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# taz.de -- Mutmaßlicher IS-Prediger: „Er kommt an Jugendliche ran“
> In Spanien steht ein Prediger unter Terrorverdacht, mit dem eine deutsche
> Beratungsstelle zuvor kooperierte. Deren Leiterin verteidigt sich.
Bild: Kurdische Kämpfer zeigen eine erbeutete IS-Fahne. In einer Zeitschrift d…
taz: Frau Dantschke, Ihre Beratungsstelle hat mit dem erzkonservativen
Islam-Prediger Abu Adam alias Hesham Shashaa [1][zusammen gearbeitet].
Dieser wurde Ende April unter Terrorverdacht an seinem Wohnort in Spanien
verhaftet. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?
Claudia Dantschke: Dass er in irgendeiner Weise für den IS gearbeitet haben
soll, wie ihm vorgeworfen wird, ist völlig abwegig. Ich kenne auch
niemanden in den deutschen Sicherheitsbehörden, der das glaubt. Im
Gegenteil: In der offiziellen Zeitschrift des IS wurde er im März 2017 als
„Abtrünniger“ bezeichnet, der mit den „Kreuzzüglern“ kollaboriert. Es…
dazu aufgerufen, ihn zu töten. Dieser Aufruf geht prinzipiell an jeden, der
sich dazu berufen fühlt. Allein deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass
er ein verkapptes U-Boot des IS ist. Denn das bringt ihn in eine ernsthafte
Gefahr. Ich hoffe sehr, dass die Ermittlungen in Spanien hier bald mehr
Klarheit bringen. Allerdings erlaubt es das Anti-Terrorgesetz in Spanien,
Leute bei bloßem Verdacht bis zu vier Jahre ohne Anklage in U-Haft zu
behalten.
Warum haben Sie mit ihm zusammen gearbeitet?
Ich kenne Abu Adam seit ungefähr sechs Jahren. In einem einzigen von 400
Fällen haben wir mit ihm gearbeitet. Im Juni 2014 hatte sich eine
alleinstehende Mutter aus Ostdeutschland an uns gewandt, die erklärte, dass
ihr Sohn in die Frankfurt-Offenbacher Salafistenszene abdriftete. Es
bestand die Gefahr, dass er nach Syrien ausreist, so wie es im Sommer und
Herbst 2014 sehr viele Jugendliche getan haben. Der Junge war auf der Suche
nach einer Vaterfigur, und wir merkten, dass wir anders nicht an ihn
rankommen. So kamen wir auf die Idee, Abu Adam einzubinden. Durch ihn
konnte er zur Rückkehr nach Sachsen bewegt werden. Abu Adam hat es
geschafft, eine Beziehung zu ihm aufzubauen und ihn von den
Ausreiseabsichten abzubringen.
Und warum ist der Junge nach Spanien gezogen?
Wir hatten keine Wohnung für ihn, er konnte nicht bei der Mutter wohnen und
war obdachlos, in betreuten Jugend-WGs gab es keine Plätze, und es gab die
Gefahr eines Rückfalls. Um ihn aus seinem bisherigen Umfeld heraus zu
lösen, kamen wir auf Spanien. Die Kinder von Abu Adam gehen dort auf eine
englische Privatschule. Das war vielleicht etwas übereilt, aber den
damaligen Umständen geschuldet.
Was genau hat der Junge dort gemacht? Es heißt, er sei weitgehend sich
selbst überlassen worden.
Wir wollten, dass er Eigenständigkeit lernt. Die Gegebenheiten waren sicher
nicht optimal. Trotzdem war es im Rückblick richtig. Wir hätten damals so
eine Maßnahme gebraucht, wie es sie für Aussteiger aus dem
Rechtsextremismus gibt: Da werden Jugendliche auf einen Bauernhof in
Finnland oder der Ukraine geschickt, um Abstand zu gewinnen. Für
Jugendliche aus dem radikal-salafistischen Bereich gibt es so etwas jedoch
nicht.
Hesham Shashaa ist selbst erzkonservativ, hat mehrere Frauen und saß 2010
in U-Haft, weil er einer von ihnen den Arm gebrochen haben soll. Warum
haben Sie ihm trotzdem vertraut?
