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# taz.de -- Eishockey bei den Winterspielen: Die Ruhe nach dem Sturm
> Das deutsche Eishockeyteam steht zum ersten Mal im olympischen
> Halbfinale. Fast die gesamte DEB-Auswahl glaubt an einen Sieg über
> Kanada.
Bild: Der Bildbeweis: Deutschland schlägt Schweden mit 4:3
Pyeongchang taz | Sein Lachen sagt viel über Marco Sturm. Es ist ein
offenes, herzliches Lachen, eines, das Lebensfreude ausdrückt und eine
gewisse Neugier auf die Dinge. „Ich bin selbst gespannt“, hatte der
Bundestrainer vor Beginn dieses olympischen Eishockeyturniers ohne
NHL-Profis gesagt und dabei dieses Lachen gelacht. Eine gute Woche später
spielt die deutsche Nationalmannschaft gegen Kanada ihr erstes Halbfinale
bei Olympischen Spielen.
Ja, das erste. Es gab zwar 1932 schon mal eine Bronzemedaille, aber da
traten nur vier Mannschaften im Gruppenformat gegeneinander an. Und es
gibt, natürlich, die sagenumwobene Bronzemedaille von 1976 in Innsbruck,
aber auch damals wurde noch nicht im K.-o.-Modus gespielt, Deutschland
betrat das Podium mit einer Bilanz von 4:6 Punkten, und Kanada sowie
Schweden waren aus Protest gegen die Amateurregel gar nicht erst
angetreten.
Nein, man könne 1976 nicht mit heute vergleichen, sagt Franz Reindl, der
Präsident des Deutschen Eishockeybundes am Donnerstag. Reindl muss es
wissen, er war damals als Spieler dabei.
Der 63-Jährige – als Spieler, Trainer und Funktionär eine Institution im
deutschen Eishockey – ist bewegt dieser Tage, wie sollte es auch anders
sein nach all den Jahren. Man dürfe von einem „Wunder“ sprechen, sagt er
über den Viertelfinalsieg gegen Schweden. „Die Augen funkeln, jeder ist
bereit, die wollen mehr“, über die Mannschaft. „Sie spielen ähnlich wie
wir, ich glaube, wir haben eine Chance“, über Gegner Kanada.
Und Reindl hat auch eine klare Vorstellung, wem das Verdienst gebührt.
Deshalb hat er mit Sturm ja schon vor dem Turnier den Vertrag verlängert.
„Wir wollten ein Signal setzen, dass wir nicht auf Ergebnisse schauen,
sondern unabhängig davon sagen: ‚Das ist unser Mann.‘“
## „Er gibt uns Vertrauen“
2013 beendete Sturm eine Spielerkarriere, die ihn mit über 1.000 Einsätzen
zu Deutschlands Rekordspieler in der nordamerikanischen Profiliga NHL
avancieren ließ. Den Trainerjob hatte er noch nie ausgeübt, als der Verband
ihn holte. „Wir haben lange diskutiert und ihm dann die Chance gegeben –
als Nobody“, erinnert sich Reindl.
Sturm hat sich dann auch in der zweiten Karriere schnell einen Namen
gemacht. Bei seinen zwei Weltmeisterschaften wurde zweimal das
Viertelfinale erreicht. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit im
deutschen Eishockey, das 1953 zuletzt eine WM-Medaille gewann.
Spricht man mit den Spielern, erwähnen sie das positive Ambiente, das Sturm
geschaffen habe. „Er gibt uns Vertrauen, das Gefühl, dass wir es
draufhaben“, sagt Yannic Seidenberg am Tag nach dem Halbfinaleinzug auf den
Gängen des Deutschen Hauses zwischen Brezn und Müsli. Versinnbildlicht wird
das Teambuilding durch Xaver Unsinns Pepita-Hut, den Sturm aus dem
deutschen Eishockeymuseum holen ließ, um ihn als Wanderpokal durch die
Mannschaft gehen zu lassen. Nach seinem Siegtor gegen die Schweiz erhielt
ihn Seidenberg, am Mittwoch gab er ihn an Patrick Reimer weiter, dessen
Solo den Weltmeister Schweden erledigte.
