# taz.de -- taz.lab 2017 in Berlin: Torte, Schnaps und offene Gesellschaft | |
> Hunderte Menschen diskutierten und feierten am Samstag in der taz eine | |
> pluralistische Gesellschaft. Mit dabei: viel Prominenz. | |
Bild: Deniz ist überall | |
Berlin taz | Konstruktives Chaos ausdrücklich erwünscht – mit etwa diesen | |
Worten eröffnet Jan Feddersen, „Redakteur für besondere Aufgaben“ und | |
Kurator, das taz.lab 2017. Es ist viertel vor neun, die meisten Gäste | |
schauen noch müde aus den Augen. Eines fällt sofort auf – ihr | |
Durchschnittsalter ist relativ hoch. Das war zu erwarten: Es ist Samstag | |
und viertel vor neun. | |
Während das taz.lab die vergangenen Jahre im Berliner Haus der Kulturen der | |
Welt stattfand, musste es in diesem Jahr mit dem deutlich kleineren | |
Redaktionsgebäude der taz in der Rudi-Dutschke-Straße vorlieb nehmen. | |
Trotzdem hatte es Einiges zu bieten. Über zwei Dutzend Veranstaltungen | |
drehten sich um das Thema „Offene Gesellschaft“. [1][An sechs Orten im Haus | |
und drum herum] fanden Gesprächsrunden, Kiez-Rundgänge, Ausstellungen und | |
Workshops statt. | |
Wie in einem Ameisenbau wuselten an die 300 taz-Freund_innen umher und | |
diskutierten mit über 40 taz-Pat_innen aus den verschiedensten Bereichen | |
über Demokratie, Identität und Heimat. Konzepte, mit dem sich auch das | |
[2][Projekt taz.meinland] schon seit Ende letzten Jahres auseinandersetzt, | |
in dem es durch das Land reist, an kleine Orte, um Fragen zu stellen und | |
Antworten zu hören. Das diesjährige taz.lab stand daher unter seinem Stern | |
und lud zu seiner Halbzeit in die eigenen Hallen ein. | |
Nach dem „Weckruf“ von [3][Chef-Redakteur Georg Löwisch] und [4][„Mr. | |
tazlab“ Jan Feddersen] um kurz vor neun, geht es los. Immer mehr Menschen | |
strömen zu den Veranstaltungsorten, junge „Türsteher“ kontrollieren an den | |
Eingängen schüchtern die Bändchen an den Handgelenken der Gäste. Obwohl | |
schon fast der Mai ins Haus steht und sich die Sonne sogar ab und zu | |
blicken lässt, ist die Luft kühl. Das unbeheizte Außenzelt, in dem Jan | |
Feddersen und [5][Esra Küçük], Leiterin des Gorki-Forums in Berlin, gleich | |
mit dem Thema Patriotismus einsteigen, ist trotzdem gut besucht. | |
## Deniz ist überall | |
Im taz.café studieren Einige noch das Programm und trinken ihren zweiten | |
Kaffee, aber auch hier finden sich bald darauf der stellvertretende Leiter | |
des Auslandressorts der Welt [6][Daniel-Dylan Böhmer] und taz-Redakteurin | |
[7][Doris Akrap] ein, um über die Situation von Deniz Yücel zu sprechen. | |
Doris Akrap kennt den noch immer in der Türkei in Einzelhaft einsitzenden | |
Journalisten schon seit der Schulzeit und beginnt die Veranstaltung mit | |
einer Anekdote dazu wie sie sich zum ersten Mal trafen: „1986 spielte ich | |
mit Deniz’ Schwester im selben Akkordeon-Verein. Bei ihr zu Hause kam immer | |
mal wieder ein Typ mit zotteligen Haaren rein und fragte unfreundlich: | |
'Was’n hier los?’“. | |
Die persönlichen Anekdoten lockern immer wieder die ernste Stimmung auf. | |
Welt-Redakteur Böhmer bekennt sich mit klaren Worten: „Wir haben die | |
Verantwortung ihn da raus zu holen.“. Zwei letzte Hinweise zum Schluss: | |
Deniz’ Buch [8][„Taksim ist überall“] wurde neu aufgelegt und ist bereits | |
im Handel erhältlich. Und: Am Mittwoch, den 3. Mai findet unter dem Motto | |
[9][„Auf die Presse!“ ein Solidaritätskonzert] am Brandenburger Tor statt. | |
So offen Thema, Tür und Tor, so offen auch das Format der Gespräche. Nach | |
dem „Küchentisch-Prinzip“ reihen sich die Sitzreihen für das Publikum an | |
jedem Ort um einen großen Tisch herum. An dem haben jedoch nicht nur | |
Moderierende und Referent_innen Platz, sondern auch die Gäste werden dazu | |
ermuntert, sich direkt mit an den Tisch zu setzen. Das funktioniert sogar, | |
in den meisten Fällen, ziemlich gut. Auch im Konferenzraum sitzen am | |
späteren Vormittag Pat_innen und ein paar Frauen und Männer aus dem | |
Publikum gemeinsam an dem mit einer karierten Tischdecke und Blumenvase | |
bedeckten Tisch. Sie diskutieren angeregt über Soziale Gerechtigkeit, | |
Umverteilung und die Rolle der Politik. | |
Im Anschluss sagt die Besucherin Ursula Busch, sie hätte sich zwar nicht | |
aktiv an der Diskussion beteiligt, sich aber zwischendurch „ganz schön über | |
den hochmoralischen Ton aufgeregt“, in dem über „die Reichen“ gesprochen | |
worden sei. Die Feindbilder, die dort gezeichnet worden wären, seien ihr zu | |
plakativ. Aber zum puncto „sich Aufregen“ sagt sie auch: „Insofern war es | |
