# taz.de -- Fußballclub Spartak Moskau: Die Hoffnung der Massen | |
> Nach einer Durststrecke von 16 Jahren gewinnt der Volksklub die | |
> Meisterschaft. Er stärkt das angeschlagene russische Selbstvertrauen. | |
Bild: Spartak Moskau (in rot) mit vollem Körpereinsatz zum Sieg | |
Moskau taz | In Moskauer Nordwesten am Autobahnring A 107, der früher die | |
Stadtgrenze der russischen Hauptstadt markierte, war am Sonntagabend schon | |
die Dunkelheit hereingebrochen, als sich der Platz vor der „Otkrytije | |
Arena“ langsam mit einer gewaltigen Menschenmenge füllte. Mitten im | |
Getümmel hatte der 30-jährige Denis Gluschakow seinen Luxuswagen geparkt, | |
war auf den Sockel der vor dem Stadion errichteten Statue eines römischen | |
Gladiatoren gestiegen und hatte, mit einer Gitarre in der Hand, die | |
grölende Menge orchestriert. „Wer sind wir? Wir sind die Champions!“, | |
hallte es immer wieder durch die Nacht. | |
Denis Gluschankow ist Kapitän von Spartak Moskau, die hier ihre Heimspiele | |
austragen. Am Tag zuvor hatten die „Krasno-Belye“, die Rot-Weißen, den | |
bereits feststehenden Absteiger Tom Tomsk mit 1:0 besiegt. Und weil | |
Verfolger Zenit Sankt Petersburg sein Heimspiel gerade gegen Terek Grosny | |
verloren hatte, war es am Sonntagabend Gewissheit, dass Spartak Moskau zum | |
ersten Mal seit 16 Jahren wieder Meister ist. Eine Nachricht, die große | |
Emotionen hervorrief. | |
Spartaks italienischer Trainer Massimo Carrera gab zu, mit den Tränen | |
gekämpft zu haben. Edelfan Denis Mazujew, Russlands wohl bedeutendster | |
Pianist, sprach gar vom schönsten Tag seines Lebens und Sportminister Pavel | |
Kolobkow von einem ungewöhnlich symbolträchtigen Champion: „Spartak hat | |
nicht nur eine Meisterschaft gewonnen, sondern dem Land das Vertrauen in | |
die Kraft seines Fußballs zurückgegeben. Der Triumph des populärsten | |
russischen Vereins wird das Interesse am Fußball in Russland | |
wiederbeleben.“ | |
Und dafür wird es ein Jahr vor Beginn der Fußball-WM auch dringend Zeit. | |
Die Auftritte der Nationalmannschaft bei WM 2014 und EM 2016 waren | |
erbarmungswürdig, die vernachlässigte Nachwuchsförderung lässt nichts Gutes | |
hoffen, und Schlagzeilen machen in der jüngeren Vergangenheit nur noch | |
Hooligan-Skandale. Angesichts der desolaten Situation fragte der angesehene | |
Kolumnist Alexej Ossin 2014 im „Komsomolez“, ob überhaupt jemand den | |
Fußball in Russland vermissen würde, wenn es ihn plötzlich nicht mehr gäbe? | |
Da ist es gut, dass ein Verein die Meisterschaft gewinnt, der es vermag die | |
Massen zu mobilisieren. Der 1922 gegründete Fußballklub hatte sich vor | |
allem in den 1980er Jahren als „Verein des Volkes“ etabliert und war zum | |
Liebling der Intellektuellen, Künstler und Kritiker des Sowjetregimes | |
geworden. Unter Trainerlegende Konstantin Beskow konnte in dieser Ära zwar | |
nur zweimal die Meisterschaft gewonnen werden, aber der attraktive | |
Angriffsfußball galt als Antithese zur kühlen Rasenmathematik von | |
Serienmeister Dynamo Kiew, unter Taktikgroßmeister Waleri Lobanowsky. | |
Die außergewöhnliche Popularität half Spartak auch die chaotischen 1990er | |
Jahren zu überstehen. Der Exspieler Oleg Romanzew wurde bereits mit 35 | |
Jahren vom Vereinspatriarchen Nikolai Starostin 1989 zum Cheftrainer | |
befördert. Starostin selbst hatte Spartak 1922 gegründet und war aufgrund | |
einer Privatfehde mit Stalins Geheimdienstchef Lawrenti Beria zwischen 1942 | |
und 1953 im Gulag verschwunden. Doch in den 1980ern hatte der bereits über | |
80-Jährige wieder alle Fäden in der Hand. Mit Romanzew stieg Spartak zum | |
Alleinherrscher im russischen Fußball auf. Neun von zehn Titeln seit | |
Gründung der russischen Liga wurden gewonnen. Der Letzte 2001. | |
Doch aus der Vaterfigur Romanzew wurde ein Tyrann. Ab 2000 befand sich der | |
Verein im Niedergang. Die Anteile von Starostin, auf Romanzew übertragen, | |
waren bei Andrei Tscherwitschenko, einem Generaldirektor bei Russlands | |
größtem privaten Erdöl-Konglomerat Lukoil gelandet. Für 70 Millionen Euro | |
wurde dann Leonid Fedun Besitzer. Der einstige Offizier und Doktor der | |
Geisteswissenschaften konnte trotz kräftiger Finanzspritzen keine Erfolge | |
erzielen. Eine Durststrecke, die nun ihr Ende gefunden hat. | |
8 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Henkel | |
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