wie der Masseur sie vergewaltigte.
Sophie Schmidt* ist eine von ihnen. Anfang des Jahres besuchte die
28-Jährige eine Meditationsübung bei Becker. Sie schildert, wie er nach und
nach ihre Grenzen überschritten hat. „Er massierte sehr intensiv meine
Brust“, berichtet sie. „Dann ist er mit seiner Hand zwischen meine Beine
gefahren. Das war nicht aus Versehen, sondern deutlich beabsichtigt. Für
mich war es bis dahin noch in Ordnung, aber dann wurde es immer
unangenehmer.“
Becker habe ihr zehn zusätzliche Massage-Minuten kostenlos angeboten.
Schmidt berichtet, dass er sie zwischen den Beinen geküsst habe. Dann sei
er mit seinem Finger in ihre Vagina eingedrungen. „Er hat mein Vertrauen
schamlos ausgenutzt. Er hat mir etwas genommen, was ich nicht geben
wollte“, sagt Schmidt.
## Mehrere Frauen berichten von Übergriffen
Was sie an dem Tag erlebte, war für sie eine Vergewaltigung. Die Sauna hat
sie seit jenem Tag nie wieder betreten. Stattdessen ist sie zur Polizei
gegangen.
Auch andere Frauen berichten von Übergriffen durch den Masseur. Teilweise
liegen sie lange zurück. Dass sie nun darüber sprechen, hängt auch mit
einem veränderten Diskurs zusammen. Unter dem Hashtag #MeToo haben immer
mehr Betroffene sexuelle Belästigung und Gewalt öffentlich gemacht. Erst
als die Bremer Frauen von anderen Betroffenen erfuhren, fühlten sie sich
ermutigt, über ihre Fälle zu sprechen.
Für Franko Loddo, Vorstandsmitglied im Berufsverband der Yoga- und
Ayurveda-Therapeuten, ist das, was in Bremen passiert sein soll, absolut
unprofessionell und ein klarer Übergriff. „Im klassischen Ayurveda
massieren nur Frauen auch Frauen“, sagt Loddo. „Ein Ayurveda-Masseur
berührt – wenn überhaupt – nur zwischen den Brüsten oder links oder rech…
daneben. Um den Schambereich sollte er einen großen Bogen machen.“
## Dubiose „Teilnahmebedingungen“
Einige Frauen berichten, dass sie vor der Massage bei Becker
„Teilnahmebedingungen“ unterschreiben mussten. Diese liegen der taz in
Kopie vor. Darin heißt es: „Ich bestätige, dass ich nachdrücklich
aufgefordert worden bin, mich zu äußern oder auch die Massage zu beenden,
wenn ich sie als schmerzhaft oder aus anderen Gründen als unangenehm
empfinde und mit ihr nicht mehr einverstanden bin.“
Für die Betroffenen ist diese Einverständniserklärung Teil einer perfiden
Masche. Becker habe nicht angekündigt, wie weit er wirklich gehen werde.
Auch Loddo hält das Papier für unseriös: „Normalerweise wäre so eine
Erklärung nicht nötig. Da will jemand Grenzen überschreiten und sich dafür
absichern.“
Er vermutet: „Dieser Mann bietet offenbar Ayurveda-Massagen an und führt
dann Tantra-Massagen durch.“ Beim Tantra gehe es explizit um sexuelle
Berührungen. Bei einer Ayurveda-Massage aber gehe eine Kundin zu Recht
davon aus, nicht so berührt zu werden. „Das, was diesem Ayurveda-Masseur
dort vorgeworfen wird, geht gar nicht. Wenn das stimmt, muss ihm das
Handwerk gelegt werden.“
Frank Passage, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen, bestätigt, dass zwei
Strafanzeigen gegen den Masseur vorliegen: „Der Vorwurf lautet: sexuelle
Nötigung und sexuelle Belästigung.“ Mehr könne er zu dem laufenden
Verfahren nicht sagen.
## Viele sind wie erstarrt
Auch Lydia Schulz* sagt, dass sie von dem Masseur vergewaltigt worden sei.
Der Vorfall liege fast vier Jahre zurück. Damals war sie 24 Jahre alt. Sie
besuchte eine Kundalini-Meditation bei Becker, als er auch ihr eine
kostenlos Massage anbot.
„Während der Massage hat er förmlich auf mich eingeredet: Mich würde so
eine tolle Energie durchströmen. Es würde sich total schön anfühlen“, sagt
Lydia. „Dann ist er mit seiner Hand in meinen Schritt gegangen und ich
spürte, wie er mit dem Finger in mich eindrang. Er hat sich auf mich gelegt
und ist mit seinem Penis in mich eingedrungen.“
Sie beschreibt, wie er erst eine nette und vertrauensvolle Ebene geschaffen
habe. „Dann hat er mich mit seiner widerliche Masche eingelullt und total
überrumpelt.“ Sie habe ihm körperlich klar gemacht, dass er aufhören solle.
Ein Kondom habe er nicht benutzt. „Keine Sorge“, habe er gesagt und dass er
„getestet“ sei. Schulz selbst habe die ganze Zeit nichts sagen können:
„Während der Tat war ich wie erstarrt. Handlungsunfähig.“
## Sexuelle Übergriffe jederzeit möglich
Für Katharina Göpner vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und
Frauennotrufe ist das nicht ungewöhnlich: „Viele Frauen merken erst nach
einem Übergriff, was passiert ist. Es herrscht in der Gesellschaft das
Bild, dass Frauen, wenn sie solche Gewalt erleben, sich aktiv zu Wehr
setzen. Aber Frauen reagieren ganz unterschiedlich in solchen Situationen.“
Vorherige Gewalterfahrungen oder Angst vor dem Täter spielten oft eine
Rolle. „Die Betroffenen sind dann oft wie erstarrt.“
Göpner erklärt: „Es gibt in einer solchen Situation kein richtiges oder
falsches Verhalten der Frauen. Jede reagiert anders. Das sagt aber nichts
darüber aus, wie schlimm das Erlebte für die Betroffene ist oder dass sie
eine Schuld an dem trägt, was ihr passiert ist.“
Für sie zeigen die Fälle aus Bremen, dass sexuelle Übergriffe überall und
jederzeit stattfinden können: „In nahen und vertrauensvollen Settings wie
einer Massage kommt es immer wieder zu Übergriffen und sexualisierter
Gewalt.“ Sie rät allen betroffenen Frauen dazu, sich Hilfe bei
Fachberatungsstellen zu holen.
Becker will sich auf Nachfrage der taz nicht zu den Vorwürfen äußern.
*Namen wurden von der Redaktion geändert
13 Mar 2018
## AUTOREN
Sebastian Heidelberger
## TAGS
Massage
Sauna
Vergewaltigung
sexueller Übergriff
sexueller Missbrauch
Schwerpunkt #metoo
Oxfam
Schwerpunkt #metoo
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