eine richtig gute Veranstaltung, denn sie hat die Leute angeregt. Darum | |
geht es ja schließlich hier.“. Sie ist 58 Jahre alt und „schon immer“ | |
taz-Abonnentin. Sie hat bisher mit wenigen Ausnahmen alle taz.labs besucht. | |
## Gesucht wird jung | |
Zur Mittagszeit nimmt das Gewusel noch einmal an Fahrt auf. Zwei Foodtrucks | |
stehen nun vor dem taz-Gebäude und versorgen Besucher_innen und das | |
lab-Team mit Mittagessen. Einem Ehepaar aus Münster ist ein Ungleichgewicht | |
aufgefallen: „Wir vermissen die jungen Leute und ihre Sichtweisen hier. Wo | |
sind die nur abgeblieben?“, fragt Walburga Neubert, 67 Jahre. Auch als um | |
kurz nach 13 Uhr auf der Konferenzetage eine riesengroße Torte mit der | |
Aufschrift „25 Jahre taz-Genossenschaft“ angeschnitten wird, reihen sich | |
darum vor allem ältere Genossen und Genossinnen. | |
Doch da, im Nebenraum, sitzt ein junger Mann auf einem Stuhl und wartet auf | |
die nächste Veranstaltung. Gustav ist 19 Jahre alt. Er ist allein gekommen. | |
Seine Freunde lesen kaum Zeitung. Seine Eltern aber seien | |
taz-Abonnentinnen, daher lese er die taz seit er denken könne. Es ist sein | |
erstes taz.lab. Im Pavillon ganz oben unter dem Dach hätte er gerade noch | |
zusammen mit zehn Leuten aus dem Publikum und sechs Sprecher_innen über | |
Politik diskutiert: „Das war echt cool und eine erfrischende Abwechslung zu | |
den Youtube-Kommentaren im Internet.“. | |
Mit voranschreitender Tageszeit senkt sich der Altersdurchschnitt doch noch | |
ein wenig. Die Langschläfer_innen mischen sich unter. Der Ameisenbau brummt | |
auch am Nachmittag immer noch vor Geschäftigkeit. Auf der „Grünfläche“, … | |
Außenzelt findet um 18 Uhr die letzte Veranstaltung statt. Die „Wahrheit“ | |
lädt zu einer Lesung feinster satirischer Texte, und einer | |
gemeinschaftlichen Spirituosen-Verköstigung ein. Mit dabei sind | |
taz-Kolumnist [10][Uli Hannemann], Schriftsteller und | |
Reptilienwissenschaftler [11][Heiko Werning], die Autorinnen [12][Jenni | |
Zylka] und [13][Pia Frankenberg] sowie Wahrheit-Redakteur_innen | |
[14][Harriet Wolff] und [15][Michael Ringel]. Letzterer eröffnet die | |
„Alkohol-unterstützte Veranstaltung“ mit einer Runde Whiskey. | |
Im Laufe der folgenden 90 Minuten werden darüberhinaus noch Obstler, | |
Mangoport bis hin zu Affenbrotbaumschnaps ausgeschenkt. Die Kälte im Zelt | |
ist schnell vergessen, die Stimmung könnte kaum besser sein. | |
Nachzügler_innen rümpfen die Nase beim Betreten des Zeltes. Der Reih’ um | |
werden Texte gelesen, gefühlt alle fünf Minuten stößt jemand versehentlich | |
eine Flasche um. Es hat etwas ungewollt slapstick-artiges. So endet das | |
taz.lab wie es angefangen hat: mit einem konstruktiven Chaos, und | |
altersmäßig doch noch ausgewogenem Publikum. | |
30 Apr 2017 | |
## LINKS | |
[1] /programm/2017/tazlab2017/de/schedule/0.html | |
[2] /Ueber-tazmeinland/!163412/ | |
[3] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/635.html | |
[4] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/441.html | |
[5] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/683.html | |
[6] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/988.html | |
[7] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/25.html | |
[8] /!5396295/ | |
[9] https://www.facebook.com/events/1901717233437127/ | |
[10] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/962.html | |
[11] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/177.html | |
[12] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/381.html | |
[13] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/377.html | |
[14] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/155.html | |
[15] /programm/2017/tazlab2017/de/speakers/15.html | |
## AUTOREN | |
Nora Belghaus | |
## TAGS | |
taz lab 2024 | |
Schwerpunkt taz.meinland | |
Schwerpunkt taz.meinland | |
Schwerpunkt taz.meinland | |
taz lab 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
taz-Sommerfest in Grimma: Ein magischer Ort zum Feiern | |
500 Besucher*innen feiern auf dem taz-Sommerfest in der Alten Spitzenfabrik | |
in Grimma – eine Gelegenheit für kontroverse Diskussionen. | |
taz.lab 2017 in Berlin: Die Halbzeit der Halbzeit | |
Seit Stunden ist das taz.lab 2017 im Gange. Weil man nicht überall | |
gleichzeitig sein kann, gibt es hier einen Überblick über die | |
Veranstaltungen. | |
taz.lab 2017 in Berlin: Wir wollen euren Senf! | |
Beim taz.lab dreht sich alles um die offene Gesellschaft. Menschen reden | |
und diskutieren über unsere Zukunft. Das Motto: „Neue Heimat“. |