# taz.de -- Personalpolitik im DHM in Berlin: Deutsche Historische Rückstufung | |
> Im Deutschen Historischen Museum lässt die Grütters-Behörde Mitarbeiter | |
> neu eingruppieren. Ausgerechnet zum Amtsbeginn von Raphael Gross. | |
Bild: Eingang des Deutschen Historischen Museums in der Straße Hinter dem Gie�… | |
„Dieses Haus ist das wichtigste Geschichtsmuseum Deutschlands“, lobte | |
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) im Januar. Gemeint war das | |
Deutsche Historische Museum (DHM) im Herzen Berlins. Der neue Museumsleiter | |
Raphael Gross, der im November 2016 berufen worden war, werde auch die | |
Aufgabe haben, das Haus „nach innen zu befrieden“. | |
Grütters spielte damit auf die lang anhaltende Führungskrise des DHM an, | |
die vor knapp einem Jahr im erzwungenen Weggang des früheren | |
Museumsdirektors Alexander Koch gipfelte. | |
Das Museum residiert an nobler Stätte im alten Zeughaus Unter den Linden, | |
in Trägerschaft einer eigens dafür geschaffenen Stiftung von Bund und | |
Ländern. Grütters’ politischer Apparat (BKM) ist zuständig für | |
dienstrechtliche Belange der rund 140 festangestellten Mitarbeiterinnen und | |
Mitarbeiter. Unter denen herrscht in der Tat eine recht unfriedliche | |
Stimmung – wofür viele allerdings in erster Linie das BKM verantwortlich | |
machen. | |
Im Februar verkündete das BKM, dass rund ein Viertel der Museumsmitarbeiter | |
tarifrechtlich zurückgestuft werden sollen – mit teils erheblichen | |
Gehaltseinbußen. Betroffene sprechen von 500 Euro weniger im Monat, das sei | |
existenzbedrohend. | |
Der massenhaften Rückstufung vorangegangen war, beginnend in 2015, eine | |
Tätigkeitsüberprüfung aller Museumsbeschäftigen durch externe Prüfer des | |
Bundesverwaltungsamts (BVA) und der Stasiunterlagenbehörde (BStU). Sie | |
sollten feststellen, welche konkrete Tätigkeiten die einzelnen Mitarbeiter | |
im Dezember 2013 ausgeübt hatten – das war das Referenzdatum einer durch | |
die Vertragsreform im öffentlichen Dienst geschaffenen neuen | |
Tarifstruktur, die ein kompliziertes Überleitungsverfahren zur Folge hatte. | |
Diese Tätigkeitsüberprüfung führte zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass | |
angeblich knapp 40 der 140 Museumsangestellten gar nicht die Arbeit | |
leisteten, die ihre Tarifstufe verlangt. Sprich: Sie wären zu hoch | |
eingruppiert – was nun durch Rückstufung korrigiert werden soll. | |
## Angestellte kritisieren das Verfahren | |
Überprüfte Museumsangestellte üben massive Kritik an diesem Verfahren: | |
Arbeitsplatzinterviews im Jahr 2016, um Arbeitsvorgänge von 2013 zu | |
bewerten, nennen sie „hanebüchen“. | |
Das BKM erklärt, es sei vom Bundesrechnungshof aufgefordert, in den von ihm | |
beaufsichtigten Institutionen geltendes Tarifrecht umzusetzen, diesem Zweck | |
diene die Arbeitsplatzüberprüfung. Warum die Überprüfung erst Jahre nach | |
dem Stichtag stattfand, begründet das Ministerium nicht. Auch wird die | |
Frage, wie sich das Ministerium den hohen Prozentsatz von Fehleinstufungen | |
und daraus resultierenden Rückgruppierungen erkläre, nicht beantwortet. | |
Immerhin, so argumentiert die Aufsichtsbehörde, habe die Überprüfung doch | |
ergeben, dass „die weitaus überwiegende Anzahl der Arbeitsplätze richtig | |
bewertet war“. Langjährige DHM-Beschäftigte kontern: Dies sei die dritte | |
Überprüfung in zwanzig Jahren gewesen – allerdings die erste, die in | |
Rückstufungen münden soll. | |
Dass ein Viertel der Beschäftigten in der Vergangenheit für die geleistete | |
Arbeit zu hoch entlohnt worden sei – nichts anderes würde ja die | |
Rückstufung ausdrücken –, nennen Museumsmitarbeiter „eine absurde | |
Vorstellung“. Vielmehr versuche der Arbeitgeber offenbar, durch eine | |
Vielzahl von Rückgruppierungen höhere Ausgaben an anderer Stelle der neuen | |
Tarifstruktur zu kompensieren. Dass einige Stelleninhaber auch höher | |
gruppiert worden seien, bekräftige diese Einschätzung eher, als dass sie | |
sie widerlege. | |
Die Rückgruppierungen betreffen alle Abteilungen und alle Gehaltsgruppen, | |
selbst so wichtige Bereiche wie das Zeughauskino und die Bibliothek sind | |
davon nicht ausgenommen, auf deren Bedeutung und die angeschlossene | |
