| # taz.de -- Pop-Festival in Prenzlauer Berg: Ambitionierte Klangforschung | |
| > Zu seinem 15. Geburtstag veranstaltet der Club Ausland an diesem | |
| > Wochenende das zweitägige Festival „Pop im Ausland“. | |
| Bild: Noise, Post-Punk und Dream Pop gibt’s am Sonntag mit dem Schwestern-Duo… | |
| Erst vergangenes Wochenende hat das Ausland Geburtstag gefeiert. Seit | |
| nunmehr 15 Jahren ist der Name dieses Clubs Programm. Schließlich | |
| beschäftigt man sich hier mit improvisierter, experimenteller Musik und ist | |
| damit weiter als manches tatsächliche Ausland von der | |
| Schöner-wohnen-und-essen-Umgebung entfernt. | |
| Hervorgegangen ist das Ausland aus dem 90er-Jahre-Hausbesetzertreff Lychi | |
| 60. Der Raum wurde aufwendig schallisoliert und 2002 wiedereröffnet. | |
| Konzipiert war es als multidisziplinärer Kunstraum im einst subkulturell so | |
| vitalen Helmholtzkiez, mittlerweile steht die Musik im Mittelpunkt. | |
| Doch abgesehen von der speziellen Gemengelage des Prenzlauer Bergs – das | |
| Ausland ist ein Veranstaltungsort mit einem speziellen, nischenorientierten | |
| Programm. Auch in einer weniger homogenisierten Umgebung wäre das eher an | |
| eine spezialisierte Szene als die Nachbarschaft adressiert. | |
| Doch zumindest am kommenden Wochenende wird das ein bisschen anders sein. | |
| Mit dem Mini-Festival „Pop im Ausland“ (PIA) soll Tuchfühlung mit der | |
| Umgebung aufgenommen werden. Zumindest ist das die Idee, denn gefördert | |
| wird das zweitägige Festival über das Förderprogramm Pop im Kiez. Das wurde | |
| vom Musicboard Berlin ins Leben gerufen, um die Akzeptanz von Live-Musik in | |
| Wohngegenden zu stärken. | |
| ## Experimenteller Fokus | |
| „Die Nachbarn wissen bisweilen gar nicht, dass es uns gibt“, erklären die | |
| PIA-Kuratorin Mélodie Melak und die Produktionsleiterin Raliza Nikolowa im | |
| Interview. Das ansatzweise zu verändern sei eins ihrer Ziele. Und natürlich | |
| soll ambitionierte Klangforschung betrieben werden. Ein bisschen | |
| augenzwinkernd ist der Titel der Veranstaltung schon, denn ein Versprechen | |
| von Pop ist ja auch immer seine Zugänglichkeit. Das wird von Nikolowa | |
| relativiert. „Es geht uns schon darum, etwas auszuprobieren. Das Festival | |
| hat einen experimentellen Fokus.“ | |
| Ins Leben gerufen wurde PIA von Gregor Hotz und Guido Möbius. Beide sind | |
| selbst als Musiker aktiv. Möbius arbeitet zudem als Musikverleger und | |
| Promoter, Hotz steckt hinter dem Onlineportal Echtzeitmusik und ist | |
| Initiator der Konzertreihe „Biegungen“. | |
| In den ersten Jahren fanden zwei, drei, über das Jahr verteilte | |
| Veranstaltungen unter dem Motto statt, im dritten Jahr ist daraus jetzt | |
| erstmals ein Mini-Festival geworden. Melak und Nikolowa haben die | |
| Organisation übernommen, zu der im als Kollektiv betriebenen Ausland | |
| übrigens alles gehört: vom Booking über den Getränkeeinkauf bis zum Putzen. | |
| „Die PIA-Abende sind toll, weil zur Abwechslung richtig viel los ist“ | |
| erklärt Melak. „Jahr um Jahr veranstalten wir viele Konzerte, zu denen | |
| gerade mal ein Dutzend Leute kommen. Das ist okay, weil wir wissen, dass | |
| wir auf hohem Niveau eine Nische bedienen. Aber wenn es richtig knackvoll | |
| im Ausland ist, bringt das eben doch eine besondere Energie und Dynamik in | |
