# taz.de -- Schlechte Geschenke zu Weihnachten: Vom Geben falscher Gaben | |
> Huch, schon Weihnachten und noch kein Geschenk? Wie wäre es mit Seife? | |
> Lieber nicht! Vier Abrechnungen mit Verlegenheitsgeschenken. | |
Bild: Die Botschaft einer Seife als Geschenk ist klar: Wasch dich, und zwar gr�… | |
## Oh toll, ein Gutschein | |
Schon an der Verpackung ist klar: Es muss sich um Symbolisches handeln. | |
Geld womöglich, aber wer schenkt noch Geld. Zu old school. Wenn, dann | |
müssten es Bitcoins sein. Da jedoch blicken nur die Nerds durch und machen | |
einen Reibach und die etablierte Geldwirtschaft warnt, weil sie die | |
Konkurrenz fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Huch, es könnten die | |
Falschen zu Geld kommen, solche Schmarotzer, die ihnen dann die Provisionen | |
wegnehmen. (Man scheut sich in der Branche nicht, die Fakten zu verdrehen.) | |
Ihre Szenarien jedenfalls beschwören den Niedergang des Kapitalismus und | |
schüren Angst. | |
Aber keine Sorge, in diesem Umschlag sind keine Bitcoins, in diesem | |
Umschlag ist das virtuelle Geld schon in ein echtes, am Kapitalmarkt | |
vertretenes, börsennotiertes Unternehmen investiert. Es ist nämlich ein | |
Gutschein. Vom Hornbach Baumarkt. 20 Euro. Oh, danke. | |
Ach Gott, ein Gutschein. Und dann so einer. Du bekommst ihn und weißt | |
nicht, was es bedeutet. Ist es eine Aufforderung, einen Eimer Farbe zu | |
kaufen und den seit zwanzig Jahren nicht mehr gestrichenen Flur zu | |
verschönern? Und wenn nicht, dann doch eine, sich vernünftiges Werkzeug zu | |
kaufen (für 20 Euro?), eine vernünftige Rohrzange vielleicht, damit du beim | |
nächsten Mal den Siphon richtig abkriegst, wenn er wieder verstopft ist? | |
Die Sache mit Geschenken an sich ist schon heikel. Aber die Sache mit den | |
geschenkten Gutscheinen ist noch heikler. Beim Geschenk bekommt der | |
Schenkende am Gesichtsausdruck gleich eine Resonanz (meistens eine | |
positive, denn heute sind alle gut erzogene Schauspieler). Bei Gutscheinen | |
indes hängt die Resonanz in der Warteschleife. Selbst Leute, die DIY hassen | |
wie die Pest, könnten sich bei Hornbach ja eine Blume kaufen. Nur, warum | |
schenkt der Schenkende dann nicht gleich die? | |
Es ist vertrackt. Unlösbar. Aussichtslos. Schenken Sie, was Sie wollen. | |
Bloß keine Gutscheine. In der Regel gucken sich die Beschenkten den an, | |
„toll, super, cool, großartig, fantastisch, hammermäßig“, stecken ihn mit | |
einem Magneten an den Kühlschrank, und wenn sie ihn wieder mal anschauen, | |
sind drei Jahre rum und er ist verfallen. Waltraud Schwab | |
*** | |
## Krass, eine Seife | |
Elf Seifen besitze ich. Mit einer Freundin habe ich sie gezählt, wir haben | |
acht im Badschrank gefunden, zwei in der Dusche und eine, die echt in | |
Benutzung ist und in einer erwachsen-hölzernen Seifenschale auf dem | |
Waschbecken liegt. Die meisten sind hübsch verpackt, sie tragen Blüten und | |
Schnörkel und riechen klassisch, nach Zitrone oder Rosen. Eine ist aus | |
Gemüse und von meiner Schwester. Die beiden, die „Bonne Mère“, also „Gu… | |
Mutter“, heißen, sind von meiner Mutter. Die, bei der meine Freundin fragt, | |
„und von wem ist die Billo-Seife?“ – eine Nivea in angegrauter Schachtel … | |
ist von meinem Exfreund. Sie lag vor etwa vier Jahren im Adventskalender. | |
Für sich betrachtet ist die Seife, finde ich, eine gute Sache. Sie | |
erscheint in pastellenen Farben, häufig rundeckig und sie liegt angenehm | |
weich in der Hand. Sie erscheint in Hotelbädern und als Souvenir aus der | |
Provence, aus Süditalien, vom Toten Meer, sie ist der Weltenbummler des | |
Badezimmers. | |
Und doch ist ihre Botschaft so klar wie das Wasser, mit dem sie sich | |
mischt: Wasch dich. Bitte gründlich. Am besten sofort. Die Seife ist eine | |
Hygieneaufforderung, und besitzt man sie elffach und eigentlich lieber | |
Duschgel – glauben Sie mir, liebe Schenkenden –, dann erfüllt der Verbrauch | |
jeder einzelnen mit Stolz. Man schrubbt, spült und hofft, doch der Weg | |
bleibt lang und nass. Es sei denn natürlich, man kennt hilfsbereite | |
