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# taz.de -- Die Wahrheit: Die DDR-Bürger
> Es gibt immer mehr radikale Außenseiter, gerade im Osten. Dort ist jetzt
> noch eine krude Bewegung am Rande der Gesellschaft entstanden.
Bild: Unterm Bild des wachen Willi Stoph schlafen die DDR-Bürger am liebsten
Eine Bewegung mit kruden Ansichten findet im Osten Deutschlands immer mehr
Anhänger. Sie lehnen die Bundesrepublik Deutschland ab und leben in den
Grenzen von 1989. Wie gefährlich sind die sogenannten DDR-Bürger?
Ronny Schultze ist 45 Jahre alt. Auf seinem rechten Oberarm hat er sich den
Kopf Wilhelm Piecks tätowieren lassen, auf dem linken prangt Pittiplatsch.
Er hat sich mit rund einem Dutzend seiner Mitstreiter einen
heruntergewirtschafteten Vierseitenhof in Sachsen-Anhalt gekauft. Hier im
„Bezirk Magdeburg“ leben sie nach den Gesetzen der Deutschen Demokratischen
Republik ohne internationale Devisen, aber mit viel Zeit für Sex.
Wer in diesen Mikrokosmos Einlass begehrt, muss zunächst 20 Euro in Mark
der DDR zum Kurs von 1:1 umtauschen und wird daraufhin von einem
unfreundlichen Mitglied der Grenztruppen hereingewinkt. Im Inneren
angekommen, werden wir von Schultze, dem selbst ernannten „Vorsitzenden der
Staatlichen Plankommission zur Wahrung der Rechte auf dem Gebiet der DDR“,
so sein ellenlanger Titel, empfangen. Stolz zeigt er auf einen großen
Braunkohleberg und sagt: „Das wird euch Westlern nicht passen, aber unsere
Energievorräte reichen noch für mehrere Winter.“
Zwei Jungpioniere rennen im Hof auf und ab. Sie haben vom allgegenwärtigen
Asbest Krebs im Endstadium des Kapitalismus und sind auf der Suche nach
Papierresten, die sie für den eigens eingerichteten Altstoffhof sammeln.
Es ist eine Solidaritätsaktion zugunsten der unterdrückten Arbeiterkinder
in den imperialistischen Ländern. Aber nach mehreren Arbeitseinsätzen ist
Altpapier mittlerweile rar geworden in der neuen DDR. Es kommt zu
Handgreiflichkeiten über ein Papierschnippselchen zugunsten der
fettleibigen Prekariatskinder im Ruhrgebiet. „Das ist ein Vorfall, der beim
nächsten Fahnenappell gerügt werden wird“, wiegelt Schultze sofort ab.
Der Vierseitenhofratsvorsitzende seufzt und sagt: „Natürlich ist das Leben
hier beschwerlich, aber es geht nun mal um unser sozialistisches Vaterland.
Da müssen wir auch einige Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen. Manchmal gibt
es keine Bananen, dafür bewahren wir uns unsere Würde, die wir bei unseren
FKK-Aktivitäten dann sofort wieder verlieren.“
## Ungültiger Einigungsvertrag
Für Schultze ist das beschwerliche Dasein auf dem Hof aber immer noch
besser als das Leben mit einer Lüge. Ungültig sei der Einigungsvertrag
nämlich, weil Günther Krause bei dessen Unterzeichnung wie stets
sternhagelvoll gewesen sei, und um die Zustimmung Erich Honeckers habe man
sich nicht einmal bemüht. „So kann ein so wichtiger Vertrag doch nicht
gelten“, schreit er jetzt voller Wut.
Natürlich findet auch Schultze nicht alles schlecht an der „BRD GmbH“, die
er zum „DDR VEB“ umbauen möchte. Den MDR zum Beispiel hält er für einen
hervorragenden Fernsehsender, den er bei einer Machtübernahme genau so
belassen will, wie er ist. Nur die Berichterstattung des Mitteldeutschen
Rundfunks dürfe selbst in der Diktatur des Proletariats etwas kritischer
werden. Aber das Deutsche Fernsehballett, das möchte er als Verräter an der
gemeinsamen Sache standrechtlich erschießen lassen. Das sei schließlich
nicht verboten. Jedenfalls dann nicht, wenn die Volkskammer zustimmt.
26 Oct 2016
## AUTOREN
Andreas Koristka
## TAGS
DDR
Reichsbürger
Schwerpunkt Ostdeutschland
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