Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Grammy-Verleihung in New York: Der mutlose Sieger
> Die Selbstbeweihräucherungsshow der US-Musikindustrie verpasst viele
> Chancen. Sechs Grammys räumt Bruno Mars ab. Den Applaus aber bekommt
> Hillary Clinton.
Bild: Grinsebacke Bruno Mars
New York dpa/ap | Egal, ob bei den Golden Globes oder dem TV-Preis Emmys:
Wer in diesen Wochen eine Preisverleihung aus Hollywood schaut, der spürt,
wie eine ganze Branche mit vielen Missbrauchsvorwürfen hadert und versucht,
der [1][#metoo]-Debatte über Gewalt und Belästigung gerecht zu werden.
Welch ein Kontrast war die Verleihung des weltweit bedeutendsten
Musikpreises Grammy am Sonntag in New York: Ganze zwei Stunden dauerte es
da, bis sich die versammelte Musikprominenz zum ersten deutlichen
Ansprechen der Problematik durchrang. Und auch sonst diente der Abend in
viel zu vielen Momenten der Selbstbeweihräucherung einer offenbar seltsam
zufriedenen Branche.
Den wichtigen Akzent setzte Sängerin und Schauspielerin Janelle Monaé in
der Ankündigung der vielleicht beeindruckendsten Performance des Abends.
„Es passiert nicht nur in Hollywood“, sagte Monaé. „Die Zeit ist um für
ungerechte Bezahlung, für Belästigung und den Missbrauch von Macht.“ Dann
begann „Praying“, ein Lied, in dem Sängerin Kesha frühere
Selbstmordgedanken verarbeitet und das nicht wenige für eine Abrechnung mit
ihrem einstigen Produzenten Dr. Luke halten. Begleitet wurde der emotionale
Auftritt von einer weiß gekleideten Frauen-Allstar-Band.
Aber: Monaés Rede reichte nicht an die kämpferischen Worte von Oprah
Winfrey bei den Golden Globes heran. Stattdessen geriet ihr Statement eine
Spur zu pflichtschuldig, eher dramaturgisch von Produzentenhand gesetzt,
als von weiten Teilen des Publikums ehrlich gefühlt. Und auch davor und
danach gab es nur wenige Spitzen gegen den von vielen kritisierten
US-Präsidenten Donald Trump oder die auch in der Musikbranche aufgetauchten
Missbrauchsvorwürfe, viele eher geflüstert als kämpferisch vorgetragen. Nur
wenige Künstler trugen die weißen Rosen am Revers, die vor der Show als
Mahnung für die Missbrauchsdebatte angekündigt worden waren.
„Time's Up!“, nuschelte Lady Gaga in den Übergang zwischen zwei Liedern und
am Ende des Anti-Selbstmord-Songs „1-800-273-8255“ wurde schnell die
Erinnerung daran untergebracht, dass auch die Leben aller Flüchtlinge
geachtet gehören. Shootingstar Camila Cabello durfte zudem kurz die
„Dreamer“ ansprechen, Hunderttausende Kinder illegaler Immigranten, die
inzwischen junge Erwachsene sind und aktuell zum politischen Spielball in
Washington werden, weil ihnen die Abschiebung droht. „Wir erinnern daran,
dass dieses Land von Träumern für Träumer erschaffen wurde“, sagte sie.
## Kaum deutliche Statements
Doch nicht nur in der Inszenierung der Live-Show wurde Mut durch
Selbstbeweihräucherung ersetzt. Auch bei der Vergabe der Preise drückten
sich die Abstimmenden der „National Academy of Recording Arts and Science“
(NARAS), um deutliche Statements. Popsternchen Alessia Cara gewann als
beste neue Künstlerin gegen sperrigere Kandidaten wie die R&B-Sängerin SZA
und Rapper Lil Uzi Vert und der unverfängliche Bruno Mars wurde mit
insgesamt sechs Auszeichnungen für seinen fröhlichen Funkpop zum großen
Sieger des Jahres.
