# taz.de -- Gentrifizierung in Berlin: Regieren und protestieren | |
> Am Samstag gibt es gleich zwei stadtpolitische Demos – das hat etwas mit | |
> dem Verhältnis der Linkspartei zu außerparlamentarischen Bewegungen zu | |
> tun. | |
Bild: Die Mietenbewegung ist für ihre konfrontative Haltung bekannt | |
Wenn Wahlkampf ist in Berlin, gibt es auch eine stadtpolitische | |
Demonstration. So war es zur letzten Bundestagswahl 2011, so war es im | |
letzten Jahr zur Abgeordnetenhauswahl, und so ist es auch in diesem Jahr – | |
sogar doppelt. | |
Denn am Samstag wollen gleich zwei Demonstrationen für das Recht auf Stadt | |
durch Berlin ziehen: Mietenpolitische Initiativen wie die Gruppe | |
„Zwangsräumung verhindern“ rufen gemeinsam mit bedrohten linken | |
Institutionen wie dem Jugendzentrum Potse oder der Lause10 zu einem | |
Protestmarsch durch Kreuzberg auf. Eine Stunde später beginnt eine als | |
Musikparade geplante zweite Demonstration in Prenzlauer Berg, bei der es | |
insbesondere um die Verdrängung von kulturellen Orten gehen soll. | |
Die beiden Demonstrationen tragen denselben Titel, und der liefert schon | |
einen Teil der Erklärung für diese ungewöhnliche Dopplung: „Wem gehört die | |
Stadt?“ ist nicht nur eine Kernfrage der außerparlamentarischen | |
Gentrifizierungskritik. Es ist auch die Frage, auf die die Linkspartei im | |
Wahlkampf zur Abgeordnetenhauswahl im letzten Jahr mit dem großflächig in | |
der Stadt plakatierten Slogan „Und die Stadt gehört euch“ eine Antwort | |
lieferte, die die Partei an der Seite der außerparlamentarischen | |
Gentrifizierungskritik verorten sollte – was dort vielfach als | |
Wahlkampfmanöver kritisiert wurde. | |
Nun ruft die Linkspartei mit zu der stadtpolitischen Musikdemo auf. Auch | |
das ist ein Grund, warum einige Initiativen lieber ihre eigene | |
Demonstration veranstalten: „Wir haben kein Vertrauen, dass Parteien etwas | |
an der Misere in Berlin ändern werden, auch nicht die Linkspartei“, sagt | |
David Schuster von der Initiative „Zwangsräumung verhindern“. In der | |
Mietenbewegungslandschaft gehört diese quasi zur Fundamentalopposition; | |
andere Initiativen wie Kotti&Co haben parlamentarischen | |
Herangehensweisen gegenüber eine weniger ablehnende Haltung. | |
Aus Schusters Sicht hat die rot-rot-grüne Regierung bislang keine | |
wirklichen Verbesserungen für die MieterInnen gebracht: „Die paar | |
Vorkaufsrechtsfälle sind eine Befriedungsnummer, mit der die Chimäre einer | |
mietenfreundlichen Politik hochgehalten wird“, sagt er, und erinnert daran, | |
dass mit der Räumung des Neuköllner Kiezladens Friedel54 „eine der | |
brutalsten Räumungen der letzten Jahre unter Rot-Rot-Grün durchgeführt“ | |
worden sei. Insbesondere in Wahlkampfzeiten werde man deswegen nicht | |
gemeinsam mit der Partei demonstrieren. | |
Ein Mobilisierungsvideo, in dem Kultursenator Klaus Lederer (Linke) zu der | |
Musikdemo aufruft, wirkt tatsächlich wie ein etwas plumpes | |
Wahlkampfmanöver. Subtext: Die Linkspartei ist die Speerspitze der | |
Recht-auf-Stadt-Bewegung. Gleichzeitig rufen zu der Demonstration aber auch | |
viele linke Clubs wie das about blank oder das Mensch Meier auf – eine | |
reine Alibiveranstaltung ohne Verankerung in der Stadt ist sie also nicht. | |
Und sie geht mit dem Charakter als Musikparade und der Route durch | |
Prenzlauer Berg etwas neuere Wege als die andere Demonstration, die wieder | |
einmal vom Oranienplatz nach Neukölln führen soll und auf der | |
MietaktivistInnen wohl vor allem bekannte Gesichter treffen werden. | |
Katalin Gennburg, Sprecherin der Linksfraktion für Stadtentwicklung, kann | |
den Vereinnahmungsvorwurf nicht verstehen: Die Linkspartei stehe Seite an | |
Seite mit den sozialen Bewegungen“ und sei auch als Regierungspartei „froh | |
darüber, dass es Druck von unten gibt“. Viele aus der Partei seien selbst | |
in sozialen Bewegungen aktiv; dass außerparlamentarische Initiativen wie | |
das Mietenvolksbegehren entscheidend für mietenpolitische Verbesserungen | |
gewesen seien, sei in der Partei unumstritten. Auch die Räumung der | |
Friedel54 spricht Gennburg an, allerdings als Beispiel für die | |
Bewegungsnähe ihrer Partei: „Wir haben uns da richtig Mühe gegeben, eine | |
Lösung zu finden, und die Brutalität der Räumung lautstark verurteilt. | |
So ganz wegzureden ist es nicht: das Dilemma, in dem die der Linkspartei | |
steckt, die Bewegung und Regierung zugleich sein will. Und es zeigt sich | |
auch am Samstag. Wer will, kann es für sich aber ganz praktisch lösen: Erst | |
in Kreuzberg demonstrieren und dann durch Prenzlauer Berg tanzen sollte bei | |
einem guten Zeitmanagement durchaus drin sein. | |
7 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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