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# taz.de -- Cumhuriyet Online-Chef wieder frei: „Sie halten uns für dumm“
> Für einen Tweet seiner Zeitung wurde Oğuz Güven inhaftiert. Über die
> Einschüchterungstaktik und Doppelmoral der türkischen Justiz.
Bild: „Keiner von ihnen hat sich zur Stimme des Regimes instrumentalisieren l…
Der Aufenthalt in einem Gefängnis ist für Medienschaffende in der Türkei
fast schon zu einer Referenz für guten Journalismus geworden. Oğuz Güven,
Online-Chefredakteur der regierungskritischen Tagezeitung Cumhuriyet , der
am Mittwoch aus der Haft entlassen wurde, hat sein „Pflichtpraktikum“
absolviert.
Am 15. Mai war er aufgrund eines Tweets, der über den Account der
Cumhuriyet verbreitet wurde, festgenommen und der Terrorpropaganda
beschuldigt worden. Nach 30 Tagen Haft kam er nun wieder frei. Die ersten
Verhandlungen sollen im Herbst stattfinden.
## Journalismus ist kein Verbrechen
Kurz nach seiner Freilassung sagte Güven gegenüber taz.gazete, mit den
Festnahmen wollten die Behörden die Journalisten insgesamt einschüchtern.
„In den Anklageschriften werden Medienschaffende als Putschisten oder
Mitglieder einer Terrororganisation dargestellt. Wir sind Journalisten.
Unseren Job zu machen ist kein Verbrechen“, so Güven.
Er macht sich große Sorgen um die noch immer inhaftierten 160 Kolleg*innen
verschiedener Medien. Mit einigen hat er sich denselben Hof im Gefängnis
von Silivri geteilt, in dem auch Welt -Korrespondent Deniz Yücel inhaftiert
ist. „Ich habe sie zurückgelassen, daher kann ich nur eine schmerzliche
Freude empfinden“, sagte er. „Sie alle kennen den wahren Grund ihrer
Inhaftierung. Keiner von ihnen hat sich zur Stimme des Regimes
instrumentalisieren lassen. Sie sitzen als politische Gefangene in Haft,
dessen sind sie sich bewusst.“
## Mit zweierlei Maß
Der 55-jährige Journalist ist inzwischen an seinen Arbeitsplatz
zurückgekehrt. Die türkische Justiz messe mit zweierlei Maß, sagte er. „Es
gibt Armeeoffiziere und andere politische Figuren, die der Gülen-Bewegung
nahe – stehen und von der Justiz nicht so gründlich überprüft werden“, so
Güven.
So sei zum Beispiel der Schwiegersohn des ehemaligen Regierungssprechers
Bülent Arınç (bekannt für sexistische Äußerungen im Parlament, Anm. d.
Red.), am 6. Juni wegen Verdachts der Mitgliedschaft der Vereinigung des
Predigers Fethullah Gülen verhaftet und schon binnen zwei Tagen wieder
entlassen worden, weil sein Auf – enthaltsort bekannt sei.
## An der Schwelle zur Diktatur
Güven hält das für vorgeschoben: „Als ob die Aufenthaltsorte von
Journalisten nicht bekannt seien. Ich lebe seit 55 Jahren am selben Ort.
Diese Doppelmoral verletzt die Würde der Gesellschaft. Die AKP hält uns für
dumm.“ In Anbetracht der aktuellen Situation sei die Türkei instabil
geworden.
„Sie können kein Land regieren, in dem sie die Abgeordneten von 6 Millionen
Wähler verhaften und Medien mundtot machen“, sagte Güven. Nachdem Politiker
der prokurdischen HDP verhaftet wurden, seien nun auch Politiker der
kemalistischen CHP ins Visier geraten: „Im 21. Jahrhundert sind diese
Methoden der Repressionen nicht akzeptabel. Die Türkei befindet sich mit
diesen Methoden an der Schwelle zu einem faschistischen System. Niemand
sollte denken, dass es ihn nicht treffen könne.“
16 Jun 2017
## AUTOREN
Erk Acarer
## TAGS
taz.gazete
Schwerpunkt Deniz Yücel
Türkei
CHP
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