# taz.de -- Auktionator Robert Ketterer über Kunst: „Der Kunde bestimmt den … | |
> Seit der Finanzkrise steigt die Zahl der Sammler, die in Kunst | |
> investieren. Wobei die Summen nicht immer die Qualität des Werks | |
> spiegeln, sagt Auktionator Ketterer | |
Bild: Teuer: Max Beckmanns „Hölle der Vögel“ ging dieses Jahr bei Christi… | |
taz: Herr Ketterer, wer legt den Preis eines Kunstwerks fest? | |
Robert Ketterer: Der Käufer. Vor der Auktion kommt der Verkäufer mit seinen | |
Vorstellungen zu uns. Wir kennen sowohl den Markt als auch die Preise und | |
beraten ihn hinsichtlich eines erfolgversprechenden Schätzpreises, den wir | |
gemeinsam festlegen. Dann informieren wir unsere Kunden. Je mehr Interesse | |
haben, desto leichter lässt sich die Schätzung noch steigern. Ein | |
Kunsthändler dagegen legt einen Höchstpreis fest und muss dem Kunden im | |
Zweifel entgegenkommen. In beiden Fällen bestimmt letztlich der Käufer den | |
Preis. | |
Spielen auch Rezensionen und die öffentliche Meinung eine Rolle? | |
Ja, und das Marketing: die Präsenz des Künstlers auf Kunstmessen, in | |
Ausstellungen, bei Auktionen. All das ziehen wir heran, um zu sehen, wo für | |
ein vergleichbares Werk das Interesse ähnlich groß war. | |
Das klingt nach den Spekulationen der Aktienbörse. | |
Echte Sammler, und das sind die meisten unserer Kunden, spekulieren nicht | |
vordergründig. Aber jeder Käufer hat immer drei Motivationskriterien: das | |
Gefallen, den Namen und die Möglichkeit eines positiven Investments. Die | |
Gewichtung variiert allerdings: Neben den reinen „Investmentbänkern“ gibt | |
es Kunst-Interessierte mit Sachverstand, die das Gefallen und den Namen des | |
Künstlers in den Vordergrund stellen. Ein Interesse an Wertentwicklung und | |
Stabilität hat aber natürlich jeder. | |
Dabei ist gar nicht sicher, dass ein Werk seinen Wert behält. | |
Wie jedes Investment hat auch Kunst ein Risikoelement. Bei dieser | |
Anlageform ist es allerdings geringer, da der Kunstmarkt sehr stabil ist. | |
Die großen Finanzkrisen der 1990er-Jahre führten nur dazu, dass sich | |
Verkäufer nicht so gern von Kunstwerken trennten. Aber Käufer gab es immer. | |
Die Kunst ist also stetig teurer geworden. | |
Wobei der Markt für Kunst des frühen 20. Jahrhunderts stagniert. | |
Qualitativ Hochwertiges zu finden, war immer schwer. Gerade bei besagter | |
klassischer Moderne ist das inzwischen ein Problem, weil Hauptwerke | |
einzelner Künstler – etwa Ernst Ludwig Kirchners Straßenszenen von 1914 – | |
nicht mehr auf den Markt kommen, da sie in öffentlichem Besitz sind. | |
Weichen die Käufer auf andere Epochen aus? | |
Das 19. Jahrhundert nimmt gerade Fahrt auf. Das Interesse an dieser Epoche, | |
vor 20 Jahren hoch im Kurs, sank in den letzten Jahren. Das ändert sich | |
gerade, weil sich der eine oder andere zu einem attraktiven Preis von | |
seinem hochwertigen Kunstwerk trennt. Das wiederum ruft die Fans dieser | |
Kunstrichtung auf den Plan. | |
Warum kommt das 19. Jahrhundert gerade jetzt auf den Markt? | |
Jede Generation kauft die Kunst ihrer Zeit. Das 19. Jahrhundert wurde von | |
unserer Elterngeneration gekauft, wo der Spitzweg quasi zur | |
Wohnungseinrichtung gehörte. Die Nachfrage ist zurückgegangen, weil diese | |
