| # taz.de -- Altlasten in Schleswig-Holstein: Äcker unter Ölschlammverdacht | |
| > Ein Gutachten belegt, dass in Schleswig-Holstein Flächen mit bedenklichem | |
| > Bohrschlamm belastet sind. Es passiert aber erst mal nichts. Da ist | |
| > Niedersachsen weiter. | |
| Bild: Sieht gut aus, aber was unter der Krume schlummert, weiß man immer noch … | |
| Kiel taz | Ölschlamm unter der Ackerkruste: Die Altlasten aus mehr als 100 | |
| Jahren Industrie- und Gewerbegeschichte wirken noch heute nach. In | |
| Niedersachsen gründete die Landesregierung bereits 2014 speziell für die | |
| Suche nach Bohrschlamm, der krebserregende Kohlenwasserstoffe enthalten | |
| kann, eine Arbeitsgruppe. Schleswig-Holstein zog nach und beauftragte 2016 | |
| einen Gutachter, um Altöllager auf ihr Gefahrenpotenzial zu prüfen. Nun | |
| stellte das Kieler Umweltministerium das Ergebnis vor. | |
| Die meisten der alten Gruben seien unbedenklich, sagte Staatssekretärin | |
| Anke Erdmann (Grüne). Allerdings fand der bestellte Gutachter an insgesamt | |
| 18 Standorten in Schleswig-Holstein „umweltrelevante Abfallablagerungen“. | |
| Mit denen passiert erst mal – nichts. | |
| „Wir haben unser Ziel erreicht, ein möglichst vollständiges Bild über | |
| dieses Kapitel der Industriegeschichte zu bekommen“, sagt Erdmann. Der | |
| Verdacht, dass die meisten Altlasten unschädlich seien, habe sich | |
| bestätigt. „An jeder fünften Fläche muss man aber noch genauer hinsehen, ob | |
| Sanierungsbedarf besteht oder nicht.“ | |
| Formal liegt die Zuständigkeit für eine solche Sanierung bei den | |
| Landkreisen als den unteren Bodenschutzbehörden. Das Umweltministerium in | |
| Kiel zahlt aber 75 Prozent der anfallenden Kosten. An 13 Standorten liefen | |
| bereits Untersuchungen, sagt Erdmann. | |
| ## Entwarnung „grob fahrlässig“? | |
| „Grob fahrlässig“ nennt Patrick Breyer von den Piraten das Vorgehen der | |
| schleswig-holsteinischen Landesregierung: „Es wurden nicht einmal Proben | |
| entnommen und gleichzeitig wurde mangels Hinweisen für viele Flächen | |
| Entwarnung gegeben“, sagt Breyer, der sich in seiner Zeit als | |
| Landtagsabgeordneter in Kiel intensiv mit dem Thema Bohrschlamm befasst | |
| hat. Bereits vor Jahren hätten aus seiner Sicht die alten Gruben untersucht | |
| werden müssen: „Da wird verschleppt“, sagt Breyer. | |
| Die 18 Flächen, an denen laut jetzt vorgelegtem Gutachten das Vorhandensein | |
| „ölhaltiger Bohrschlämme oder eine andere umweltrelevante Abfallablagerung | |
| belegt“ ist, sollten vorsichtshalber stillgelegt werden, fordert Breyer. | |
| „Wenn die Gruben gefährlich für Mensch und Umwelt sein sollten, dürfen sie | |
| nicht noch jahrelang als Bolzplatz oder Ackerfläche genutzt werden.“ | |
| Für das schleswig-holsteinische Umweltministerium wäre damit allerdings der | |
| zweite Schritt vor dem ersten getan: „Die Behörden klären nun, ob weitere | |
| Maßnahmen erforderlich sind“, sagte Ministeriumssprecherin Nicola Kabel auf | |
| taz-Anfrage. „Dazu können dann Beschränkungen der Nutzung gehören.“ Aus | |
| fachlicher Sicht sei es unwahrscheinlich, dass die Schadstoffe aus | |
| Bohrschlamm von Pflanzen aufgenommen werden. | |
| In Schleswig-Holstein und in Niedersachsen sind insgesamt mehrere hundert | |
| Gruben für ihre Bohrschlämme bekannt (siehe Kasten). Laut Information des | |
| niedersächsischen Umwelt- und Energieministeriums besteht dieser spezielle | |
| Schlamm aus sogenanntem Bohrklein, aus Gestein, Ton und Kreide also, aber | |
| auch aus Rückständen wie Mineralölkohlenwasserstoff sowie aus Salzen und | |
| Laugen, die zur Spülung in die Bohrlöcher eingeleitet wurden. | |
| Zu den umweltrelevanten – sprich zu den potenziell für die Gesundheit | |
| gefährlichen – Stoffen zählen unter anderem Benzole, Xylole, Chloride, | |
| organische Kohlenwasserstoffe und sonstige organische Rückstände, die als | |
| Glühverlust bezeichnet werden. | |
| ## Die Ölindustrie muss zahlen | |
| In Niedersachsen haben sich das Land und die Ölindustrie auf einen | |
| gemeinsamen Fonds geeinigt, in den die Firmen fünf Millionen Euro für die | |
| Untersuchungen eingezahlt haben. „Wir haben das ausführlich geprüft und uns | |
| dagegen entschieden“, sagt die Kieler Ministeriumssprecherin Kabel. | |
| Beim Modell in Niedersachsen zahlen die Unternehmen 80 Prozent der | |
| Erstbegutachtung von verdächtigen Flächen – das lohnt sich für das Land, | |
| weil die große Zahl der Standorte das Verfahren teuer macht. | |
| Schleswig-Holstein aber hat die Zahl fragwürdiger Stellen auf zwei Dutzend | |
| reduziert. Bei den weiteren Schritten, Untersuchungen wie Sanierungen, | |
| können nun die Ölkonzerne als Verursacher zur Kasse gebeten werden, während | |
| sie in Niedersachsen ebenfalls nur 80 Prozent zahlen müssen. „Außerdem | |
| sitzt der Verband der Unternehmen mit am Tisch – wir agieren eigenständig“, | |
| sagt Kabel. | |
| Die weiteren Verfahren liegen bei den Kreisen. Besonders betroffen sind | |
| Dithmarschen, Herzogtum Lauenburg, Ostholstein, Pinneberg, Plön und | |
| Segeberg. Hier werden die EigentümerInnen über die Altlasten informiert und | |
| nach dem reinen Aktenstudium im ersten Schritt werden dann technische | |
| Untersuchungen eingeleitet. Am Ende könnte eine „Sanierungserfordernis | |
| bestätigt“ werden, sagt Kabel – das dauere aber noch. | |
| Die Bodenschutzbehörden haben ohnehin genug zu tun: Rund 1.800 Stellen mit | |
| vergrabenen Altlasten werden in Schleswig-Holstein in den Katastern | |
| geführt. Weitere rund 6.300 Standorte stehen im Verdacht, und aus | |
| Gewerbeabmeldungen kommen immer wieder altlastverdächtige Flächen hinzu. In | |
| den besten Fällen lagern dort Hausmüll oder Bauschutt, aber auch | |
| Chemikalien oder sonstige Giftstoffe könnten unter der Oberfläche lauern. | |
| „Die Altlastenbearbeitung ist eine Daueraufgabe. Die Überprüfung der | |
| Bohrschlammgruben reiht sich hier ein“, sagt Staatssekretärin Erdmann. | |
| 10 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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