Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Zurück am Boden
> Mats Hummels spielt auf dem Hosenboden rutschend dem einschussbereiten
> Gegner den Ball von Fuß. Die Grätsche feiert ein Comeback. Gut so!
Bild: Für einen Verteidiger ist eine Grätsche wie ein Tor, sagt Mats Hummels
Am Ende könnte es eine Grätsche gewesen sein, die die deutsche
Fußballmeisterschaft des Jahres 2017 entschieden hat. Mats Hummels'
Rettungstat nach langem Anlauf gegen Frankfurts Stürmer Branimir Hrgota in
der 19. Spielminute war die gefeierte Szene bei dem Spiel, das die Münchner
am Ende mit 3:0 gewannen.
Manuel Neuer, der von Hrogta schon umspielt war, riss seine beiden
Reklamierarme hoch, wie er es sonst nur tut, wenn auf der
gegenüberliegenden Seite ein Bayern-Angreifer ein Tor erzielt. Mats Hummels
meinte nach dem Spiel: „Für einen Verteidiger ist so etwas wie ein Tor.“ Es
wurde das Hohelied auf die Grätsche angestimmt. Der deutsche Fußball ist
wieder da angekommen, wo er herkommt, auf dem Hosenboden.
Die Grätsche war ein wenig in Verruf gekommen in den vergangenen Jahren. Zu
oft wurde diese defensive Grundaktion mit Blut assoziiert. Bundestrainer
Joachim Löw hat sogar einmal so etwas wie ein Grätschenverbot verordnet.
„Unsere Spieler müssen auf den Beinen blieben“, sagte er vor der
Weltmeisterschaft 2010 und erhob das „Ablaufen“ zur Verteidigungsmaxime.
Auch die Regelauslegung, die die Fifa ihren Schiedsrichtern an die Hand
gibt, hat viel dazu beigetragen, dass die Grätsche aus der Mode gekommen
ist. Wenn ein verteidigender Spieler mit „überzogener Härte“ Richtung
Gegenspieler schlittert, soll der Schiedsrichter pfeifen, auch wenn bei der
Aktion der Ball gespielt wird. Nein, sie hat es wahrlich nicht leicht, die
Grätsche in Zeiten der Fußballmoderne.
## Ende des Grätschen-Bashings
Dabei ist das Slide Tackling eine der spektakulärsten Aktionen, die das
schöne Spiel zu bieten hat. Hätte Deutschland die Franzosen im Halbfinale
der EM 2016 besiegt, die irre Grätsche von Benedikt Höwedes gegen Stürmer
Olivier Giroud in der ersten Halbzeit des Spiels hätte gewiss einen eigenen
Schaukasten im Fußballmuseum des DFB in Dortmund bekommen. Und im deutschen
Fußballgedächtnis wäre für Höwedes ein Platz neben den Filigrangrätschern
Karl-Heinz Förster, Jürgen Kohler und Hans-Peter Briegel freigeräumt
worden.
Die Art und Weise, wie Mats Hummels für seine eingerutschte Rettungstat am
Samstag gefeiert wurde, könnte das Ende des Zeitalters des
Grätschen-Bashings einläuten. Werden jetzt endlich wieder die Abräumer und
Terrier gefeiert? Kann es endlich wieder derjenige in die Kicker-Elf des
Spieltags schaffen, dessen Hosen bei Schlusspfiff die meisten Rasen- und
Erdspuren aufweist?
Was waren das noch für Zeiten, als sich Amateure tiefe Wunden ins Gesäß
gegrätscht haben! Sie waren Helden. Im Langenscheidt-Wörterbuch
„Fußballerisch – Deutsch“ von 2016 kann man nachlesen, dass es dafür ei…
das Wort Pizza-Grätsche gab. Wenn die schmerzhaften
Oberschenkel-Schürfwunden nach einer mutigen Hartplatzgrätsche verkrustet
seien, sähen sie aus wie Pizza, heißt es in dem Standardwerk von Bruno
„Günna“ Knust.
„Man darf sehr wohl auch grätschen.“ Beinahe verschämt kommt diese Äuße…
von Ex-Nationalverteidiger Per Mertesacker daher, die er gemacht hat, als
alle Welt die Ablauf-Apologeten gefeiert hat. Ja, man darf grätschen! Und
liebe Verteidiger, steht dazu! Die Liebe Fußballdeutschlands ist euch
gewiss.
12 Mar 2017
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Fußball
Mats Hummels
Eintracht Frankfurt
Fußball
Thomas Tuchel
Carlo Ancelotti
Kapitän
Deutscher Meister
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nichtöffentliches Training im Fußball: Zugucken unerwünscht
Profiklubs schotten sich in ihren Trainingseinheiten zunehmend ab. Damit
verärgern sie Zaungäste, die ihre Elf unter der Woche observieren wollen.
Thomas Tuchel bei Borussia Dortmund: Die falsche Mannschaft
Der BVB hinkt den eigenen Ansprüchen hinterher. Auch weil der unerfahrene
Spielerkader vom ungeduldigen Trainer überfordert wird.
FC Bayern nicht mehr Tabellenführer: Wankende Machtordnung
Beim 0:1 in Dortmund bekommt der FC Bayern abermals seine Hilflosigkeit
vorgeführt. Beim Rekordmeister fehlt der Zusammenhalt.
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft: Von hier an ohne Leitwolf
Wer soll neuer Kapitän der Fußball-Nationalelf werden? Die verbleibenden
Spieler sind recht austauschbar – und das ist gut für den Bundestrainer.
Saisonstart in der Fußball-Bundesliga: Der FC Bayern grüßt die Liga
Pinke Leiberl, Rochade auf den Trainerbänken, Herbst im Januar, Brause aus
Ostdeutschland, ein Refugee als Rechtsaußen. Doch der Meister kommt eh aus
München.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.