Er durfte dabei auch die goldenen Grammophone in den drei Hauptkategorien
mit nach Hause nehmen und gewann beim besten Lied (That's What I Like“),
sowie der besten Aufnahme des Jahres („24K Magic“) genauso wie beim Album
des Jahres („24K Magic“). Von den zuvor hoch gehandelten und
gesellschaftlich relevanten Stars wie Jaz-Z und Kendrick Lamar, der zu
Beginn einen verstörend-düsteren Auftritt hinlegte, war bei diesen
Auszeichnungen nichts mehr zu sehen – von weiblichen Preisträgern ganz zu
schweigen.
Unangenehm zudem, wie Mars die Selbstbeweihräucherung beim Entgegennehmen
des Preises für die Aufnahme des Jahres krönte und die Produzenten
aufforderte: „Spielt mein Lied nochmal, zu viele Balladen heute.“ So
mancher Zuschauer dürfte sich da nach dem vergangenen Jahr gesehnt haben.
Damals war auch der Britin Adele das Triple gelungen, aber sie hatte die
Auszeichnungen Polit-Ikone Beyoncé gewidmet – und die vielen Preise für
sich selbst als ungehörig empfunden. „Beyonce ist die Künstlerin meines
Lebens“, sagte sie.
## „Lebt er so wirklich sein Leben?“
In einem politischen Moment bei der diesjährigen Grammy-Preisverleihung hat
die frühere US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton überraschend aus
dem Enthüllungsbuch „Fire and Fury“ über Donald Trumps erstes Jahr im
Weißen Haus vorgelesen – und wurde frenetisch gefeiert. In einem vorab
aufgezeichneten Video versuchten Musikstars wie Snoop Dogg, Cher, John
Legend und Cardi B Passagen aus dem Bestseller des Autors Michael Wolff
vorzutragen. Rapperin Cardi B fragte dabei: „Lebt er so wirklich sein
Leben?“
Clintons Erscheinen in der Aufnahme kam unerwartet. Die US-Botschafterin
bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, beklagte anschließend via Twitter,
der Moment habe für sie die gesamte Gala zerstört. „Ruiniert großartige
Musik nicht mit Müll. Viele von uns mögen Musik, ohne dass die Politik
hineingebracht wird“, schrieb Haley.
Der Chef der Recording Academy – der Organisation hinter den Grammys –
sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, aus seiner Sicht sei Clintons
Beitrag eher satirisch als politisch gewesen. Auch in der Vergangenheit
seien bei den Grammys witzige oder ungewöhnliche Dinge der politischen
Führung betont worden. Der Produzent der Show sagte, Moderator James Corden
habe Clinton um den Beitrag gebeten.
29 Jan 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/hashtag/metoo
## TAGS
Hillary Clinton
Donald Trump
Eier
Emmy
Adele
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verleihung der Grammys 2019: This is America
Nach viel Kritik an der viel zu weißen Veranstaltung war der US-Musikpreis
2019 deutlich vielfältiger. Dennoch blieb der große Gewinner fern.
Kolumne Eier: Sorry für's Grapschen, Zimtschnecke
Entschuldigt wurde sich viel in letzter Zeit, vor allem von Männern. Aber
nicht jede Entschuldigung ist eine gute. Fünf Tipps, wie's doch klappt.
69. Emmy-Preisverleihung und Trump: Ein schlechter Witz
Bei der Verleihung des Fernsehpreises spotteten alle über Trump. Sein
Ex-Pressesprecher Sean Spicer parodierte sich selbst. Zum Lachen ist das
nicht.
Grammy-Verleihung 2017: Adele geehrt, Beyoncé gerühmt
Fünf Preise erhielt die britische Sängerin Adele bei den diesjährigen
Grammy Awards. In ihrer Rede huldigte sie der unterlegenen Beyoncé: „Wir
verehren dich alle.“
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.