Menschen. „Was mache ich mit dem Zeug?“, frage ich meine Freundin, während | |
wir einen Seifenturm bauen. „Gib sie mir“, sagt sie. Sie hat ein großes | |
Haus und hohen Duftbedarf. Annabelle Seubert | |
*** | |
## Algohol, vieln Danggauch! | |
Schnapspralinen, damit hat alles angefangen. Oder war es doch eher | |
umgekehrt: Jemand kam auf die Idee, Schokoladenbatzen mit Schnaps zu | |
füllen, damit man mal eine andere Transportvariante für den zu schenkenden | |
Alkohol hat? | |
Alkohol schenken! Meine Eltern haben den ganzen Keller voll mit Schnaps, | |
weil weder sie noch sonst jemand in der Familie je im Leben solche harten | |
Alkoholika zu sich genommen hat, dies aber der einfallslosen Schenkwut der | |
Leute keinen Abbruch getan hat. Ein ganzes Fass voller Pflaumenschnaps | |
steht herum, in Flaschen gefüllt sind Schnäpse aus Birnen und sonstigem | |
Obst und verstauben. | |
Völlig in Ordnung, Alkohol mitzubringen, wenn danach verlangt wird – also | |
dann, wenn man zu einer sogenannten Bottle-Party eingeladen ist. Aber fiese | |
(und dann noch überteuerte) Discounter-Plörre aus dem „Spätshop“ oder von | |
der „Tanke“ als Gast,- Geburtstags- oder gar WEIHNACHTSGESCHENK bitte | |
nicht. Gerade solche Gaben sind es doch, die den Teufelskreis des | |
Alkoholschenkens durch die Unsitte des blinden Weiterschenkens noch | |
befeuern. | |
Wein schenken, das ist nur erlaubt, wenn nachweislich auch eine | |
Eigenleistung erbracht wurde: Im Morgengrauen im Moselsteilhang gestanden, | |
um bei Temparaturen unter null Resttrauben von den Rebstöcken zu pflücken? | |
Barfuß in Binissalem den Saft aus den Früchten getreten? Den Winzersekt bei | |
Mondschein handgerüttelt? | |
Die raue Wirklichkeit des Gebens sieht ganz anders aus: Sanddornlikör aus | |
Rostocker Hinterhöfen, Danziger Goldwasser, „Bärenklau“-Verdauungsschnaps | |
mit vergorenem Honig aus Görlitz und, wenn es ganz schlimm kommt, | |
Pseudo-Originalgetränke wie „Original Berliner Luft Kümmelschnaps“ aus dem | |
Ampelmännchen-Shop. | |
Also wirklich nicht. Schenkt doch einfach mal andere Drogen! Kölner Koks, | |
Scheeßeler Shit, Potsdamer Piece und Leipziger Liquid Ecstasy in | |
mundgeblasener Originalkaraffe. Marburger Meskalin und Rügenwalder Ritalin, | |
originalverpackt in historischer Holz-Geschenkbox. Alles andere hält man ja | |
nur noch besoffen aus. Martin Reichert | |
*** | |
## Endlich, ein Notizbuch | |
Zwei Weihnachtsgeschenkpersönlichkeiten gibt es: Die eine verfügt über | |
grandiose Geschenkstrategien, die andere nicht. Leute vom Typ 1 wissen | |
genau, was sie schenken und scheuen sich auch nicht vor Wiederholungen. Von | |
ihnen bekommt die Großmutter jedes Jahr aufs Neue einen Bilderrahmen samt | |
Foto der Enkel, die Mutter wiederum eine eigens zusammengestellte CD mit | |
Schlagern ihrer Zeit. Das Repertoire ist grenzenlos. | |
Leute vom Typ 2 haben es dagegen schwerer. Man könnte sie auch „die | |
Aufschieber“ nennen. Sie kapitulieren vor der Warenflut. | |
Und was schenken sie am Ende? Was Neutrales, etwas, das sie im Supermarkt | |
finden: ein Notizbuch. Die gibt es in mannigfaltigsten Ausführungen, und | |
genauso mannigfaltig sind die Begründungen der Geschenkwahl: „Du sagt so | |
viele kluge Sachen am Tag – das musst du sammeln“, ist eine Begründung. | |
Oder: „Damit du nicht nur siehst, sondern auch behältst.“ Oder: „Damit du | |
nicht allein mit deinem Geist bist.“ | |
Natürlich kann man Notizbücher als klassische Verlegenheitsgeschenke abtun. | |
Doch nur weil sie einfach zu beschaffen sind, verdienen sie keinen stillen | |
Platz in der Weihnachtsschublade. Selbst ein Standardnotizbuch beinhaltetet | |
doch das Individuellste, was es gibt: die eigenen Gedanken. Das Notizbuch | |
ist der König der Verlegenheitsgeschenke. Denn die sich daraus | |
entwickelnden Möglichkeiten sind grenzenlos, und gut gemeint ist es auch: | |
Es könnte den verschlafenen Poeten, den gesuchten Therapeuten oder | |
benötigten Freund im Beschenkten wecken. Das ist sehr viel. Aron Boks | |
25 Dec 2017 | |
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