# taz.de -- Mario Gomez zurück in Stuttgart: Everybody's Darling | |
> Beim 1:0-Sieg gegen Hertha BSC genügen dem zurückgekehrten Stürmer wenige | |
> Sekunden, um zu zeigen, dass er gut nach Stuttgart passt. | |
Bild: Ein „Sieg des Willens“: Mario Gomez jubelt | |
STUTTGART taz | Es war ein skurriler Moment, der den Einstand von Mario | |
Gomez zum Erfolgserlebnis schrieb. In der 78. Minute war der | |
Hoffnungsträger und Heilsbringer im schwäbischen Trikot gegen | |
Hertha-Verteidiger Niklas Stark zu Boden gegangen. Gomez reklamierte | |
Elfmeter, die Stuttgarter Teamkollegen protestierten, und kaum jemand | |
realisierte, wie im selben Moment Stark den Ball unglücklich in hohem Bogen | |
ins eigene Tor lenkte. | |
Mario Gomez brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass seine | |
Empörung gerade überflüssig geworden war. Mit der Abgezocktheit des | |
langjährigen Profis schaffte er es dann aber doch recht schnell, von Wut zu | |
ekstatischem Jubel umzuschwenken. Im Stuttgarter Stadion feierten sie den | |
Treffer, natürlich, als Gomez-Tor. Gomez, der Rückkehrer, sagte lächelnd | |
auf die Frage, welchen Anteil des Tores er sich selbst zuschreibe: „Null | |
Prozent.“ Er sagte das mit der Selbstverständlichkeit eines Spielers, der | |
sich niemandem mehr beweisen muss. Außer vielleicht Jogi Löw. | |
Das 1:0-Gomez-und-doch-nicht-Gomez-Tor war ein Glücksfall für den VfB und | |
der Höhepunkt eines an Höhepunkten armen Spiels. Mit Stuttgart und Hertha | |
trafen am Samstag zwei Teams aufeinander, die stark in der Defensive und | |
schwach in der Spielgestaltung sind. Die Partie blieb 90 Minuten eine | |
Parade von risikoarmem Adenauer-Fußball: Nur keine Experimente. Hertha | |
verschanzte sich mit destruktivem Mauer- und Konterfußball, Stuttgart war | |
um etwas mehr Offensive bemüht, konnte aber einfach nicht besser. | |
Wer das niedrige Niveau von Bundesligapartien kritisieren mag, fand sich | |
hier völlig im Recht. „Es war ein Sieg des Willens“, beschrieb Gomez spät… | |
etwas euphemistisch. In einer Partie, deren logisches Ergebnis eigentlich | |
nur 0:0 hätte sein können, war die kuriose Koproduktion aus | |
elfmeterwürdigem Foul und Eigentor wohl die einzige würdige Alternative. | |
## Auf Herz und Kopf gehört | |
Es war die Partie von Mario Gomez, vor allem in symbolischer Hinsicht und | |
ein klein wenig auch auf dem Rasen. Der VfB Stuttgart bemühte sich gar | |
nicht erst, die Euphorie über den spektakulären Deal zu verbergen: das | |
Stadionheft gepflastert mit Gomez-Bildern, auf der Leinwand die schönsten | |
Gomez-Treffer im VfB-Trikot, und auf den Rängen eine Hoffnung, als könnte | |
allein ein Name den Abstiegskampf leichter machen. | |
Auch der Torjäger wirkte emotional. „Ich habe mich wahnsinnig gefreut, | |
hierhin zurückzukommen, wo alles begonnen hat“, sagte Gomez nach dem Spiel. | |
„Wir wissen, dass es eine schwere Rückrunde wird, aber ich habe mich | |
bewusst dafür entschieden. Ich habe auf mein Herz und meinen Kopf gehört.“ | |
Auf dem Rasen war es allerdings holpriger. Wie die gesamte Stuttgarter | |
Offensive blieb auch Gomez über weite Teile des Spiels blass. Wenn er sich | |
lösen konnte, was in der zweiten Hälfte besser gelang, war er bemüht, | |
Struktur ins Offensivspiel zu bringen, blieb aber oft fruchtlos, weil die | |
Kollegen nicht da waren, wohin er sie schickte, oder Gomez nicht dahin | |
lief, wo die Kollegen ihn erwarteten. | |
## Darf Volksheld bleiben | |
Letztendlich waren es wenige Sekunden in der 78. Minute, die die | |
Gomez-Rückkehr zur Erfolgsgeschichte machten. Dass der VfB Stuttgart mit | |
drei Punkten statt einem in die Rückrunde startet, geht aufs Konto des | |
Stürmers. Mario Gomez darf also erst mal Volksheld bleiben. | |
Bliebe es so, wäre es der versöhnliche Karriereabschluss eines | |
Weltklassespielers, der über weite Strecken seiner Karriere in Deutschland | |
zu Unrecht unterschätzt wurde. Ein Fehlschuss bei der EM 2008 und ein | |
Kommentar von Mehmet Scholl reichten für einen seltsamen Mythos, gemischt | |
aus Hohn und Poppsychologie. Gomez, der Weiche, der Sensible, dem Druck des | |
Geschäfts nicht gewachsen. | |
Torschützenkronen und sensationelle Torquoten rehabilitierten den Stürmer | |
nur kurzfristig; da kamen Barça und Tiki-Taka, und Gomez, der | |
Strafraumstürmer, galt öffentlich als Antiquität. Die Meinung, der | |
klassische Stürmer gehöre auf den Haufen der Fußballgeschichte, ist | |
mittlerweile ein wenig revidiert. | |
Und auch die Einschätzungen über Mario Gomez. Der VfB wäre nicht der erste | |
Verein, der doch ganz guten Nutzen in ihm findet. Und es ist der erste | |
Verein seit Langem, wo er nicht erst Skeptiker umstimmen muss. Everybody’s | |
Darling zu sein dürfte Gomez als ziemliches Luxusproblem erscheinen. | |
14 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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