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# taz.de -- AC Mailand verkommt zur Lachnummer: Ein komplettes Desaster
> Vom ruhmreichen AC Milan ist nicht mehr viel übrig. Nun wird der
> überschuldete Klub auch noch von der Uefa kritisch beäugt. Eine
> Transfersperre droht.
Bild: Milan-Urgestein Gattuso ist nun dort Trainer – und hatte sich das sich …
Mailand taz | Gennaro Gattuso blieb fast die Stimme weg. Mit rauer Kehle
versuchte er die Darbietung der Seinen nach dem kläglichen 0:3 bei
Aufsteiger Hellas Verona zu erklären. „Es war ein Trauerspiel von uns. Bis
zum ersten Gegentor haben wir noch gut gespielt, dann sind wir aber
auseinandergebrochen“, sagte der Coach, und das Entsetzen über die mentale
Zerbrechlichkeit der Spieler, die eines jener Trikots tragen dürfen, von
denen der Mittelfeldterrier einst kämpfend und grätschend so viele
durchschwitzt hatte, war ihm von den Augen abzulesen.
Gattuso, vor wenigen Wochen erst als Trainer verpflichtet, ist ratlos.
Unter seiner Leitung wurde Milan zum Ligagespött, als es dem statistisch
schlechtesten Erstligaklub der Welt, Benevento Calcio, zu dessen
allererstem Punkt verhalf. Ein Kopfballtreffer des gegnerischen Torwarts
bei einem Eckball in der Nachspielzeit bescherte den Rossoneri diese
Blamage. Mit einem Kopfballgegentreffer nach Eckball wurde auch die
Niederlage gegen Verona eingeleitet.
Die simpelsten Dinge wie etwa die Zuordnung bei Standards funktionieren
nicht. Das ist keine neue Erkenntnis. Seit dem Weggang von Carlo Ancelotti
und dem Verkauf der Stars der goldenen Ära sind die Fehler häufiger und die
technischen Kabinettstückchen weniger geworden. Wer allerdings glaubte,
dass die Talsohle schon erreicht sei und es mit der Einkaufsoffensive im
Sommer mit Investitionen in Höhe von etwa 100 Millionen Euro wieder bergauf
gehen würde, reibt sich jetzt die Augen.
Feine Techniker wie die Neuzugänge Hakan Calhanoglu und Franck Kessie
wurden zu Spukgestalten im Mittelfeld. Stürmer wie Andre Silva und Nikola
Kalinic, die in ihren jeweiligen Auswahlmannschaften auf Torquoten von
immerhin 0,6 (Silva für Portugal) und 0,4 (Kalinic für Kroatien) kommen,
versagen im Milan-Dress regelmäßig die Nerven.
## Der „psychologische Druck“ von sechs Millionen Euro
Zum sportlichen Desaster kommen atmosphärische Störungen. Gianluigi
Donnarumma, Nachfolger von Gianluigi Buffon in der Squadra Azzurra, wurde
schon im Sommer von seinem Berater Mino Raiola zum Weggang gedrängt.
Donnarumma blieb, beugte sich dabei einer Hasskampagne der Tifosi.
Vergoldet wurde dem Teenager sein Bleiben mit einem Jahresgehalt von sechs
Millionen Euro. Angesichts der jüngsten Milan-Pleiten auf dem Feld versucht
Raiola seinen Schützling wieder aus dem bis 2021 gehenden Vertrag
loszueisen.
Sein Trick: Er warf Milan „psychologischen Druck“ bei der
Vertragsunterzeichnung vor. „Sechs Millionen Euro, unter diesem
psychologischen Druck möchte ich auch einmal stehen“, witzelten enttäuschte
Anhänger. Die anderen pfiffen ihn aus. Selbst Ex-Premier Enrico Letta
tweetete: „Wäre ich im Stadion, ich würde ihn auch auspfeifen.“
Raiolas durchsichtige Absetzbewegung hat noch ein weiteres Motiv. Die Uefa
erteilte den Managern des AC Mailand eine kühle Absage, als die ihren
Entschuldungsplan vorlegten. Die endgültige Entscheidung ist ins Frühjahr
vertagt. Aber dem Klub drohen Einschränkungen auf dem Transfermarkt und ein
Verbot der Teilnahme an den europäischen Wettbewerben.
Unklar ist vor allem die Vermögenslage von Besitzer Yonghong Li. Dessen
Reichtum soll auf dem Besiitz einer Phosphat-Mine gründen. Doch dieser
angeblich wertvollste Vermögenswert Lis wechselte laut Recherchen der New
York Times in den letzten Jahren mehrfach den Besitzer. Der aktuelle Eigner
meinte, Yonghong Li gar nicht zu kennen.
## AC Mailand als Tochterunternehmen von Udinese
Um Milan überhaupt kaufen zu können, bediente sich Li eines Kredits des
Hedgefonds Elliott. Der ist als eine der größeren Heuschrecken weltweit
gefürchtet. Die Rückzahlungsmodalitäten der insgesamt 303 Millionen Euro
bereiten denn auch der Uefa Kopfzerbrechen. Weil Li den Kredit offenbar
nicht bedienen kann, suchen die Milan-Manager jetzt nach Investoren, die
die Zahlung übernehmen.
An erster Stelle nannte der gewöhnlich gut informierte Branchendienst
„calcio e finanza“ den Londoner Finanzdienstleister BGB Weston. Der ist für
die Auslandsdeals der Familie Pozzo zuständig. Die besitzt den Serie A-Klub
Udinese Calcio, dessen England-Ableger FC Watford und die spanische Filiale
in Granada. Der AC Mailand würde so zum Tochterunternehmen des kleinen
Udinese.
Von der Tabelle her passt das. Udinese hat – bei einem Spiel weniger – nur
drei Punkte weniger als Mailand, aber immerhin Stürmer, die häufiger
treffen. Mittelmaß trägt jetzt den Namen AC Mailand.
18 Dec 2017
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
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