# taz.de -- Akademiker*innen für den Frieden: Universität aus dem Exil | |
> Akademiker*innen, die in der Türkei entlassen wurden und ins Exil gingen | |
> gründen mit deutschen Kolleg*innen eine alternative Universität: Die | |
> Off-University. | |
Bild: Eine der Gründerinnen der Off-University: Tuba Inal Çekiç | |
Insgesamt 5717 Akademiker*innen wurden seit dem 1. September 2016 per | |
Notsandsdekret, die im Rahmen der Ausnahmezustandes erlassen wurden, aus | |
dem öffentlichen Dienst entlassen. 380 von ihnen hatten den am 11. Januar | |
2016 veröffentlichten Aufruf der „Academics for Peace“ unterschrieben. | |
Berlin ist eine Station, an der sich viele der suspendierten | |
Akademiker*innen aus der Türkei treffen und organisieren. | |
Tuba İnal Çekiç ist eine von den „Academics for Peace“. Im Juni 2016, al… | |
kurz dem Putschversuch, war sie für einen zeitlich befristeten Lehrauftrag | |
nach Deutschland gekommen. Nach ihrer Kündigung am Institut für | |
Stadtplanung an der Istanbuler Technischen Universität Yildiz (YTU) wurde | |
sie mit dem am 7. Februar 2017 erlassenen Notstandsdekret entlassen. | |
Derzeit hat sie eine Teilzeitanstellung an der Hamburger HafenCity | |
Universität. Inal Çekiç ist eine der Off-University Gründer*innen, mit der | |
wir über die Ziele und Inhalte der Universität gesprochen haben. | |
Eine Gruppe der „Academics for Peace“, die derzeit in Deutschland lebt, hat | |
gemeinsam mit deutschen Wissenschaftler*innen im Juni 2016 den Verein | |
Off-University gegründet. Am 7. Oktober hat der Verein in Berlin im Rahmen | |
einer Konferenz ihr aus 16 Vorträgen bestehendes Programm mit dem Titel | |
„Schwierige Fragen über den Frieden“ vorgestellt, dass parallel auch online | |
ging. | |
## Warum eine Off-University? | |
Die aus den Vorträgen bestehenden Seminare sind kostenlos zugänglich und | |
Interessierte können an Onlinediskussionen, die an festgelegten Terminen | |
stattfinden, teilnehmen. Ziel der Off-University ist es, ein ganzheitliches | |
Bildungsprogramm zu bieten, das zum Erwerb eines akademischen Abschlusses | |
führt. | |
Die Off-University hat noch keinen physischen Ort, mit dem Namen wollten | |
die Gründer*innen „die Idee eines alternativen akademischen Betriebes“ in | |
den Vordergrund rücken, so Inal Çekiç. | |
Die Entlassung der Akademiker*innen lastet schwer auf den Schultern der an | |
den Instituten übriggebliebenen Akademiker*innen. Das führe wiederum zur | |
„Austrocknung der Universitäten“. Die Off-University befinde sich hingegen | |
außerhalb dieser Ereignisse und damit des Wirkbereiches des türkischen | |
Staates, so Çekiç: „Viele Menschen wurden vertrieben, ein Teil ist in ihrem | |
eigenen Land gefangen. Was sollen wir machen? Wir haben die Technik, im | |
Internet gibt es keine Grenzen. Auch wenn die Menschen physisch sich nicht | |
beieinander sind, so können sie einander erreichen und miteinander reden“. | |
## Interdisziplinär und mehrsprachig | |
Die Off-University hat drei Hauptziele. Als erstes die Umsetzung der | |
Konferenz: „Schwierige Fragen über den Frieden“, in der es unter anderem um | |
die Themen „Die Existenz von Krieg“ oder „Möglichkeiten und die | |
Notwendigkeit des Friedens“ geht. 15 der Vorträge, die während der | |
Konferenz auch parallel im Netz ausgestrahlt wurden, stammen von | |
Akademiker*innen aus der Türkei, einer von einem deutschen. Für jeden der | |
Vorträge gibt es einen Onlinediskussionstermin, an dem interessierte | |
kostenlos teilnehmen können. | |
Mittelfristiges Ziel der Off-University sei das Angebot von mehrwöchigen | |
Bildungsprogrammen, so Çekiç. Geplant seien interdisziplinäre Studiengänge, | |
von denen ein Teil zum Sommersemester beginnen soll. | |
Auch wenn sich das Programm aufgrund der mehrheitlich | |
sozialwissenschaftlichen Dozierenden wohl auf diese Fachbereiche | |
konzentrieren wird, wollen die Gründer*innen weltweit Wissenschaftler*innen | |
aus unterschiedlichen Fachbereichen erreichen, die von antidemokratischen | |
Staaten unterdrückt werden. Zu den Hauptzielen gehört auch die | |
Mehrsprachigkeit. Aus Ressourcengründen beschränkt sich das Programm | |
derzeit auf deutsch, englisch und türkisch. | |
## Ziel: Eine Universität, die Abschlüsse vergeben kann | |
Die Off-University will zwar keine Studiengebühren erheben, doch den | |
Dozierenden ein Einkommen ermöglichen. Sowohl das technische Equipment, als | |
auch das Lehrpersonal sollen durch ein Crowdfunding finanziert werden. Auch | |
wenn die Bezahlung niemals dafür reichen wird, den Lebensunterhalt zu | |
bestreiten, so werden die Akademiker*innen in der Lage sein, ihre | |
Studierenden zu unterrichten, egal wo sie sich gerade auf der Welt | |
befinden. | |
„Wir sind Wissenschaftler und tun das, was wir kennen“, so Çekiç. Mit | |
seinen flachen Hierarchien wird die Off-University für viele | |
Akademiker*innen, die hier in Deutschland mit einem Stipendium oder einer | |
Teilzeitanstellung arbeiten, eine Alternative sein. Langfristiges Ziel ist | |
es, sich zu einer Hochschule zu entwickeln, die Abschlüsse verleiht. | |
## Erste Unterrichtseinheit: Frieden | |
Anderthalb Jahre nach dem Aufruf der „Academics for Peace“ lautet das Thema | |
der ersten Unterrichtseinheit in der Off-University Frieden. | |
„Wir wollten daran erinnern, dass es uns um den Frieden ging“, erklärt | |
Çekiç. Die meisten hätten den Aufruf aus Gewissensgründen unterschrieben. | |
Die Akademiker*innen wollten bewirken, dass die Parteien sich erneut an den | |
Verhandlungstisch setzen und über den Frieden sprechen. Stattdessen wurden | |
sie zum Ziel staatlicher Repressionen. „Auch wenn uns all dies widerfahren | |
ist, sollten wir nicht über uns, sondern den Frieden sprechen“, so die | |
Akademikerin. | |
11 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Beyza Kural | |
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