## Athletikcoach, Videocoach, Ernährungsberater
Seidenberg hat mit Sturm noch selbst zusammen gespielt. „Wir reden schon
lange davon, was zu erreichen“, sagt er, aber jetzt glaube man auch daran.
„Früher sind wir vielleicht eher mit der Einstellung reingegangen,
‚Hoffentlich wird die Niederlage gegen die großen Teams nicht so hoch.‘“
Der 39-jährige Niederbayer muss nicht schreien, um gehört zu werden. So
ruhig, fast sanft wie in der Öffentlichkeit gebe er sich auch intern, heißt
es. Ein „Feeling für den Athleten“ attestiert ihm Reindl. Und er wisse zu
delegieren. „Er ist halt schlau. Als Spieler war er auch schlau. Er wusste,
wo er hingehen muss, er wusste, wo er nicht hingehen muss. Jetzt nimmt er
sich Fachleute hinzu.“
Athletikcoach, Videocoach, Ernährungsberater etc. – die Nationalmannschaft
habe sich seit Sturms Amtsantritt noch mal deutlich professionalisiert,
sagt Reindl. „Die Anforderungen, die der Marco ans Umfeld hat, die sind
schon enorm.“ Nach dem Schweden-Spiel etwa begannen die Gegnerbeobachter
direkt in der Kabine mit der Arbeit für Kanada. „Weiter, weiter, weiter“,
hätten sie nur geantwortet, als Reindl sagte, sie sollten doch auch mal ein
bisschen feiern.
## Spiele auf der Strafbank verloren
Die Olympiavorbereitung – die Arbeit an der „Familie“, als die er die
Mannschaft bezeichnet – begann für ihn schon vor zwei Jahren. Vor allem
aber traute er sich, die jahrzehntealten Defizite im spielerischen und
strategischen Bereich zumindest anzugehen. „Er hat die ‚deutschen
Tugenden‘, die wir immer hatten, – Kampf, Leidenschaft, Einsatz, Wille –
gepaart mit den technischen Aspekten“, sagt Reindl. „Du musst das
läuferische Vermögen haben, das taktische Denken, schauen, dass du
diszipliniert bist.“ Früher gegen Schweden haben man die Spiele auf der
Strafbank verloren, diesmal blieb es bei sechs Minuten. „Das sind halt
Dinge, die er schult“, so Reindl, der von einer „deutlichen Handschrift“
spricht.
Die sieht man auch im Coaching, wo sich Sturm als origineller Stratege
erweist und zuletzt auch immer Fortune hatte. Gegen die Schweiz beorderte
er die Mannschaft nach einem zuvor eher zähen, defensiven Match in die
Offensive – umgehend fiel der Treffer. Gegen Schweden erwies sich sein
Festhalten an Torwart Danny aus den Birken trotz wenig Pause ebenfalls
richtig. Sturm und die Deutschen reizten ihre Möglichkeiten bis nah ans
Optimum aus – kann das wirklich noch mal funktionieren?
„Wir wussten, dass Schweden die bessere Mannschaft ist, und Kanada ist es
wahrscheinlich auch“, sagt Seidenberg. Der letzte deutsche Sieg gegen eine
Auswahl aus dem Mutterland des Eishockey liegt über 20 Jahre zurück,
zuletzt scheiterte man letztes Jahr im Viertelfinale der Heim-WM knapp mit
1:2. Aber die Nordamerikaner treten ohne die NHL-Profis nicht automatisch
mit der sonstigen Überlegenheit an. Wie es ausgehen wird? Man darf gespannt
sein. Und allein das ist schon ein großer Erfolg.
23 Feb 2018
## AUTOREN
Florian Haupt
## TAGS
Olympische Winterspiele 2022
Pyeongchang
Eishockey
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