# taz.de -- Schulz über Schulz: Schulz ist ein sehr guter Name | |
> Der neue SPD-Kanzlerkandidat heißt Schulz. Was bedeutet das? Und wie kann | |
> man mit diesem Namen leben? | |
## Namentliches Kastenwesen | |
Warum gibt es eigentlich so wenige Promis, die Schulz heißen? Muss ja nicht | |
gleich Politiker sein, Filmstar würde schon reichen. Oder Wissenschaftler. | |
Oder Sportler. Aber nein: Zwar wird dem Nachnamen Schulz absolute | |
Massentauglichkeit nachgesagt. Aber unter den oberen Zehntausend scheint | |
das nicht angekommen zu sein. | |
Wer mit diesem Namen aufwächst und großen Träumen nicht abgeneigt ist, muss | |
sich mit diesem Dilemma auseinandersetzen. Handelt es sich vielleicht um | |
einen Fall bewusster sozialer Diskriminierung? Das dtv Brockhaus-Lexikon | |
vermeldet über den dem Namen zugrunde liegenden Begriff: „Der Schulze war | |
eine Art Dorfpolizist, der dem Stand der Bauern angehörte und auch von | |
ihnen selbst gewählt wurde. Er überwachte die Arbeit der Bauern, sammelte | |
die Steuern für den Grundherrn ein, und meldete ihm jegliche | |
Gesetzesübertretung auf seinen Lehen.“ Kann einer, der dem Namen nach | |
Polizist ist, also nicht mehr werden als ein Bauer oder Polizist? Existiert | |
gar ein Kastenwesen im deutschsprachigen Raum? | |
Tatsächlich gibt es dafür Belege. Wer seit vergangener Woche auf die Frage, | |
wie der eigene Nachname denn geschrieben werde, antwortet: „Wie der | |
SPD-Spitzenkandidat“, erntet meist ein nicht nur leises Lachen. Heißt | |
hingegen jemand Schiller und verweist bei derselben Frage auf den auch | |
nicht unbekannten Dichter, traut sich das niemand. | |
Hoffen wir, dass es just daran liegt, dass Martin Schulz Spitzenkandidat | |
einer Partei ist, bei der man sich bisweilen fragt, mit welchem Recht sie | |
sich überhaupt das Recht herausnimmt, überhaupt einen Spitzenkandidaten | |
aufzustellen. | |
Und hoffen wir, dass der Spitzenkandidat der Anfang vom Ende dieser | |
Diskriminierung ist. Schließlich war Schulz selbst lange Dorfschulze, | |
ehrenamtlich, in einem Kaff namens Würselen. Wie man das schreibt? Ja, | |
genau. BERT SCHULZ | |
## Am deutschesten | |
Schulz! Schulz! Schulzschulz! Schulz. Schulz! Schulzschulzschulz! | |
Mein Telefon qualmt zurzeit mächtig. Der Kater, auch Schulz, kann nicht | |
mehr. Endlich nimmt er doch noch ab (das konstruierte Plastikteil, | |
diskursiv-elektrisches Eklektikum): „Hallo, hier Schulz vom Melitta-Kurier, | |
was sagen Sie zu …“ „… Schulz? Dasselbe wie gestern. Und Sie?“ „Sch… | |
Schulzschulz …“ „… auch Schulz, ja, hallo hier Schulz, Schulz, halloho … | |
„… Schulz, ja, hierher, drüben, Schuhulz, genau, Schulz, ja, schreibt sich | |
so wie …“ „… Schulz. Schulz! Schulz?“ Unendliche Verdopplungen. | |
Schulz, Scholz, Schultz, Schulze, Scholtz – die Varianten nur | |
Belichtungsfehler. Der einzig einsilbig selbe Schulz: Da hinten schwebt er; | |
mit fünfundzwanzigeinhalb der Umzug nach Stadtallendorf, vierzig Jahre | |
Vollzeit, Fachdienst Marmeladeprüfung; die Rente ist sicher, im | |
Kleiderschrank cremefarbene Jacken, in der Tasche Kamm und Einweckgummi. | |
Fit noch bis ins hohe Alter, Mimik leicht verkrampft – ein Körper | |
gewordenes „u“. Schifferhose, Schiebermütze, Schulzenpose: Nostalgie, das | |
Pathos des komplettvergilbten Zuckerwürfels. | |
„Sch“ und „ulz“, vereint und doch gespalten, gleich lang und doch | |
unspiegelbar (deutsche Teilung). So sexy wie Kamillentee und heißes Wasser. | |
„Sch“, das klingt wie „Scheibe“, „Schweiße“, „Scheiße“. (Die … | |
der autoritären Charaktere! Abgründe! „U“ wie Urin! „Schulz“, rülpst… | |
und hält den Daumen an die Stirn.) „Ulz“ schreibt sich wie | |
Henstedt-Ulzburg, das ist eine Kleinstadt in Norddeutschland. Von da aus | |
sind sie losgezogen, in die verschiedenen Kriege, haben gehasst, hier so | |
wie auch überall, haben verfolgt, haben gemordet, haben geleugnet, haben | |
verdrängt. | |
Schulz gilt als deutscher, deutschester Name, und das verrät schon, wie | |
rassistisch „wir“ noch sind. Nicht umsonst steckt „Schuld“ in ihm. Die … | |
nicht vergehen, auch wenn das manche gerne hätten. Bin ich stolz, ein | |
Schulz zu sein? ADRIAN SCHULZ | |
## Fällt immer nach unten | |
Es ist hart, ein Schulz zu sein, besonders am Ende. Unsere Eltern haben | |
alles versucht, es vorher ein wenig perlen zu lassen, vielleicht nicht wie | |
Champagner, aber doch zumindest wie der teure Sekt bei Edeka, zwei-, | |
vielleicht sogar dreisilbig: Martin, Golda, Adrian. Sie haben ihr Bestes | |
