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# taz.de -- Arbeitsloser Bundestag: Was tun als Abgeordneter?
> Der Bundestag dümpelt vor sich hin, weil keine Regierung in Sicht ist.
> Was machen die Abgeordneten in dieser Zeit? Ein Besuch beim grünen MdB
> Stefan Gelbhaar.
Bild: „Die Regierung braucht zum Weiterarbeiten das Parlament nicht, aber die…
Im Bürgerbüro von Stefan Gelbhaar deutet nichts darauf hin, dass der
Grünen-Politiker Ende September in den Bundestag gewählt wurde. Auf der
Kommode in dem einstigen Ladengeschäft in Prenzlauer Berg liegen Flyer der
Berliner Grünen Jugend für eine billigere BVG, an der Wand hängen Plakate,
die Gelbhaar als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses ausweisen.
Tatsächlich ist der 41-Jährige noch nicht richtig im wichtigsten deutschen
Parlament angekommen – wie viele seiner Abgeordnetenkolleginnen und
-kollegen. Denn der Bundestag arbeitet nicht im Normalmodus – und wird das
so schnell auch nicht tun.
Weil es seit der Wahl vor fast drei Monaten noch keine neue Bundesregierung
gibt, haben sich die Ausschüsse des Bundestags mit wenigen Ausnahmen noch
nicht zusammengesetzt. Doch von ihnen hängt die Arbeit des Parlaments
weitgehend ab: So geht der Vorsitz des wichtigen Haushaltsausschusses
traditionell an die größte Oppositionsfraktion. Aber wer wird in dieser
Legislaturperiode in der Opposition sein? Die Zuschnitte der Ausschüsse
orientieren sich an den Ressortzuschnitten der Ministerien – die unter
jeder Regierung anders sind. Was macht also ein neu gewählter Abgeordneter
wie Stefan Gelbhaar in dieser Zeit?
„Ich habe viele Gespräche in der Fraktion geführt und dabei erfahren, dass
nicht alle meine Positionen mit der der Fraktion übereinstimmen“, berichtet
er. Beispiel: die Mautpflicht für Fernbusse. Während die Fraktion das
unterstütze, will Gelbhaar die Bahn billiger machen statt den Fernbus
teurer.
Immerhin hat er seit seiner Wahl bereits mehrere Schriftliche Anfragen
gestellt, unter anderem zum Dieselgate. Die lange Übergangszeit sei gut, um
sich an die neue Arbeitsumgebung zu gewöhnen, die Kolleginnen und Kollegen
und die Funktionsweise des Bundestags kennenzulernen. „Aber danach muss das
Parlament zum Laufen kommen.“
Aber wie? Noch ist der Verkehrsexperte im Bundestag provisorisch
untergebracht: Er hat im Jakob-Kaiser-Haus lediglich zwei Büroräume statt
der drei, die ihm wie allen Abgeordneten zustehen, und es entscheidet sich
erst im nächsten Jahr, ob er wie gewünscht von seiner Fraktion in den
Verkehrsausschuss geschickt wird. Beides erschwere die Einstellung von
Mitarbeitern: Zum einen fehle ein Arbeitsplatz, zum anderen wisse er nicht,
zu welchem Themengebiet er einen Referenten brauche.
## Zum Nachteil des Parlaments
Die Hängepartie wirke sich zudem auch negativ auf die Bedeutung des
Bundestags aus: „Politisch ist die Situation nicht gut: Die Regierung
braucht zum Weiterarbeiten das Parlament nicht, aber die Gesellschaft
braucht es.“ Beispiel sei der Alleingang von Landwirtschaftsminister
Christian Schmidt (CSU) bei der Zustimmung für die Zulassung des
Unkrautvernichters Glyphosat: „In Normalzeiten wäre das ein Skandal gewesen
mit entsprechender Debatte auch im Parlament“, empört sich Gelbhaar. Er
hofft, dass das Verhalten von Schmidt doch noch Folgen haben wird.
Der grüne Abgeordnete begrüßt deswegen die vergangene Woche gefällte
Entscheidung der Parlamentarischen Geschäftsführer der sechs
Bundestagsfraktionen, im Januar die Fachausschüsse einzusetzen, selbst wenn
bis dahin – was wahrscheinlich ist – immer noch keine Koalition steht. Ab
29. Januar sollen die Fachpolitiker der Fraktionen in insgesamt 23
Ausschüssen mit der Arbeit beginnen. Das sei „ein selbstbewusster Umgang
mit der Situation und eine Stärkung des Parlaments“, betont Gelbhaar. Und
ein Signal an all jene, die von einer „Staatskrise“ sprächen.
„Das hätten die Grünen schon früher haben können“, sagt dazu Pascal Mei…
Auch der 42-jährige Politiker der Linkspartei ist im September über die
Landesliste seiner Partei in den Bundestag eingezogen. Die Linke hatte
bereits im November beantragt, die Fachausschüsse einzusetzen, dafür aber
keine Mehrheit – und auch keine Unterstützung von den Grünen bekommen. „W…
Abgeordnete können dem Wählerauftrag nur bedingt nachgehen“, kritisiert
Meiser. Der Bundestag sei ein „Parlament im Leerlauf“.
Dabei ist er dort schon besser angekommen als sein grüner Kollege Gelbhaar:
„Ich habe meine endgültigen Räume, auch wenn sie noch nicht fertig
eingerichtet sind. Und mein Themengebiet ist weitgehend abgesteckt“, so
Meiser. Er werde sich um Wirtschaft, Arbeit, Finanzen und
Gewerkschaftsfragen kümmern. Das genaue Arbeitsfeld könne aber erst geklärt
werden, wenn die Ausschüsse stehen.
Die Fraktion der Linkspartei hatte es in den Monaten seit der Wahl
allerdings auch leichter als die Grünen-Fraktion. Letztere hat sich erst
sechs Wochen lang auf eine Regierungsverantwortung vorbereitet, wobei die
Fraktion, wie Gelbhaar betont, intensiv in die Jamaika-Sondierungen
eingebunden war. Mit deren völlig unerwartetem Scheitern landeten die
Grünen wieder in der Oppositionsrolle. Dagegen ist für Meiser immer klar
gewesen: „Unsere Rolle als Linkspartei ist die soziale
Oppositionsführerschaft.“
## Zeit fürs Landesparlament
Stefan Gelbhaar hat sich derweil noch anderweitig als Regierungspolitiker
engagiert – auf Berliner Landesebene. Der verkehrspolitische Sprecher der
Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat sein dortiges Mandat noch nicht
zurückgegeben, um sich an den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2018/19
beteiligen zu können, wie er betont. Das war von den beiden
Fraktionschefinnen erwünscht. Auch deshalb sei der langsame Start im
Bundestag von Vorteil gewesen. Am Donnerstag dieser Woche wird der Berliner
Haushalt im Abgeordnetenhaus verabschiedet.
Gelbhaar will sein Berliner Mandat deswegen Anfang kommenden Jahres
abgeben. Und hofft darauf, dass er dann im Bundestag endlich richtig
politisch arbeiten kann.
13 Dec 2017
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
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