# taz.de -- Fan über schwedischen Klub Östersund: „Ballett ist Mittel zum F… | |
> Östersunds FK gastiert bei Hertha BSC. 2.000 Anhänger reisen extra an, um | |
> den ungewöhnlichen Fußballverein zu feiern. In Berlin wartet bereits ein | |
> Fan. | |
Bild: Gute Stimmung? In Östersund wird sie von drei Vorsängerinnen im Wechsel… | |
taz: Herr Förster, Sie sind am Donnerstag beim Spiel Hertha gegen | |
Östersunds FK im Berliner Olympiastadion erstmals im Gästeblock. Warum? | |
Felix Förster: Ich habe zwei Jahre in der Nähe von Östersund gelebt und | |
verfolge seither die unglaubliche Entwicklung des Vereins. Östersund ist | |
eine marginalisierte kleine Stadt in einer infrastrukturschwachen Gegend, | |
vergleichbar vielleicht mit Cottbus. Der Verein war 2010 in der vierten | |
Liga und im Unterschied zu Hertha hat man nun in der Europa League die | |
nächste Runde schon erreicht. | |
Was begeistert Sie an diesem Verein? | |
Der erlebnispädagogische Ansatz, den man dort verfolgt. Ich arbeite selbst | |
beruflich in diesem Bereich. Aufgrund der schlechteren | |
Ausgangsvoraussetzungen kam man im Klub zu der Einsicht, dass man etwas | |
Besonderes machen muss, um Erfolg zu haben. In diesem Zuge wurden die | |
Spieler etwa vertraglich verpflichtet, an Kulturprogrammen teilzunehmen. | |
Die Ausgangsfrage war: Wovor habe ich am meisten Angst? Die Idee war, die | |
Spieler aus der Komfortzone herauszuholen und nicht nur als Fußballer | |
herauszufordern. | |
Wozu ist das gut? | |
Die Spieler mussten etwa das Ballett „Schwanensee“ vor mehreren hundert | |
Zuschauern vorführen. In der Bundesliga müssen die Profis allenfalls ein | |
Lied im Mannschaftskreis vortragen, aber Ballett, das ist schon fast | |
Panikzone für einen Fußballer. Sie lernen dabei mit ungewohnten Situationen | |
umzugehen, so wie sie sich für den Verein sportlich mit den vielen | |
Aufstiegen auch ergeben haben: individuell immer bessere Gegner, größere | |
Stadien und vieles mehr. | |
Wie macht sich für Sie als Zuschauer dieses Konzept bemerkbar? | |
Als Östersund seine Europa-League-Premiere hatte, bin ich extra dafür von | |
Berlin aus hingefahren. Und ich habe selten so eine Fehlerfreundlichkeit | |
erlebt. Die Spieler haben vieles probiert, und wenn es nicht geklappt hat, | |
wurde sowohl im Team als auch von den Zuschauern nicht geschimpft. | |
Einzigartig ist auch, dass die Stimmung dort im Wechsel von drei Frauen | |
gemacht wird. Sie sind die einzigen weiblichen Vorsängerinnen in ganz | |
Europa. Als die Leute erfuhren, dass ich extra für Östersund den weiten Weg | |
gemacht habe, wurde ich sogleich in deren Fanklub „Falkaner“ aufgenommen. | |
Was bedeutet das Spiel in Berlin für den Klub? | |
Es ist das letzte Spiel eines verrückten Jahres und einer verrückten | |
Geschichte. Deshalb begleiten das Team 2.000 Fans. Allein 500 sind per | |
Sonderzug unterwegs, der unter dem Namen „Siegeszug“ fährt. | |
Glauben Sie, dass dieser ungewöhnliche methodische Ansatz des Vereins, der | |
den Spielern viel abverlangt, auf höherer Ebene auf Grenzen stößt? | |
Nein. Der Klubpräsident Daniel Kindberg sagt: „Wir spielen, um jedes Spiel | |
zu gewinnen. Die Konsequenz daraus ist, dass wir irgendwann die Champions | |
League gewinnen.“ | |
Diese grenzenlose Erfolgsgläubigkeit hört sich ja fast schon sektenhaft an. | |
Nein, Kindberg ist eher rational, kalt berechnend. Alles wird dem Erfolg | |
auf dem Platz untergeordnet. Das Ballett etwa ist nur ein Mittel zum | |
fußballerischen Erfolg. | |
Glauben Sie, dass Östersunds Weg weiter nach oben führt? | |
Das hängt sehr vom Bleiben des Trainers Graham Potter ab. Mit ihm steht und | |
fällt das Konzept hier. Er ist Brite und in seiner Heimat haben einige | |
Klubs Interesse an ihm bekundet. | |
7 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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geglückt. |