| den Raum.“ | |
| ## HipHop und Songwriting als Schwerpunkte | |
| Der Schwerpunkt des ersten Abend heißt HipHop, am zweiten ist es dann das | |
| Songwriting. Das reflektiert durchaus auch die Hörgewohnheiten der | |
| Kuratorin: | |
| „Experimentelle oder improvisierte Musik ist für mich etwas, was ich live | |
| erleben muss. Zu Hause höre ich das kaum. Da interessiert mich dann | |
| tatsächlich eher HipHop und eben Pop. Als wir das Festival geplant haben, | |
| fiel mir auf, dass ich keine experimentellen HipHop-Bands von Frauen kenne. | |
| Deshalb habe ich in unserer Szene herumgefragt, wer Lust und Interesse | |
| hatte, sich damit zu beschäftigen.“ | |
| So spielt am Freitagabend so etwas wie eine zusammengecastete Supergroup | |
| der experimentellen Musik: Anthea Caddy, Marta Zapparoli und JD Zazie | |
| probieren aus, was passiert, wenn sie ihre Erfahrungen auf die | |
| Genrekonventionen des Hiphop ansetzen. Sonst sind alle drei im Umfeld von | |
| Echtzeitmusik tätig, Caddy etwa beschäftigt sich mit dem Raum-Zeit-Aspekt | |
| von Klängen. An dem Abend wird sie Cello spielen. Stimmlich unterstützt | |
| werden die drei von der Amsterdamer Rapperin Zulu Green (die sich bis vor | |
| Kurzem Shedney Ruffin nannte). | |
| Auch die Musikerinnen, die im Vorfeld des Festivals erstmals zusammen mit | |
| diesen Sounds experimentierten, finden die Erfahrung inspirierend, erzählt | |
| Nikolowa: „Dass die Szene, wie so oft in Berlin, in ihrer eigenen Soße | |
| schwimmt, ist auch bei der experimentellen Musik so. Da tut frischer Wind | |
| gut.“ | |
| ## Zwischen Dreampop und Postpunk | |
| Der zweite Abend verläuft etwas konventioneller – in dem Sinne, dass hier | |
| eine etablierte Band auf der Bühne steht. Das beim Label Staatsakt unter | |
| Vertrag stehende Schwestern-Duo Jolly Goods, bestehend aus Tanno Pippi und | |
| Angy Lord, wird dabei zehn neue Songs, also ein ganzes neues Album | |
| vorstellen, bei dem sie Noise, Post-Punk und Dream Pop zusammenbringen. | |
| Auch die Soloprojekte der Schweizerin Asi Foecker, ebenfalls aus der | |
| experimentellen Szene kommenden, strahlen eine Energie zwischen Dreampop | |
| und Postpunk aus. | |
| Das Aufeinandertreffen von Experimentalmusiker und Popkonventionen | |
| verspricht Synergieeffekte. Ob es auch unerwartete Begegnungen mit der | |
| Nachbarschaft geben wird? Tatsächlich haben die Initiatorinnen den | |
| Eindruck, dass bei den bisherigen PIA-Veranstaltungen Leute aus der Gegend | |
| vorbeikommen, die sonst nicht da sind. Das ist natürlich erfreulich. | |
| Doch ob die dann Dauergäste werden? „Na ja, wir glauben nicht, dass wir | |
| Menschen an experimentelle Musik heranzuführen, die sich nicht sowieso | |
| dafür interessieren“, vermutet Melak. | |
| Doch wer weiß, ob dem so ist. Denn bei dem aktuellen Boom der Live-Musik | |
| wäre nur es naheliegend, dass sich Leute verstärkt für das erwärmen, was | |
| die Live-Erfahrung einzigartig macht: das Improvisierte, Unerwartete. Und | |
| das wird es an diesem Wochenende sicher geben. Also einfach mal hingehen. | |
| Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
| immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
| 16 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Stephanie Grimm | |
| ## TAGS | |
| Punk | |
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