# taz.de -- Gegenfestival zur Berlinale: Das ist ein ziemlicher Trip | |
> Berlinale ausverkauft? Nicht weinen. Vielleicht klappt es ja mit dem | |
> guten Programm des Gegenfestivals „Woche der Kritik“, Kinoschätze zu | |
> sehen. | |
Bild: Die Figuren in Mike Otts „California Dreams“ sind den Versuchungen de… | |
Vielleicht könnte man sagen, die „Woche der Kritik“, das ist ein Festival | |
im Festival. Möglicherweise ist sie sogar ein kleines Gegenfestival, das | |
sich, vom Verband der deutschen Filmkritik vor drei Jahren gegründet, zwar | |
im Windschatten der großen Berlinale bewegt, dabei aber doch seinen ganz | |
eigenen Weg verfolgt und unter der Leitung von Frédéric Jaeger vieles | |
anders macht. | |
So versteht sich die „Woche“ nicht nur als Filmprogramm, sondern auch als | |
Hort der Diskussion. Es soll debattiert werden nach den Filmen, die vom 9. | |
bis 19. Februar im Hackesche Höfe Kino zu sehen sind, am liebsten | |
kontrovers. Denn auch darum geht es beim Film – um das Gespräch danach. | |
Worüber, das lässt sich anhand der Stichworte ahnen, mit denen das | |
Filmprogramm versehen ist. | |
Am Sonntag, den 12. 2, lautet dieses „Unfertig/Unfinished“, und zu sehen | |
ist die Weltpremiere von Mike Otts „California Dreams“. Wer Ott kennt, | |
weiß, dass alle seine Filme im Antelope Valley spielen, einer seltsamen | |
und ungastlichen Wüstenregion, eine Stunde nördlich von Los Angeles. Hier | |
findet Ott den Stoff für seine Filme und vor allem auch seine Schauspieler, | |
die zwar keine sind, aber immerhin vorhaben, es zu werden. | |
## Immer ein Versprechen | |
„California Dreams“ ist ein Film über das Kino und seine Verführungsküns… | |
über die Versprechen, die es macht, sowohl vor als auch hinter der Kamera. | |
Otts desert weirdos sind vom Kino infiziert. In den Castings, die Ott für | |
„California Dreams“ aufbereitet hat, wird das deutlich: Da erzählt einer, | |
wie er nach Forrest Gump forschte, als er den gleichnamigen Film von Robert | |
Zemeckis das erste Mal sah. Als sich dann herausstellte, dass der Mann | |
reine Fiktion ist, verstand er die Wirkmacht des Kinos. | |
„California Dreams“ selbst hat auch einen Star, sein Name ist Corey | |
Zacharia. Er hat bereits in einigen Filmen von Ott mitgespielt, und man | |
könnte ihn als die größte Entdeckung des Regisseurs bezeichnen. Zacharia | |
spielt und er spielt nicht, weswegen er auch stets seinen Namen behält: | |
Corey. Er ist einer, der irgendwie unfertig ist, der weder einen Job noch | |
ein eigenes Heim hat, dabei aber doch recht vollständig für das steht, was | |
er ist. Allein wegen Corey Zacharia lohnt eine Auseinandersetzung mit Mike | |
Ott. | |
Das Kino als Referenzpunkt gebraucht auch „Green White Green“ von Abba T. | |
Makama. Da geht es immer wieder um Nollywood, Nigerias Antwort auf | |
Hollywood, und die disparate Geschichte des Landes. Ein burlesker Film, in | |
dem verschiedene (Pop-)Kulturen miteinander verschmelzen. | |
## Porno, romantisch | |
Klar und unklar verortet ist ebenfalls „Aroused by Gymnopedies“ des | |
japanischen Indie-Regisseurs Isao Yukisada, eine Art Lobgesang auf die | |
Roman Pornos („Roman“ für „Romantic“) des japanischen Filmstudios Nikk… | |
der 70er und 80er Jahre. Itsuji Itao spielt einen kommerziell erfolglosen | |
Regisseur, dessen Frau im Koma liegt. Ein depressiver Mann, dem dennoch | |
alle möglichen jungen Frauen verfallen sind: Studentinnen, | |
Schauspielerinnen und sogar die Nachbarin. Eine an sich schmierige Sache, | |
die, man mag es kaum glauben, von Yukisada auf wundersame Weise | |
melodramatisert wird. | |
Dabei ist das Low-Budget-Projekt ebenso ein eindrückliches Beispiel für | |
das, was trotz Geldmangel mit der nötigen Raffinesse gelingen kann: | |
„Aroused by Gymnopedies“ ist ein Film der Interieurs und Winkel, der | |
Beleuchtung und der kleinen Klavierstücke. Hat man ein Problem mit Erik | |
Satie, dann vielleicht auch mit diesem Film. „Ausbruch/Breakout“ lautet der | |
Themenvorschlag für das anschließende Gespräch, unter anderem mit Sängerin | |
Peaches. | |
Schweben, schleichen, sich wiederholt ins Dunkel verkriechen, das sind die | |
Reflexe von „The Human Surge“ des Argentiniers Eduardo Williams, der die | |
„Woche der Kritik“ heute eröffnet. Szenen und Orte gleiten hier so elegant | |
ineinander, dass man kaum merkt, welch riesige Distanzen zurückgelegt | |
werden. Von Argentinien über Mosambik und die Philippinen gelangt man über | |
Computerbildschirme und Höhlen, Jugendzimmer und Gewässer. Das ist ein | |
ziemlicher Trip. Einer, den sich genauso die „Woche der Kritik“ vorgenommen | |
hat. | |
8 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Carolin Weidner | |
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