# taz.de -- Neues Album von „Isolation Berlin“: Mut zum Stilbruch | |
> Zwischen Hass und Melancholie: „Isolation Berlin“ experimentiert auf | |
> ihrem zweiten Album „Vergifte dich“ mit den Abgründen der Seele. | |
Bild: Schönes Wetter heute: „Isolation Berlin“ | |
Bei manchen Alben ist schon während der ersten Takte klar, dass die | |
folgenden Stücke nicht schlecht sein werden. In diese Kategorie gehört | |
„Vergifte dich“, das neue Album von Isolation Berlin. Dessen erster Song | |
heißt „Serotonin“. Laut Wikipedia ist das ein Hormon, das den Menschen | |
gelassen und zufrieden macht. Sänger Tobias Bamborschke atmet kurz ein und | |
trägt diese Zeilen vor: „Wenn du mich suchst / Du findest mich / Am | |
Pfandflaschenautomat / Da hol ich mir zurück, was mir gehört / Und ich | |
schwöre dir / Ich schlage heute / Ein paar Fressen ein / Wenn mich noch | |
einmal jemand dabei stört.“ | |
Von wegen Gelassenheit! Wunderbarster Underdog-Aggro-Style. Die Musik: | |
Eine schwungvolle Fusion aus Wienerlied, Brecht-Theater und Indie-Pop. | |
Zwei Jahre ist es her, dass Isolation Berlin mit ihrem Debütalbum „Und aus | |
den Wolken tropft die Zeit“ aus der Berliner Kneipenwelt ans Licht traten. | |
Vier coole Typen Mitte zwanzig, mit Augenringen und Elbseglern. | |
Postpunk und Gitarrenpop als Basis, dazu Ausflüge in andere Genres. Joy | |
Division und Element of Crime scheinen durch. Tobias Bamborschke, der für | |
Texte und Musik zuständig ist, verarbeitete in den Songs seine | |
Depressionserfahrungen in der Hauptstadt. Die Stimmung changierte | |
dementsprechend zwischen Hoffnungslosigkeit und Melancholie. | |
## Inspiriert vom Theater | |
Das kam gut an. In der Glaubwürdigkeitsnische hat es sich Bamborschke bei | |
der Arbeit an den neuen Texten nicht zu bequem gemacht: „Ich habe schon | |
immer dem lyrischen Ich gewisse Freiheiten gegeben“, sagt er. „Das fällt | |
mir schwer, weil ich egozentrisch bin. Aber ich lasse mich auch von | |
Theaterstücken, Gedichten und Dialogen auf der Straße inspirieren. Diesmal | |
hatte ich noch mehr als beim Vorgänger den Mut, bei den Texten von meiner | |
Person wegzugehen.“ | |
Nach quasi überstandener Depression geht es in den neuen Songs trotzdem | |
nicht gerade fröhlich zu. Hier und da blitzt zwar Hoffnung auf, aber | |
überwiegend erkunden Bamborschke, Max Bauer (Gitarre, Keyboard), David | |
Specht (Bass) und Simeon Cöster (Schlagzeug) weiterhin die dunklen Regionen | |
der Seele. Passenderweise heißt ein Song „Wenn ich eins hasse, dann ist das | |
mein Leben“. Die Band setzt dabei auch diesmal nicht auf einen | |
einheitlichen Sound, sondern überrascht mit Vielfalt und mutigen | |
Stilbrüchen. So folgt nach dem eingängigen Auftakt mit dem | |
Pfandflaschenzurückgeber gleich das düster-vertrackte Titelstück „Vergifte | |
dich“. | |
Bei der Trennungsballade [1][„Marie“] findet sich der Bruch innerhalb des | |
Songs: Die Strophen sind psychedelisch angehaucht, Bamborschke spricht | |
mehr, als dass er singt. Dagegen ist der Refrain („Marie, trockne deine | |
Tränen“) eingängig und sanft. Bamborschke passt seinen Gesangsstil der | |
jeweiligen Stimmung seiner Texte an und verstärkt damit deren emotionale | |
Wucht. | |
## Divenhafte Extroviertiertheit | |
„Ich bin ein großer Fan von Sängerinnen wie [2][Ingrid Caven] und [3][Nina | |
Hagen]“, sagt er. „Ich mag deren Extrovertiertheit, das Divenhafte. Die | |
Caven singt mutig und uneitel. Es gibt bei ihr zurückhaltende Passagen, | |
aber sie scheut sich auch nicht, mit ihrer Stimme schrill und unangenehm zu | |
sein. Das imponiert mir.“ Diese Vorbilder sind zu hören: Zwischen Stücken | |
wie „Vergeben heißt nicht vergessen“ und [4][„Kicks“] liegen Welten. K… | |
Bamborschke bei Ersterem vollkommen in sich gekehrt, grölt er bei Letzterem | |
gegen die Langeweile an und fordert neue „K-K-K-Kicks!“. | |
Seit 2012 gibt es Isolation Berlin. Zunächst nahm kaum jemand von ihnen | |
Notiz. Ihr neues Album zeigt: Die gestiegene Bekanntheit hat beim Quartett | |
offenbar nicht zur Verkrampfung geführt. „Ich habe den Eindruck, dass uns | |
die Aufmerksamkeit extrem motiviert“, sagt Bamborschke. „Wir wissen jetzt, | |
dass unsere Songs veröffentlicht werden und auf Interesse stoßen. Das gibt | |
uns Energie. Früher sind wir im Regionalexpress mit den Verstärkern unterm | |
Arm irgendwohin gefahren, um dann von fünf Zuschauern beleidigt zu werden. | |
Wir haben viel mehr Bock, wenn wir wissen, dass da auch Leute sind, die uns | |
nicht hassen.“ | |
27 Feb 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=6TFvhimnnx4 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=E_T0KgY6WrA | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=Z7FnGRzEPE4 | |
[4] http://isolation%20berlin%20kicks | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
## TAGS | |
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Punk | |
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