Generation ihre Sammlung abgeschlossen hat. Jetzt steht ein | |
Generationswechsel an, sodass durch Erbschaften wieder Angebote auf den | |
Markt kommen. | |
Wie wichtig ist den Käufern die künstlerische Qualität? | |
Früher waren wir Zulieferer für Händler, die ihre Sammler intensiv | |
berieten. Inzwischen haben wir sehr viele Sammler mit großem | |
Kunstverständnis, aber auch Emotionskäufer, die anhand persönlicher | |
Kriterien entscheiden. Da spielt die Farbe eine Rolle, das Thema, | |
vielleicht die Größe – aber natürlich auch die Entstehungszeit. Wir | |
versuchen in unseren Katalogen möglichst viel Information zu liefern und | |
beraten auch individuell. Aber oft ist es am Ende der persönliche | |
Geschmack, der entscheidet, und der Sammler bezahlt für ein Objekt, das er | |
unbedingt haben will, viel Geld. So kommen manchmal Preise zustande, die | |
nur schwer nachvollziehbar sind. | |
Garantieren Sie den Verkäufern, deren Werke Sie versteigern, einen | |
Festpreis? | |
Nein, denn das wäre der Anfang vom Ende der Auktionshäuser. Das spüren die | |
großen Versteigerer wie Sotheby’s und Christie’s, die hohe Garantien | |
abgeben. Unsere seriöse Herangehensweise wird vom Markt honoriert. Wir | |
hatten im vergangenen Jahr 30 Prozent Neukunden. | |
Und Sie haben kürzlich Online-Auktionen eingeführt, die bei einem Euro | |
beginnen. | |
Ja, ich habe mir das bei Ebay abgeschaut. Letztlich möchte ja jeder ein | |
Schnäppchen machen. Wenn Sie also ein Objekt sehen, das Sie unbedingt haben | |
wollen, und da steht ein hoher Einstiegspreis, ist das erst mal ein | |
Hindernis. Bei einem Euro sieht das anders aus. Denn wenn das Objekt gut | |
ist, gefällt und theoretisch für einen Euro zu haben ist, beißt man an. Und | |
es funktioniert: Wenige Tage, nachdem die Objekte online gehen, haben wir | |
an die 1.000 Gebote. | |
Was für Werke bieten Sie online an? | |
Qualitativ Hochwertiges unter 5.000 Euro. Das kann zum Beispiel eine | |
Lithografie von Georg Baselitz oder ein Originaldruck von Gerhard Richter | |
sein. | |
Und wenn Sie für Baselitz wirklich nur einen Euro bekommen? | |
Ein Risiko ist immer dabei, und man muss die Kunden natürlich ansprechen. | |
Aber wir hatten zum Beispiel eine Baselitz-Farblithografie, bei der der | |
höchste je gezahlte Preis bei 1.200 Euro lag. Bei unserer Online-Auktion | |
haben wir sie für 4.800 Euro verkauft. | |
Erreichen Sie online eine andere Käuferschicht? | |
Ja, auch. Denn dies sind Preise, die eine deutlich größere Anzahl von | |
Kunden anziehen. Ein Werk für 1.000 Euro spricht mehr Menschen an als eins | |
für eine Million. Da sind wir schon in der Massenvermarktung, und dafür | |
bietet sich das Internet an. | |
Was auch für Sie finanziell günstiger ist. | |
In der Tat ist der Aufwand online nicht ganz so groß. Objekte für 2.000, | |
3.000 Euro, die nur wenig Provision abwerfen, schaffen es inzwischen gar | |
nicht mehr in unsere aufwendigen Kataloge. Vor zehn Jahren, als es noch | |
keine Internet-Auktionen gab, gab es für diese Objekte gar keinen Markt | |
mehr. Über das Internet wird er gerade wieder geschaffen. | |
7 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
## TAGS | |
Malerei | |
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