# taz.de -- Schriftsteller Patrice Nganang: Regierungskritiker verschwunden | |
> Der Schriftsteller stellt sich gegen das autoritäre Regime in Kamerun. | |
> Einen Flug nach Simbabwe tritt er nicht an, es fehlt jede Spur von ihm. | |
Bild: Der Autor bei der Frankfurter Buchmesse 2007 | |
Er gehört zu den Schriftstellern, die immer den Mut und den schonungslosen | |
Blick bewahren. Als Patrice Nganang für die taz vom Kriegsverbrecherprozess | |
gegen Liberias Exdiktator Charles Taylor in Den Haag berichtete, schrieb er | |
von der [1][„Eleganz des Bösen“] und beschrieb den Angeklagten treffend als | |
„Narziss“, der den gesamten Prozess gegen ihn für eine Inszenierung hält: | |
„Ganz gewiss betrachtet er sich morgens lange im Spiegel, nachdem er sich | |
parfümiert hat.“ | |
Zuletzt verbrachte Patrice Nganang einen Monat in seinem Heimatland | |
Kamerun, das sich nach mehrmonatigen Unruhen im anglophonen Landesteil auf | |
dem Weg in den Bürgerkrieg befindet, vor allem seit Präsident Paul Biya zum | |
Kampf gegen „Terroristen“ aufgerufen hat. „Wer sind die Pyromanen? Wer si… | |
die Terroristen?“, fragte Nganang in einem Reisetagebuch, das die Pariser | |
Wochenzeitschrift Jeune Afrique am Dienstag veröffentlichte. Er | |
analysierte, wie in einem zweisprachigen Land ein autoritäres Regime durch | |
Ausgrenzung einer Sprache die Sprachlosigkeit als Herrschaftsmittel | |
einsetzt, und kam zum Schluss, erst ein Regimewechsel werde die Krise | |
beenden. | |
Solche Majestätsbeleidigung bleibt nicht ohne Folgen. Am Mittwochabend | |
wollte Patrice Nganang wieder abreisen – mit einem Flug von Kenya Airways | |
aus Douala nach Harare in Simbabwe, wo seine Familie lebt. Er checkte ein. | |
In Harare kam er nicht an. Die Familie fragte die Fluglinie. Die Fluglinie | |
sagte, er sei nie an Bord gegangen; manche Kameruner behaupten, er sei von | |
der Polizei in Douala von Bord geholt worden. | |
Nganang sei festgenommen und verschleppt worden, berichten nun seine | |
Freunde und machen auf den sozialen Netzwerken mobil. Es ist nicht das | |
erste Mal, dass Nganang sich mit Biya anlegt. Geboren 1970 in Kameruns | |
Hauptstadt Yaoundé, gehörte Nganang um 1990 zum engsten Kreis der | |
Studentenaktivisten, aus denen die damalige demokratische Opposition | |
hervorging, die Biyas autoritäres System herausforderte – letztlich | |
erfolglos. | |
Viele der damaligen Aktivisten landeten im Gefängnis oder im Exil. Nganang | |
ging 1994 als Student nach Deutschland. Seit 2000 lebt er in den USA, | |
zuletzt als Literaturdozent in New York. Zeitlebens beschäftigt sich | |
Nganang mit der Frage, wie man gegenüber skrupellosen Machthabern seine | |
Würde behält. Sein berühmtester Roman „Temps de chien „(Hundezeiten), | |
geschrieben aus der Perspektive eines halbverrückten, philosophierenden | |
Straßenhundes in einem Slum von Yaoundé, beschreibt, wie erst die Angst die | |
Menschen in Bann hält, dann die Erschießung eines Kindes doch noch zur | |
Revolte führt. Es sei die Angst, die die Kameruner vereint halte, | |
analysierte Nganang in einem Interview. | |
Nun fürchten Nganangs Freunde um sein Leben: In Kamerun verschwinden | |
unliebsame Regimegegner zuweilen auf immer. „In dieser Zeit des fin de | |
règne“, warnt ein Exilschriftsteller, „ist die Staatsmacht sehr nervös.“ | |
7 Dec 2017 | |
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[1] /Prozess-gegen-Taylor/!5188603 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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