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# taz.de -- Proteste in Marokkos Berberregion: Über Nacht zum Helden
> In Nordmarokko protestieren junge Menschen seit Monaten für mehr soziale
> Gerechtigkeit. Ihr Anführer Zafzafi wird nun per Haftbefehl gesucht.
Bild: Protestführer „Hirak“ Nasser Zefzafi während einer Rede vor der Al …
Madrid taz | Er ist ein Rebell und ein Aufrührer. Der 37-jährige Nasser
Zafzafi wird seit vergangenem Freitag von der Polizei gesucht. Der
Haftbefehl gegen ihn wurde aber nicht etwa ausgestellt, weil er zum Sturz
von Regierung und König aufgerufen hätte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm
vielmehr vor, sich in der Moschee ungehörig aufgeführt zu haben. Sein
Vergehen: Zafzafi hat am Freitag in der Moschee von Al Hoceïma die Stimme
gegen den Imam erhoben. Lautstark widersprach er dem Vorbeter, als dieser
in seiner Predigt den Protestierenden vorwarf, Marokko spalten zu wollen.
„Lügner“, rief Zafzafi und wollte wissen, wem die Moschee diene, „Gott
oder den Mächtigen“.
Die Protestierenden sind die Jugendlichen in Marokkos rebellischer
Nordregion, dem Rifgebirge. [1][Seit mehr als einem halben Jahr
protestieren junge Menschen in der wichtigsten Stadt der Berberregion, Al
Hoceïma], für mehr soziale Gerechtigkeit. Sie fordern ein wirtschaftliches
Engagement der marokkanischen Regierung in der vernachlässigten Gegend.
Diese versprach vor wenigen Tagen Besserung und ließ erst einmal Nasser
Zafzafi per Haftbefehl suchen. Der 37-Jährige ist seit Freitag
untergetaucht. 20 weitere Aktivisten hatten weniger Glück. Sie wurden in
den vergangenen Tagen verhaftet.
Die Proteste in Al Hoceïma begannen im Oktober, als der junge
Straßenverkäufer Mouhcine Fikri sein Leben verlor. Die Polizei nahm ihm den
Fisch ab, den er feilbot, und schmiss die Kisten in einen Mülllaster. Fikri
kletterte hinterher, um die Ware zu retten. Bis heute ist nicht vollständig
geklärt, wie der Mechanismus, der den Müll zusammenpresst, in Gang kam oder
wer ihn einschaltete. Nur eines steht fest: Fikri wurde zu Tode gequetscht.
Es kam zu Massenprotesten in ganz Marokko. Im Rif halten diese bis heute
an. Immer wieder gehen in Al Hoceïma Zehntausende auf die Straße. Sie
verlangen Arbeit und Investitionen für die seit Jahrzehnten vernachlässigte
Gebirgsregion an der Mittelmeerküste. Die marokkanische Monarchie bestraft
das Rif mit Nichtbeachtung, seit sich die Region Ende der 1950er Jahre
gegen die Zentralregierung in Rabat erhob.
## „Wir sind alle Zafzafi!“
Nasser Zafzafi war bis zu Beginn der Proteste wegen Fikris Tod ein völlig
Unbekannter. Seine offene Kritik am Königspalast und der Regionalverwaltung
sowie sein natürliches Charisma machten aus dem Gelegenheitsarbeiter über
Nacht so etwas wie einen Nationalhelden der Rifberber. Um ihn herum
entstand die „Volksbewegung in Al Hoceïma und dem Rif“. Die Videos seiner
Auftritte verbreiteten sich über die sozialen Netzwerke, während ihn die
Presse bis vor wenigen Wochen völlig ignorierte. Die Medien begannen erst
dann über Zafzafi zu berichten, als die Regierung in Rabat ihn als
gefährlichen Separatisten bezeichnete.
Zafzafi hat bislang nie die Unabhängigkeit der Berberregion gefordert.
Allerdings beruft er sich auf Abdelkrim el Jatabi, den Helden der Rifregion
schlechthin. Dieser führte in den 1920er Jahren den militärischen Aufstand
gegen die spanische Kolonialverwaltung an und gründete die Rif-Republik.
Bei der größten Demonstration vor zehn Tagen trugen viele Teilnehmer ein
T-Shirt mit dem Aufdruck „Wir sind alle Zafzafi!“. Das Motto des
Protestmarschs lautete: „Ihr seid keine Regierung, ihr seid eine Mafia.“
Vor einer Woche entsandte König Mohammed VI. eine Reihe von Ministern nach
Al Hoceïma. Diese versprachen umgehende Verbesserungen der sozialen und
wirtschaftlichen Lage. Zafzafi blieb der Versammlung fern. „Die Minister
sind nicht gekommen, um die Probleme von Al Hoceïma zu lösen, sie sind Teil
des Problems“, ließ er ausrichten.
28 May 2017
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## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Marokko
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