# taz.de -- Spielfilm über Django Reinhardt: Vom Dandy zum Kämpfer | |
> Erstmals ist mit „Django“ ein großer Spielfilm über den Jazzmusiker | |
> Django Reinhardt gedreht worden. Unser Autor hat ihn sich mit dem | |
> Hamburger Gitarristen Tornado Rosenberg angesehen | |
Bild: Django Reinhardt (Reda Kateb) sieht im Film von Étienne Comar sogar ohne… | |
HAMBURG taz |Eine Waldlichtung in den Ardennen, 1943. Ein Lagerfeuer, | |
drumherum Wohnwagen, Pferde, spielende Kinder, Holz sammelnde Männer und | |
Frauen, ein alter, blinder Mann singt zur Gitarre auf Romanes ein altes | |
Lied. Tornado Rosenberg im Abaton-Kino übersetzt die Verse „Feuer – Wagen … | |
Pferde – Glück“. Ohne Auftrag, nur weil er will, dass alle es verstehen. In | |
das Lied fallen Schüsse, die Kinder, Männer und Frauen werden getroffen, | |
auch der alte Mann. | |
Der erste von drei harten Schnitten im Film führt in das Paris des gleichen | |
Jahres – das Quintette du Hot Club de France wartet im Backstage eines voll | |
besetzten Klubs auf ihren Bandleader. Django Reinhardt hat über seine | |
Lieblingsbeschäftigung, dem Fischen, die Zeit vergessen. Statt reumütig zur | |
Gitarre zu greifen, präsentiert der Verspätete stolz seinen Fang, der eine | |
leckere Mahlzeit abgeben wird. „Das soll wohl auf seinen Auftritt mit Duke | |
Ellington in der Carnegie Hall anspielen“, flüstert Tornado Rosenberg | |
seinem Sitznachbarn im Abaton zu. 1946 war das – und Reinhardt war zu dem | |
Auftritt mit großer Verspätung erschienen, weil er sich in der Hotelbar mit | |
einem Boxer festgequatscht hatte. | |
Der Hamburger Gitarrist weiß fast alles über den belgischen Musiker, der | |
bis zu seinem Tod 1953 der einzige europäische Jazzmusiker war, der den | |
US-amerikanischen Stars auf Augenhöhe begegnete. Und dem erstmals ein | |
großer europäischer Spielfilm gewidmet ist. „Viel zu spät“, meint | |
Rosenberg. | |
## Das Festival der Django-Fans | |
Vor zehn Jahren hatte er selbst mal die Idee zu einem Film über sein Idol | |
und reiste dorthin, wo sich jedes Jahr die weltweite Django-Gemeinde trifft | |
– zum Festival in Samois-sur-Seine. In diesen beschaulichen Ort in der Nähe | |
von Fontainebleau hatte sich der müde Reinhardt in seinen letzten | |
Lebensjahren zurückgezogen und hier ist er begraben. Stammgäste des | |
Festivals wissen, dass die besten Partys auf dem direkt an der Seine | |
gelegenen Campingplatz abgehen. Im nie versiegenden Fluss finden sich über | |
vier Tage vor den Zelten und auf der Bar-Terrasse immer neue | |
Jam-Formationen zusammen. | |
2008 wurde Tornado Rosenberg zum Star des Campingplatzes, er brauchte nur | |
wenige Takte von Reinhardts Minor Swing anstimmen, schon gesellten sich | |
weitere Gitarren, eine Geige, ein Kontrabass, ein Saxofon oder ein | |
Akkordeon hinzu – die sich und das Publikum zusammen regelmäßig in Ekstase | |
spielten. | |
Mit dem Minor Swing eröffnen auch Hot Club du France ihr Konzert 1943 in | |
Paris. Der Film nimmt sich für dieses erste Stück viel Zeit, um Technik und | |
Spielfreude zu vermitteln, zeigt Finger in Großaufnahme, transportiert das | |
blinde Verständnis der Band und das begeisterte Publikum. „Das hat Stocholo | |
gespielt“, flüstert Rosenberg und meint Stocholo Rosenberg, dessen | |
Großvater mit seinem verwandt war und dessen Rosenberg-Trio die | |
Django-Stücke für den Film eingespielt hat. | |
Nur langsam sickert die lauernde Gefahr in die ausgelassene Stimmung ein. | |
