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# taz.de -- Kommentar Seehofer-Rücktritt: Herrschaftszeiten
> Linke müssten sich freuen über Seehofers Rücktritt. Doch die Freude ist
> getrübt – sein Nachfolger Markus Söder gilt vielen als unberechenbar.
Bild: Bei aller Kritik muss man Seehofer seine Konsequenz zugutehalten; Söder …
Auf diesen Moment hat halb Deutschland seit mindestens zwei Jahren
gewartet: Der alte Flüchtlingsfeind Horst Seehofer tritt zurück. Doch
jetzt, da es endlich so weit ist, hält sich die Schadenfreude im
linksliberalen Lager doch in Grenzen. Erstens, weil Seehofer nur so halb
geht und vorerst CSU-Parteichef bleiben will.
Aber vor allem, weil sein Nachfolger als bayerischer Ministerpräsident noch
flüchtlingsfeindlicher und dumpfbackiger als Seehofer daherkommt. Aber auch
das könnte ein Irrtum sein. [1][Mit Markus Söder als Regierungschef] wird
Bayern nicht automatisch dauerhaft rechter, sondern in alle Richtungen
unberechenbarer.
Bei allem, was man gegen Horst Seehofer sagen konnte und kann: Auf seine
Haltung konnte sich der Rest der Republik noch halbwegs einstellen und
verlassen. Er hatte zwei klare Grundpositionen: immer glaubwürdig für einen
starken Sozialstaat – wie bei seinem Kampf gegen Merkels Kopfpauschale im
Gesundheitswesen; und immer skeptisch bis ablehnend gegenüber MigrantInnen
– wie bei seinem Kampf gegen Merkels Grenzöffnung.
So engstirnig das auch war, Rassismus hat ihm niemand ernsthaft
vorgeworfen. Und wenn es wirklich darauf ankam, agierte Seehofer letztlich
immer staatstragend und kompromissbereit – so wie gerade bei den
Jamaika-Sondierungen.
## Früherer Grünen-Fresser trägt nun grüne Krawatten
Markus Söder hingegen hat bisher nur eine inhaltliche Grundposition
bezogen: seinen unbedingten Machtwunsch, gänzlich unbelastet von
ideologischen Festlegungen. Als er Umweltminister wurde, trug der frühere
Grünen-Fresser plötzlich nur noch grüne Krawatten, setzte sich eifrig für
Krötenwanderwege ein und schaltete nach der Fukushima-Katastrophe noch
schneller bayerische Atomkraftwerke ab, als Merkel „neue Erkenntnisse“
sagen konnte.
Wollte man die aktuellen bayerischen Machtkämpfer mit den Protagonisten der
US-Regierung vergleichen, dann wäre Seehofer der vergleichsweise
prinzipienfeste und in manchen Punkten ultrakonservative Vizepräsident
Mike Pence – und Söder wäre Donald Trump: eigentlich auf nichts festgelegt
und zu vielen populistischen Drehungen und Wendungen bereit. Das kann Vor-
und Nachteile haben.
Im Moment spricht viel dafür, dass Söder erst einmal noch vehementer für
die Abschottung gegen Zuwanderung eintritt und sich am österreichischen
Vorbild Sebastian Kurz orientiert. Womöglich wird man Seehofer eines Tages
noch vermissen, weil seine unermüdlich eingeforderte Obergrenze von
jährlich 200.000 Flüchtlingen vergleichsweise großzügig war, im
europaweiten Vergleich sowieso. Söders Opportunismus ist es aber auch
zuzutrauen, dass er sich nach eventuellen Neuwahlen ganz geschmeidig in
eine schwarz-grüne Koalition einfügt. Die passenden Krawatten müsste er
noch zu Hause haben.
5 Dec 2017
## LINKS
[1] /Soeder-loest-Seehofer-als-Bayern-Chef-ab/!5463998/
## AUTOREN
Lukas Wallraff
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