Klar, Abu Adam erfüllt auf den ersten Blick alle Klischees eines radikalen
Predigers. Aber ich habe mit Fachleuten und Sicherheitskreisen gesprochen,
um mich abzusichern, und habe auch selbst mit ihm viele Gespräche geführt.
Er vertritt einen puristischen Islam, aber er ist kein Salafist im strengen
Sinne und grenzt sich nicht gegenüber Juden, Christen oder anderen ab. Er
hat sich im Internet gegen al-Qaida oder „Die Wahre Religion“ gewandt, und
sie als „die Verrückten“ bezeichnet. Und er sagt in seinen Predigten, dass
das Grundgesetz die Scharia ist. Und was diesen Armbruch angeht, so gibt es
eine Zeugin, eine Journalistin eines Frauenrechtsmagazins, die bezeugen
kann, dass es da keinen Übergriff gab. Vor allem aber: In diesem einen
Fall, in dem wir mit ihm gearbeitet haben, war das ja ein Erfolg: der
Jugendliche ist nicht zum IS gegangen, er hat sich nicht radikalisiert.
Der Verfassungsschutz hegte Zweifel, und auch das BAMF soll Sie Anfang 2015
vor einer Kooperation mit dem Imam gewarnt haben. Was ist da dran?
Das BAMF und das Innenministerium waren im Bilde und haben diesen Fall
gestützt. Der Verfassungsschutz in Bayern und Sachsen hatte aber Bedenken,
und eine generelle Zusammenarbeit in weiteren Fällen lehnten sie ab. Er
sollte die Ausnahme bleiben, und dabei blieb es ja auch. Dabei hat sich Abu
Adam selbst im Januar 2016 gemeldet und um Kontakt zu den
Sicherheitsbehörden gebeten, als sich eine 16-Jährige, die aus einer IS-WG
in Nordrhein-Westfalen aussteigen wollte, an ihn gewandt hatte. Die
Behörden haben sie dann mit seiner Hilfe da rausgeholt. Er hat auch anderen
Jugendlichen geholfen – weil er die Ideologie des IS mit theologischen
Argumenten widerlegen kann und anders als viele Schlips-und-Kragen-Imame an
sie rankommt.
Wie ging es mit dem Jungen weiter?
Die Privatschule kostete pro Jahr 10.000 Euro, über Spenden konnten wir
einen Teil des Schulgeldes in vier Raten aufbringen. Den Rest hat Abu Adam
aus eigener Tasche bezahlt. Das zweite Schuljahr konnten wir nicht mehr
finanzieren. Die anfänglich intensive Betreuung war dann aber auch nicht
mehr notwendig. Der Junge ist heute 24 und lebt mit seiner Freundin und
gemeinsamen Kind in Spanien. Er ist religiös, aber nicht radikal.
Ihr Kollege bei „Hayat“, der Publizist Ahmad Mansour, behauptet, ein
konservatives Islamverständnis begünstige die Radikalisierung. „Hayat“ ab…
hat mit einem erzkonservativen Prediger zusammen gearbeitet, um eine
Radikalisierung zu stoppen. Widerspricht das nicht seiner These?
Ahmad Mansour kennt den Fall, hatte aber nichts damit zu tun. Dieser Fall
hat aber wie beim BAMF auch bei uns intern eine Grundsatzdebatte ausgelöst,
ob solche konservativen Imame einbezogen werden sollten. Er ist dagegen,
dass so etwas zum Regelfall wird. Das BAMF sieht das genau so.
Mansour hält schon eine Lehrerin mit Kopftuch für inakzeptabel. Bei „Hayat�…
haben Sie mit jemanden zusammen gearbeitet, der mehrere Frauen hat. Wie
geht das zusammen?
Wir sind nicht alle immer einer Meinung und müssen das auch nicht sein. Wir
sind ein vielfältiges Team und diskutieren intensiv über solche Fragen.
19 Sep 2017
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## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
„Islamischer Staat“ (IS)
Salafismus
Islamismus
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Islamismus-Beratungsstelle „Hayat“: Kooperation mit radikalem Prediger
Der erzkonservative Imam Abu Adam wurde im April in Spanien festgenommen.
Die Behörden verdächtigen ihn, dem IS anzugehören.
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