Das besetzte Paris ist „das Bordell der Wehrmacht“, wie ein Obernazi sagt, | |
und Django Reinhardt nach dem Verschwinden der US-Jazzer der Star der | |
Nachtklubs. Ringsum in Europa sind, wie die Eingangsszene zeigte, Roma, | |
Sinti und Manouche bereits Freiwild. | |
## Hitler wohl doch kein Clown | |
Noch will Django von der Gefahr nichts wissen, kümmert sich mehr um seine | |
Bartlänge und Clark-Gable-Coolness. In einer filmischen Nazi-Parodie | |
erkennt er Hitler nicht („Wer ist der Clown?“) – als man es ihm sagt, ist | |
sein einziger Kommentar: „Kein schöner Bart.“ Dass die Nazis ihn sogar für | |
eine Deutschland-Tournee gewinnen wollen, trägt zur Scheinsicherheit bei. | |
Die Wende erfolgt nach einer Verhaftung, ausführlichen Untersuchung und | |
Vermessung des Körpers, die an die Maßnahmen der rassenbiologischen | |
Forschungsstelle in Berlin erinnern. Django akzeptiert den Fluchtplan von | |
befreundeten Resistance-Kämpfern und zieht mit Familie und Band in eine | |
leerstehende Villa am Genfer See. Es beginnt ein zähes Warten auf die | |
Resistance-Gruppe, die sie in die Schweiz bringen soll, während sich die | |
Schlinge enger zieht. | |
Die Musik wird immer mehr zur Überlebenssache und aus dem Dandy Django das | |
fürsorgliche Familienoberhaupt. Bei einem doch noch von den Nazis | |
organisierten Konzert zur Hebung der Truppenmoral versetzen die Musiker die | |
Soldaten samt Begleiterinnen trotz Moll-Verbots derart in Ekstase, dass die | |
Resistance unbemerkt von den Wachsoldaten einen abgeschossenen englischen | |
Piloten über den See in die Schweiz bringen kann. Als die Nazis den Coup | |
merken, brennen sie das Manouche-Lager nieder. In der vorletzten Szene | |
zertrümmert Django auf der Flucht in den Bergen seine Gitarre, um sich ein | |
Schneeloch zu graben. | |
„Die Politik hat in dem Film das Kulturelle nach und nach verdrängt“, sagt | |
Tornado Rosenberg danach im Bistro. „Aber so war es ja auch. Django wollte | |
sicher auch mehr Musik machen, wurde in seiner Kultur aber immer mehr | |
beschnitten.“ Obwohl er mit der Darstellung des Protagonisten am Anfang | |
des Films nicht ganz einverstanden ist, fand er gut, dass „Franzosen und | |
Deutsche, Sinti und Nicht-Sinti diesen Film zusammen gemacht haben. Gerade | |
2017, wo es wieder Menschen mit Feinbildern gibt. Am meisten hat mich der | |
Satz gefreut: Sinti haben noch nie einen Krieg geführt.“ | |
Der Film endet damit, dass Django im befreiten Paris das von ihm | |
komponierte „Requiem für die Sinti-Brüder“ dirigiert, dessen Noten | |
verschollen sind. Die Musik erinnert an Bach, den Django sehr verehrt hat. | |
Zur sakralen Musik werden die Bilder ermordeter Sinti, Roma und Manouche | |
gezeigt. | |
„Die Erlebnisse von angesteckten Wohnwagen habe ich tausendmal von meiner | |
Mutter gehört“, sagt Rosenberg, der gerade die Geschichte seiner Eltern | |
aufgeschrieben hat, die sich im Konzentrationslager kennengelernt haben. | |
„Ich lebe in einer Familie, in der so etwas passiert ist. Das ist meine | |
Geschichte.“ | |
„Django – ein Leben für die Musik“, F 2017, ab heute im Kino | |
25 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Ralf Lorenzen | |
## TAGS | |
Jazz | |
Schwerpunkt Berlinale | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berlinale-Staralbum: Cécile de France: Die Feministin | |
Vor 15 Jahren war sie der Shooting Star der Berlinale. Sie arbeitete mit | |
Clint Eastwood und den Dardenne-Brüdern, heute sitzt sie in der | |
Internationalen Jury. |