# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Sierra Leone: Krieg, Krankheit, Perspektivlo… | |
> Sierra Leone liegt abseits der typischen Migrations- und Fluchtrouten. | |
> Jedoch hat das Land eine sehr große, gut ausgebildete Diaspora. | |
Bild: Während des Ebola-Ausbruchs 2014 beerdigen Helfer Opfer der Krankheit | |
Das kleine Sierra Leone mit seinen rund sechs Millionen Einwohnern machte | |
2014 Schlagzeilen mit dem Ausbruch des tödlichen Ebola-Virus, durch den | |
mindestens 3956 Menschen starben. In diesen Monaten ist eine Entwicklung, | |
die seit Jahrzehnten zu beobachten ist und mit der das Land seit | |
Jahrzehnten zu kämpfen hat, besonders deutlich geworden: der massive | |
Braindrain. In Sierra Leone, so schätzte im November 2015 ein Arzt im | |
persönlichen Gespräch, soll es weniger Mediziner mit sierra-leonischem Pass | |
geben als etwa in den USA. Genannt wurde eine Zahl von unter 200. | |
Begonnen hat diese Entwicklung während des Bürgerkriegs von 1991 bis 2002, | |
durch den mehr als zwei Millionen Menschen das Land verlassen haben, | |
darunter zahlreiche Akademiker. Im Jahr 2000 sollen 52,5 Prozent der | |
Staatsbürger mit Hochschulbildung im Ausland gelebt haben. Durch die | |
schlechte Infrastruktur und das fehlende Wirtschaftswachstum, das mit | |
niedrigen Löhnen einhergeht, ist es anschließend nicht gelungen, die | |
Emigranten zurückzuholen. Ein Großteil der Sierra-Leoner, die in die | |
Nachbarländer geflüchtet sind, sind mittlerweile aber wieder zurückgekehrt. | |
Für die Wirtschaft des Landes sind Emigranten, die etwa in den USA und | |
Großbritannien leben, jedoch von zentraler Bedeutung, haben ihre | |
Rücküberweisungen im Jahr 2009 verschiedenen Schätzungen zufolge zwischen | |
zwölf und 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgemacht. | |
Durch den Ebola-Ausbruch sowie die Folgen dürfte die Migration in Richtung | |
Norden komplizierter und gleichzeitig attraktiver geworden sein: | |
Fluggesellschaften stellten ab Mitte 2014 ihre Verbindungen in die | |
Hauptstadt Freetown weitgehend ein. Durch den ökonomischen | |
Komplettzusammenbruch konnten Familien außerdem nicht wie sonst üblich Geld | |
für die Fahrt in Richtung Europa zusammenlegen. Diese Entwicklung dürfte | |
Abwanderung gleichzeitig attraktiver als je zuvor machen, da das BIP im | |
Jahr 2015 um 21,1 Prozent gesunken ist und sich nur langsam erholen wird. | |
## Neue Projekte | |
Ein Jahr vor dem Ende des Bürgerkrieges lag die Zahl der Asylanträge 2001 | |
bei knapp 14.000. Im Jahr 2015 haben 1262 Sierra Leoner einen Antrag | |
gestellt, die Aufnahmequote lag bei 18,5 Prozent. Nach Deutschland kamen | |
293 Asylsuchende; danach folgten Italien und Ungarn. Rückführungsabkommen | |
gibt es bisher weder mit Einzelstaaten noch mit der Europäischen Union. | |
Auch gehört das Land nicht zu jenen, die Gelder aus dem | |
EU-Nothilfe-Treuhandfond für Afrika beziehen sollen. Allerdings können | |
Sierra Leoner an dem Reintegrationsprogram REAG teilnehmen. Sie gehören zur | |
zweiten Gruppe und erhalten bei Rückführung 300 Euro. Im zehnten | |
Entwicklungshilfefond der EU waren bis 2013 rund 266 Millionen Euro für das | |
Land vorgesehen. Auch im elften soll in drei Hauptbereiche – gute | |
Regierungsführung, Unterstützung von staatlichen Einrichtungen sowie | |
Schaffung von Basis-Infrastruktur – investiert werden. | |
Eigene Gesetze und Strategien zu Flucht und Migration werden erst seit dem | |
Valletta-Gipfel im November 2015 und somit wohl auf Druck der EU | |
diskutiert. So fand im April 2016 im Rahmen des ECOWAS-Projektes „Support | |
to Free Movement of Persons and Migration in West Africa“ (FMM West Africa) | |
ein Workshop zu Arbeitsmigration statt. | |
Migration und Grenzsicherung sind seit 2014 vor allem in Verbindung mit dem | |
Ebola-Ausbruch, weniger aber mit der Weiterreise nach Nordafrika und Europa | |
in Verbindung gebracht worden. So gibt es beispielsweise ein Projekt mit | |
dem Titel „Gesundheit, Grenzen- und Mobilitätsmanagement“ der | |
Internationalen Organisation für Migration (IOM). Ziel ist es, | |
Ansteckungsgefahren aufgrund von Reisemobilität einzudämmen. | |
Unkontrollierte und nicht kontrollierbare Grenzen galten als ein Grund, | |
weshalb sich die Epidemie so massiv in drei Ländern ausgebreitet hat. | |
Gleichzeitig sind Grenzübertritte Normalität gewesen, etwa um im | |
Nachbarland zu arbeiten oder einzukaufen, was stets gängige Praxis war. | |
12 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
## TAGS | |
migControl | |
Sierra Leone | |
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