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# taz.de -- Pressefreiheit: Kemal und Çağdaş
> Kemal Özer, Naturfotograf und Çağdaş Erdoğan, preisgekrönter
> Fotojournalist sind seit kurzem in Haft. Sie stehen unter Terrorverdacht.
Bild: Eines der vielen Fotos des international bekannten Çağdaş Erdoğan
Pressefreiheit in der Türkei – wohl wenigen muss man in diesen Tagen
erzählen, wie es um sie bestellt ist: Bekannte Journalist*innen sind mit
seltsamen, nicht bewiesenen Anklagen konfrontiert. Die deutsche
Öffentlichkeit verfolgt die Situation der beiden Journalist*innen Deniz
Yücel und Mesale Tolu aus nächster Nähe. Türkische Journalisten wie Ahmet
Şık im Cumhuriyet-Verfahren und die renommierten Brüder Ahmet und Mehmet
Altan werden der „Bewusstseinsmanipulation“ im Rahmen des Putschversuchs am
15. Juli 2016 bezichtigt.
Die Bemühungen, die Presse in der Türkei zum Schweigen zu bringen, sind
vielfältig. Jeden Tag tauchen Nachrichten darüber auf, dass
Journalist*innenbedroht, verhaftet oder in Gewahrsam genommen werden, auf .
Im Land herrscht immer noch der Ausnahmezustand und freie Journalist*innen,
Korrespondent*innen und Reporter*innen werden daran gehindert, ihre Arbeit
zu machen. Während dieser Text entsteht, befinden sich über 170
Journalist*innen hinter Gittern. Zu dieser Zahl gesellen sich seit knapp
zwei Wochen nun auch zwei Fotoreporter.
Einer der beiden ist Kemal Özer, Dersim-Korrespondent (Dersim, auf türkisch
Tunceli, im Osten des Landes, Anm.d. Red.) der unabhängigen Zeitung
Evrensel. Er wurde am 4. September, in dem Städtchen Ovacik nahe Dersim,
festgenommen. Özer wurde am 15. September vor Gericht gestellt und danach
inhaftiert. Er ist ein herausragender Naturfotograf, der seltene und vom
Aussterben bedrohte Lebewesen sowie die außergewöhnliche Natur der Region
wunderbar auf Fotos festhält. Vorgeworfen wird ihm die „Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung“.
## Maßlose Anschuldigungen
Seine Inhaftierung ist auch einer der letzten Beweise dafür, dass es
mittlerweile so gut wie unmöglich geworden ist, als Journalist im Osten und
Südosten des Landes zu arbeiten. Denn schon seit Sommer 2015 herrscht in
diesen Gebieten eine Ausnahmezustandsregelung, die schon vor dem
landesweiten Ausnahmezustand nach dem Putschversuch 2016 verhängt wurde.
Auch wenn es den Anschein hat, dass nach dem 15. Juli die Ausgangssperren
in den östlichen Gebieten aufgehoben wurden, ist der Ausnahmezustand in
dieser Region besonders spürbar. Der Chefredakteur der Evrensel, die
Zeitung, für die Kemal Özer arbeitet, beschreibt seinen Korrespondenten
folgendermaßen:
„Kemal Özer ist bei seinen engsten Freunden dafür bekannt, leidenschaftlich
bis verrückt zu sein. Deshalb nennt man ihn auch „Verrückter Kemo“. Schic…
er einen Text oder ein Foto, dann ruft er uns bereits vor der
Veröffentlichung an. Nach der Veröffentlichung ruft er an, weil er denkt,
dass es nicht angemessen gedruckt wurde und lässt nicht locker. Wenn das
Telefon nach Mitternacht klingelt, ist es mit großer Wahrscheinlichkeit der
„Verrückte Kemo“. Und wenn man zu spät zum Hörer greifen, dann Gnade Got…
Die Leidenschaft Kemal Özers zur Fotografie und seine journalistische
Arbeit ist eng verwoben mit der Stadt Dersim. Seit der Gründung der Zeitung
Evrensel kennen wir uns. Wäre er nicht so störrisch, wenn es darum geht,
die Natur Dersims abzubilden, existierten heute eine Menge an guten Bildern
aus der dortigen Natur nicht.“
Dieses Profil eines leidenschaftlichen Naturfotofragen, dass Polat hier
zeichnet, erklärt Özer ziemlich genau. Auch wenn die Journalistenverbände
der Türkei sich gegen die Inhaftierung aussprechen und eine sofortige
Freilassung fordern, ist noch nicht klar, wann er erneut vor Gericht
erscheinen wird. Özer wurde aufgrund seiner Arbeit auch schon mehrfach
bedroht. In den Bergen von Akbaba (in der Nähe der Stadt Kars im Nordosten
des Landes), fotografierte er als erster die dortigen Gletscher, seltene
Bergziegen, die von der heimischen Bevölkerung „Bezuvar“ genannt werden und
schaffte es, die fast ausgestorbenen anatolischen Luchse vor die Linse zu
kriegen. Dass Özer trotzdem derzeit wegen Terrorvorwürfen inhaftiert ist,
zeigt nur, wie maßlos die Anschuldigungen geworden sind.
## Sexarbeiter*innen und Kampfhundtrainer
[1][Çağdaş Erdoğan ist ein weiterer Fotojournalist], der festgenommen
wurde, als er in der Nähe des Fenerbahçe-Stadions in Istanbul Fotos machte.
Nachdem er 12 Tage lang in Gewahrsam war, wurde er wegen des Vorwurfs,
Fotos vom Gebäude des Geheimdienst MIT gemacht zu haben, inhaftiert.
Erdoğan arbeitete als presigekrönter, freiberuflicher Fotograf für
renommierte Nachrichtenagenturen wie AP, AFP, Getty Images und für Medien
wie die New York Times, The Guardian, Wall Street Journal, Washington Post,
Newsweek, Politico, Bloomberg, Buzzfeed, BBC, die türkischsprachigen
Dienste der BBC sowie in der Türkei für die Bürgerjournalistenplattform
140Journos. Das Britih Journal of Photography listete ihn als
„beachtenswertes Talent des Jahres“. Es war Erdoğans Pech, dass man ihn
beachten musste. 2014 zog er in eine der linken Gegenden Istanbuls, ins
Gazi-Viertel. In seinem Buch „Control“ beschrieb er Istanbuls Underground
mit Bildern von Sexarbeiter*innen, Kampfhundtrainern, Gewalt und
Polizeioperationen.
Das Komitee für den Schutz von Journalist*innen (CPJ) veröffentlichte einen
Aufruf zur Freilassung von Çağdaş Erdoğan. „Fotos von einem Gebäude zu
machen, ist kein terroristischer Akt, geschweige denn eine Straftat“. Der
Generalsekretär der türkischen Journalistenvereinigung TGS Gökhan Durmuş
erklärte angesichsts der Festnahme von Kemal Özer: „Mittlerweile finden wir
keine Worte mehr, die Willkür bei der Verhaftung von Journalist*innen zu
beschreiben. Juristische Grundsätze werden mit Füßen getreten. Die
Naturfotografien und die Berichterstattung Kemal Özers zu Natur und Umwelt
sind bei seiner Verhaftung als Grund für seine „terroristischen Umtriebe“
genannt worden. Hier wurde der Journalismus an sich verhaftet.“
26 Sep 2017
## LINKS
[1] https://www.instagram.com/cagdas_erdogann/
## AUTOREN
Mehveş Evin
## TAGS
taz.gazete
Türkei
Mesale Tolu
Journalismus
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