| # taz.de -- Mit dem Zug durch die Kupferschlucht: Viel Zeit zum Staunen | |
| > Die Fahrt mit dem „Chepe“ im Norden Mexikos ist ein großes Abenteuer. Der | |
| > „Chepe“ ist der letzte noch fahrende Personenzug Mexikos. | |
| Bild: Die Bahntrasse in der Kupferschlucht schmiegt sich eng an die geschwungen… | |
| Unter lautem Ächzen und Stöhnen schraubt sich der Zug auf 2.400 Metern | |
| Höhen hinauf. Es ruckelt und zuckelt, die Räder rattern und vor dem Fenster | |
| schleicht bei 30 Stundenkilometern die Landschaft vorbei. Zur Rechten | |
| erklimmt der Blick Felsgipfel, zur Linken stürzt er hinab in die Schlucht. | |
| Ein langgezogenes Hupen kündigt die Ankunft des „Chepe“ in Divisadero an, | |
| dem topografischen Höhepunkt der Reise, an. | |
| Fast so, als sei der Lokführer selbst stolz auf die Leistung, den Zug | |
| wieder einmal ganz nach oben gebracht zu haben, all den Windungen und | |
| Spiralschleifen zum Trotz. | |
| Grund dazu gäbe es jedenfalls im Überfluss. Auf einer Strecke von 653 | |
| Kilometern überwindet der Ferrocarril Chihuahua al Pacífico, von den | |
| Mexikanern liebevoll „Chepe“ genannt, einen Höhenunterschied von 2.500 | |
| Metern und durchfährt dabei ganze drei Klimazonen. Dabei muss der einzige | |
| noch fahrende Personenzug Mexikos 37 Brücken überqueren und sich in 86 | |
| Tunneln durch das Gebirge der Sierra Tarahumara und der Sierra Madre | |
| Occidental wühlen. Knapp 16 Stunden braucht der „Chepe“ von der | |
| Provinzhauptstadt Chihuahua bis nach Los Mochis im Bundesstaat Sinaloa an | |
| Mexikos Pazifikküste und durchstreift dabei eine der ursprünglichsten und | |
| wildesten Gegenden des Landes, die Kupferschlucht, Barranca del Cobre. | |
| Sinaloa ist die Wiege der mexikanischen Drogenkartelle, hier wird seit mehr | |
| als einem Jahrhundert im unzugänglichen Hinterland Opium und Marihuana | |
| kultiviert und über schwer zugängliche Bergkämme und Schluchtenpfade nach | |
| Norden transportiert. Auch dient die zerklüftete Landschaft fernab der | |
| großen Städte nach wie vor als Rückzugsraum für Mexikos einflussreichstes | |
| Drogenkartell, das Sinaloa-Kartell. Touristen kommen mit dem seit Jahren | |
| andauernden Drogenkrieg zwischen rivalisierenden Kartellen und staatlichen | |
| Sicherheitskräften jedoch so gut wie nie in Berührung. Lediglich die vielen | |
| in den kleinen Ortschaften entlang der Strecke zur Schau gestellten | |
| Pick-ups fallen auf. | |
| „Es gibt hier nur zwei Arten, so reich zu werden, dass man sich solche | |
| Wagen leisten kann“, sagt Heriberto Salazar, der seit 25 Jahren die | |
| Passagiere des „Chepe“ in Creel mit seinen duftenden Tacos und Quesadillas | |
| verwöhnt. „Entweder du hast das Glück, eine große Apfelplantage zu | |
| betreiben oder du vertreibst andere Produkte“, sagt der rundliche Mann mit | |
| einem fast schelmischen Zwinkern, bevor er wieder lautstark seine frisch | |
| zubereitete Ware anbietet. Ein köstlicher Duft von Chili und warmen | |
| Tortillas hängt in der Luft, als sich der Zug wieder in Bewegung setzt. | |
| ## Bereuen wird es keiner | |
| Bei maximal 50 Stundenkilometern Reisegeschwindigkeit bleibt viel Zeit für | |
| Gedanken und Gespräche. Sogar Mario Narvaez, seit mehr als 15 Jahren | |
| Zugbegleiter im „Chepe“, findet Gelegenheit für einen Plausch mit den | |
| Reisenden. „Viele Mexikaner verbringen hier ihren Urlaub, da sie | |
| vergünstigte Tickets für die Fahrt bekommen“, erklärt Narvaez. „Aber auch | |
| Touristen lieben die Langsamkeit des Zuges und die Landschaft hier.“ Nur | |
| weniger seien es geworden, „wegen der schlechten Presse im Ausland“, sagt | |
| er. Narvaez glaubt nicht, dass es in absehbarer Zeit mehr Touristen werden | |
| könnten, die die Kupferschlucht bereisen. „Aber bereuen würde es keiner“, | |
| sagt er und deutet auf die inzwischen subtropische Landschaft, die sich | |
| entlang eines kleinen Flusses zur linken Seite des Zuges ausbreitet. | |
| Die Abendsonne taucht glutrot in die Winkel des Canyons hinab und das | |
| Wasser funkelt wie Silber zum Fenster hinein. „Magisch, nicht wahr?!“, | |
| fragt Narvaez und es unmöglich, ihm jetzt nicht zuzustimmen. | |
| Der Zug wird langsamer und das Rattern der Räder dringt erneut in den | |
| Vordergrund. Wieder diese stolze Hupen, das Geräusch zischenden Dampfes und | |
| dann steht der „Chepe“ in der Nacht von Los Mochis. Die Türen öffnen sich | |
| und Hitze, Rufe, Lachen und das Zirpen der Zikaden dringen herein. Der | |
| „Chepe“ hat es wieder einmal geschafft. Er ist angekommen. Und mit ihm sind | |
| es entspannte und fröhliche Passagiere. | |
| 14 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Bassen | |
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