gegeben, unsere Mütter und Väter, nur um dann mitanhören zu müssen, wie | |
alles Leichte und Prickelnde in jenem Abgrund verschwindet, dem einsilbigen | |
Urlaut, dank des in die untersten Katakomben des Rachenraumes plumpsenden | |
„u“ einem Rülpsen gleich: Schulz. | |
„Schulz!“, das grunzen sie, wo es billiges Dosenbier gibt. Kurz bevor sie | |
die Plörre hinunterstürzen. Schulz kommt von Schultheiß, das waren Männer | |
mit Macht im Mittelalter, das ist aber auch der Name eines Berliner | |
Eckkneipengesöffs. Wenn auf einem Musikfestival zwischen vollgekacktem | |
Dixieklo und halb zertretenem Igluzelt „Helgaaaaaaaaaaaaaaa“ gerufen wird, | |
dann hat das zwar etwas Herbes, aber Hoffnungsvolles, „Helga“ verkörpert | |
die Freude am Sinnbefreiten, einen Moment des Schwerelosen, des | |
unschuldigen Glaubens, die Welt könne ein Ort des Lachens und des Spielens | |
sein. „Schulz!“ hingegen ist das Gegenteil dessen, es ist das Aus nach acht | |
Sternburg, Oettinger oder Pilsator, die Erkenntnis, dass auch nach dem | |
wildesten Tanz nichts kommt als Montagmorgen, Kopfschmerz und die | |
Fortsetzung dessen, was vorher war. | |
Müller steht einfach nur in der Gegend herum, Lehmann versucht sich in die | |
Lüfte zu erheben, wie ein Schwarm sommerdicker Enten auf dem Weg nach | |
Süden. Vielleicht kommen sie an Weber oder Peters vorbei, zwei Wölkchen am | |
Nachnamenhimmelszelt, aber sicher nicht an Schulz, denn Schulz fällt immer | |
nach unten. | |
Schulz kennt die sieben Höllen und die Finsternis darunter. Wir, die wir | |
den Namen Schulz tragen, streben daher nach Höherem, nach dem Guten und | |
Schönen, nach dem Licht, und wir nehmen auf diesem Weg alles mit. Wir essen | |
nicht, wir fressen, wir trinken nicht, wir saufen, wir reden nicht, wir | |
erzählen, wir schreiben nicht, wir versuchen zu dichten, wir haben Frauen | |
und Männer so lange und so viel wir können, denn auch wenn wir nicht viel | |
wissen, so wissen wir doch eines: Dass am Ende alles Schulz ist. DANIEL | |
SCHULZ | |
## Einfach untergehen | |
Martin Schulz ist ein sehr guter Name. Martin gehörte das gesamte 20. | |
Jahrhundert über zu den beliebtesten Vornamen für männliche Neugeborene, | |
Schulz steht auf der Rangliste der häufigsten Nachnamen Deutschlands auf | |
Platz neun. Beides für sich genommen, kann den Namensträgern schon enorme | |
Vorteile einbringen, die Kombination aus beidem potenziert den Nutzen | |
zusätzlich. Da Tobias Schulze in dieser Hinsicht in einer Liga mit Martin | |
Schulz spielt, spreche ich aus Erfahrung. | |
Ein Tobias Schulze ging zum Beispiel eine Stufe unter mir auf dasselbe | |
Gymnasium wie ich. Ich wusste nicht viel über ihn, außer, dass er im | |
Gegensatz zu mir ein hervorragender Fußballspieler war. Auf der | |
Lokalsportseite des Südkuriers stand also jeden Montag, ich hätte am | |
Wochenende mal wieder drei Tore geschossen. So viel Ruhm für so wenig | |
Leistung habe ich seitdem nie wieder eingefahren. | |
Ein anderer Tobias Schulze sitzt seit letztem Herbst für die Linkspartei im | |
Berliner Abgeordnetenhaus, zuvor arbeitete er in einem Bundestagsbüro. Er | |
ist in seiner Partei gut vernetzt, was für meinen Job sehr hilfreich ist. | |
Einmal bekam ich eine SMS von einer unbekannter Nummer: „Lieber Tobias“, | |
schrieb eine Katja, „was hältst du von den Plänen für den 20. 6.?“ Ich | |
wusste von keinen Plänen, aber so einfach wie damals bin ich selten an die | |
Handynummer einer Parteivorsitzenden gekommen. | |
Im Internet gibt es dann noch eine Reihe weiterer Tobias Schulzes. Den | |
Schauspielcoach, den Kaminbauer und den Rechtsanwalt zum Beispiel. Auch | |
ihnen bin ich dankbar: Sollte ich einmal wider Erwarten einen richtig | |
schlechten Text schreiben, mit groben Fehlern, Unterlassungserklärung und | |
Gegendarstellung, wird mir das nicht lange nachhängen. Auf Google würde | |
diese Angelegenheit nämlich unter den übrigem 541.000 „Tobias | |
Schulze“-Treffern untergehen. | |
Und damit kann sich auch Martin Schulz trösten: Selbst wenn er die SPD im | |
September unter 20 Prozent führt, wird sein Name nicht ewig mit der | |
Wahlschlappe verbunden sein. Irgendwann kommt sicher ein anderer Martin | |
Schulz, ein Sänger oder ein Astronaut vielleicht, und verdrängt ihn von | |
Seite eins der Suchergebnisse. TOBIAS SCHULZE | |
1 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
Adrian Schulz | |
Bert Schulz | |
Tobias Schulze | |
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