| # taz.de -- Bob Dylan und der Sport: Take Me Out to the Ball Game! | |
| > Literaturnobelpreisträger Bob Dylan beschäftigt sich viel mit Sport. Er | |
| > geht zum Baseball und betreibt ein Boxgym, wo er auch selbst kämpft. | |
| Bild: Interessierter Zuschauer: Bob Dylan auf den Rängen in einer Boxarena | |
| Zusammen mit Michael Schumacher hat Bob Dylan im Jahr 2007 schon einmal | |
| etwas Ähnliches wie den Nobelpreis erhalten: den Prinz-von-Asturien-Preis, | |
| den das spanische Königshaus alljährlich auslobt. Der ist etwas niedriger | |
| dotiert als die berühmte Konkurrenz aus Skandinavien und entsprechend nicht | |
| ganz so renommiert. Aber hier wird an den Sport gedacht. | |
| Das tut auch Bob Dylan. Im Werk des frisch Nobilitierten ist der Sport | |
| präsenter, als den jüngsten Würdigungen zu entnehmen war. Nicht nur dass | |
| Dylan selbst boxt und in Los Angeles ein privates und nichtöffentliches Gym | |
| betreibt, wo etwa Will Smith trainiert und wo His Bobness schon mal gegen | |
| Quentin Tarantino antritt – „es war ein guter Punch“, kommentierte der | |
| Regisseur eine Niederlage gegen Dylan. | |
| Auch ein Baseballfan ist der Nobelpreisträger: „Catfish“ ist etwa ein Song, | |
| der von Jim „Catfish“ Hunter handelt, dem „million-dollar-man“ des | |
| Baseballs: „Nobody can throw the ball like Catfish can.“ | |
| Und in seinem Radioprogramm „Theme Time Radio Hour“, in dem Dylan die | |
| Americana vorstellt, als deren Teil er jetzt vom Nobelpreiskomitee | |
| gewürdigt wurde, trug er einmal das grandiose „Take Me Out to the Ballgame“ | |
| vor – ein über 100 Jahre altes Lied über die amerikanischste aller | |
| Sportarten: „Let me root, root, root for the home team / If they don’t win | |
| it’s a shame / For it’s one, two, three strikes / You’re out at the old | |
| ballgame.“ Auch Songs wie Buddy Johnsons „Did You See Jackie Robinson Hit | |
| That Ball“ oder Les Browns „Joltin Joe DiMaggio“ wurden präsentiert. | |
| ## Dylan legt sich nicht fest | |
| In einem Interview mit dem Rolling Stone wurde Dylan nach seinem | |
| Lieblingsklub in der Major League Baseball gefragt. „Das Problem mit dem | |
| Baseballteams ist“, antwortete er, „dass die Spieler immer gehandelt | |
| werden. Wenn du ein Team favorisiert hast, weil du ein paar Spieler dieser | |
| Mannschaft wirklich gemocht hast, dann sind die nicht mehr dabei. Und du | |
| kannst möglicherweise das nicht mehr als dein Lieblingsteam bezeichnen.“ | |
| Dylan legt sich nicht fest. Das charakterisiert den Sportfan Dylan wie auch | |
| den (vermeintlich) politischen Sänger Dylan. Der Künstler hat stets – und | |
| nicht immer sehr geschickt – sämtliche Vereinnahmungsversuche abgelehnt: | |
| von sozialen Bewegungen, von amerikanischen Präsidentschaftskandidaten, von | |
| Parteien. In seiner Autobiografie „Chronicles I“ schreibt Dylan über einen | |
| Boxkampf zwischen Jerry Quarry und Jimmy Ellis. Dylan wollte zwischen dem | |
| schwarzen Ellis und dem als „White Hope“ gehandelten Quarry nicht Partei | |
| ergreifen. | |
| „Für mich gab es manche Parallele zwischen unserer Situation und unserer | |
| Reaktion darauf“, schreibt er: „Ich identifizierte mich sowohl mit Ellis | |
| als auch mit Quarry.“ Denn er sah, dass Quarry gegen seinen Willen zu einem | |
| Repräsentanten des weißen Amerika aufgebaut wurde. Auch Dylan wollte sich | |
| „nicht damit abfinden, dass ich ein Emblem, ein Symbol oder ein Wortführer | |
| sein sollte“. | |
| Das wollte Dylan nicht einmal dann, wenn er sich sehr bewusst für einen | |
| Sportler politisch engagierte. Etwa 1975 für Rubin „Hurricane“ Carter, | |
| einen Profiboxer, der zu Unrecht von einer rassistischen Justiz wegen | |
| Mordes verurteilt worden war. Gemeinsam mit Muhammad Ali stellte er eine | |
| Bewegung zur Freilassung Carters auf die Beine. Sein Song gab der Kampagne | |
| die Stimme: „Here comes the story of the Hurricane“ heißt es über den Man… | |
| der ins Gefängnis geworfen wurde, „but one time he could-a been / The | |
| champion of the world“. | |
| ## Dylans Kampf für Hurricane Carter | |
| Bei den Konzerten der „Rolling Thunder Revue“, die Dylan 1975 quer durch | |
| Amerika führte, stand sein Engagement für Carters Freilassung im | |
| Mittelpunkt. Muhammad Ali trat dort auch manchmal auf, doch er machte | |
| „krumme Sachen“, wie sich Sam Shepherd erinnert, der die Tour begleitete: | |
| Ali holte etwa einen weißen Politiker auf die Bühne und stellte ihn als den | |
| „nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten“ vor. Dylan mochte das nich… | |
| Er wollte für Hurricane Carter kämpfen, nicht für Politiker, die sich an | |
| die Kampagne ranhängten. | |
| Bob Dylans Verständnis von Baseball und Boxen entspricht sehr genau seinem | |
| Verständnis seiner Musik: Unabhängig müssen Sport und Kultur sein, sonst | |
| sind sie beschädigt. | |
| Gegen die Verleihung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan wurde | |
| vorgebracht, er sei ja primär Musiker, seine Lyrik würde weniger gelesen | |
| als vielmehr gehört. Dylan sind solche Einwände egal: Die Kunst ist es, die | |
| sich entfalten soll. Als im Jahr 1999 der Prinz-von-Asturien-Preis sowohl | |
| an Günter Grass als auch an Steffi Graf verliehen wurde, glaubte der | |
| spätere Literaturnobelpreisträger mitteilen zu müssen, er interessiere sich | |
| nicht so sehr für Tennis: Monoton fliege da immer nur der Ball hin und her. | |
| Bob Dylan hätte – vielleicht und hoffentlich – Grass die Antwort gegeben, | |
| die Steffi Graf leider nicht eingefallen war: dass das Lesen von Grass’ | |
| Büchern nur stupides Umblättern von Seiten darstelle, große Literatur, | |
| großer Sport und große Musik seien jedoch mehr. | |
| 15 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
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