# taz.de -- Ausstellungsempfehlungen für Berlin: Malerei von unten | |
> Tipps der Woche: Farbkontakt meets Trägerstoff mit Evan Nesbit in der | |
> Galerie Weiss Berlin und mit Nick Dawes bei 68projects. | |
Bild: Evan Nesbit, „Post Hope“ (Detail), 2017, Acrylic and dye on burlap, 1… | |
Im Englischen bedeutet „pressure“ Druck, aber auch Dringlichkeit. Folgt man | |
dieser Spur, so spricht aus [1][Evan Nesbits] neuer Werkgruppe, die er | |
während seiner Residenz bei [2][weiss berlin] gestaltet hat, die | |
Nachdrücklichkeit einer abstrakten Farbfeldmalerei, die ohne den Umweg | |
eines Pinsels den direkten Kontakt zwischen Farbe und Leinwand sucht. | |
Als Träger dient Nesbit unbehandelte oder in Färbemittel getauchte Jute, | |
durch die sich Acrylfarbe und Tusche autonome Wege an die Oberfläche | |
bahnen. Wie sehr die Farbe von unten durch die Leinwand dringt, hängt von | |
ihrer Konsistenz, insbesondere aber von der Intensität ab, mit der Nesbit | |
die Jute auf die Farbe presst, die er auf glattem Untergrund oder über | |
Kanten und Ecken verteilt. | |
Die Arbeit „Post Hope“ lässt minimalistische schwarz-weiße Formationen | |
zwischen den orange strahlenden Pigmenten hervortreten. Wie die Gemälde am | |
Ende aussehen, kann Nesbit nur über die Rückseite des Sackleinen erahnen, | |
das er an einigen Stellen vorbehandelt, so dass die Farbe in mehreren | |
Durchläufen immer andere Wege geht, gestoppt wird und umgeleitet zu | |
Stellen, an denen sie sich durch die Netzstruktur nach Außen befreien kann. | |
Das Hervortreten der Farbe aus dem Bild findet seinen haptischen Spiegel in | |
den Nähten, mit denen Nesbit seine Leinwandstücke zusammenhält, | |
insbesondere aber im Ziehen und Zerren des Stoffs nach allen Seiten. Diese | |
Oberflächenspannung überträgt sich im Moment des Betrachtens unmittelbar | |
und: nachdrücklich. | |
## Farbpräsenzen aus freiem Guss | |
Ebenfalls in der Horizontalen, allerdings mittels großzügig auslaufender | |
Ölfarbe auf rohe Leinwand gegossen, wachsen Nick DawesFarbsäulen nun an den | |
Wänden bei [3][68projects] empor. „Präsenzen“ trifft die Wirkkraft dieser | |
wesenhaften Flächen am besten, die von satten Blautönen bis zu hauchdünnem | |
Grün reichen. Jede Gruppe begleitet ein schwarzes Element – schmaler als | |
die anderen Stehlen oder aber die gesamte Bildmitte einnehmend. | |
Das Schwarz hält die Komposition zusammen und lässt dort, wo es ins | |
Anthrazit übergeht, die darunter liegenden Schichten durchscheinen. Vor | |
allem die großformatigen, gut zwei mal drei Meter großen Werke sind von | |
einer Serenität, die Dawes meditativer Arbeitsweise entspricht. Vier bis | |
sechs Arbeiten in dieser Dimension fertigt Dawes pro Jahr an. Jede Schicht, | |
jede Abstimmung der Farbdichte ist mit Ruhe gegossen und intuitiv | |
kombiniert. | |
Lynda Benglis Geste des freien Ausschüttens deutet sich an. Was bei ihr aus | |
dichtem Latex resultiert, ist bei Dawes eine Bewahrung von Öl, das einem | |
selten so zart begegnet. Diese delikaten Schichten, die teils nur noch | |
einen Hauch von Farbe in sich tragen, wagen wir es, sie Aura zu nennen. | |
Vielleicht ja im Sinne von Benjamins Umzirkung, in die jedes Ding – oder | |
eben Wesen – eingesenkt ist. | |
Diese Texte erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz. | |
22 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://evannesbit.com/ | |
[2] http://weissberlin.com/ | |
[3] http://68projects.com/category/exhibitions-current/ | |
## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
## TAGS | |
Kunst Berlin | |
Abstrakte Malerei | |
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