Sammlung kostbarer Frühdrucke die Museumswebsite mit Stolz verweist. | |
„Wie passt das denn zur Erklärung der Kulturministerin, das DHM sei das | |
,wichtigste deutsche Geschichtsmuseum?'“, fragen Mitarbeiter, für die | |
solche Herabstufungen auch mangelnden Respekt vor wissenschaftlicher Arbeit | |
ausdrücken. | |
Aber das habe wohl Methode: So seien, parallel zur Arbeitsplatzüberprüfung, | |
die Wissenschaftler des Hauses einem hochnotpeinlichen Verfahren ausgesetzt | |
worden, in dem sie hätten beweisen müssen, dass ihre derzeitige Entlohnung | |
gerechtfertigt sei. „Die meisten sind promovierte Wissenschaftler, die seit | |
Jahren historische Forschungs- und Vermittlungsarbeit leisten“, sagt eine | |
Mitarbeiterin, „aber das interessiert die Behörde anscheinend wenig, sie | |
fordert stattdessen die Vorlage von Jahrzehnte zurückliegenden | |
Magisterabschlüssen als Qualifikationsnachweis, ansonsten drohe auch hier | |
Rückstufung. – Das ist doch so, als werde einem Handwerksmeister die | |
Anerkennung verweigert, wenn er nicht seinen alten Gesellenbrief vorzeigen | |
kann.“ | |
Erst vor wenigen Tagen sei den meisten Wissenschaftlern mitgeteilt worden, | |
man akzeptiere nunmehr ihren tarifrechtlichen Status. „Aber das Gefühl der | |
Geringschätzung unserer Arbeit durch das BKM bleibt“, sagt eine | |
Historikerin, die aus Sorge vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen anonym | |
bleiben möchte. | |
## Klage gegen das BKM | |
Zu all diesen Vorgängen erklärte das BKM auf Anfrage, es werde „keine | |
weiteren presseöffentlichen Auskünfte erteilen“ – man bemühe sich aber in | |
Einzelgesprächen um „tarifgerechte Einstufung und Bezahlung bei Vermeidung | |
individueller Härten“. | |
An den zu Jahresbeginn ausgesprochenen Rückstufungen hält das BKM trotz | |
Widerspruchs und einer gegen das Verfahren eingereichten Klage aber | |
offenbar fest. Mitte Februar hatte das BKM die Personalverwaltung des | |
Museums schriftlich aufgefordert, die Rückstufungen „unverzüglich | |
umzusetzen“ – innerhalb von zwei Monaten sei darüber Bericht zu erstatten. | |
Diese zwei Monate sind nun verstrichen. | |
Seitdem warten die betroffenen Museumsmitarbeiter mit eher gemischten | |
Gefühlen auf die monatliche Gehaltsabrechnung. Die Mischung aus | |
befürchteten finanziellen Einbußen und dem Gefühl der Geringschätzung | |
wissenschaftlicher Arbeit ist brisant. Nicht wenige im Deutschen | |
Historischen Museum befürchten, dass jenseits wohltönender Reden ihr Haus | |
in eine Mauerblümchenrolle dirigiert werde: „Wenn in drei Jahren das | |
Kulturforum in die prunkvolle Kulisse des rekonstruierten Stadtschlosses | |
einzieht, dann fristet das DHM vielleicht nur noch ein politisch gewolltes | |
Schattendasein“, sagt ein Wissenschaftler, der angesichts dieser | |
Perspektive jetzt nach einem anderen Arbeitsplatz Ausschau hält. | |
Manche Museumshistoriker haben Sorge, dass ihr Haus vor allem | |
leichtverdauliche „Events“ veranstalten solle und klassische | |
Museumsaufgaben wie Sammlungstätigkeit und wissenschaftliche Forschung | |
zurückgefahren werden. | |
Die zukünftige inhaltliche Ausrichtung des Deutschen Historischen Museums, | |
so erklärt das BKM, werde der neue Museumsdirektor setzen. Aus Sicht der | |
Aufsichtsbehörde würden klassische museale Aufgaben aber schon dazugehören. | |
Raphael Gross ist seit Mitte April im Amt, er lernt in diesen Tagen das | |
Haus und die Mitarbeiter kennen. In ersten öffentlichen Äußerungen | |
unterstreicht auch er die Bedeutung der Sammlungs- und Forschungsarbeit, an | |
der er offenbar festhalten will. | |
Ob es ihm gelingt, die Rückstufungsproblematik, über deren Umfang er bei | |
den Vertragsverhandlungen nur sehr rudimentär informiert worden war, im | |
Sinne seiner Mitarbeiter zu lösen, ist ungewiss. Jedenfalls wird er einiges | |
zu tun haben, um die innere Befriedung des Hauses herzustellen, die die | |
Kulturstaatsministerin von ihm erwartet. | |
7 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Hans Jessen | |
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Monika Grütters | |
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