# taz.de -- Digitale Währung im Selbstversuch: Mein erster Bitcoin | |
> Seit Jahren macht die digitale Währung Schlagzeilen. Unsere Autorin will | |
> nun auch mitspielen. Das Protokoll eines Bitcoin-Kaufs. | |
Bild: Bitcoin-Fabrik in Keflavik, Island | |
Ich will jetzt auch mal mitspielen. Ich will mir Bitcoin kaufen. Einen | |
Bruchteil zumindest. | |
Bitcoin, das ist diese komplett digitale Form von Geld. Eine Währung, die | |
Schlagzeilen macht, wenn jemand damit eine Waffe im Darknet bezahlt haben | |
soll. Oder Drogen. Wenn Erpressungstrojaner verkünden, nur gegen die | |
Zahlung von soundsoviel Bitcoin würde man die Inhalte auf dem heimischen | |
Rechner jemals wiedersehen. Oder wenn der Kurs mal wieder besonders gut | |
steht. | |
Bitcoin, das ist aber auch dieses große Experiment. Ein Währungssystem, das | |
so konstruiert ist, dass niemand dafür verantwortlich ist – und | |
gleichzeitig jeder. Keine Zentralbank, keine Regierung hält den Daumen | |
drauf, die Nutzer organisieren, kontrollieren sich selbst, abgesichert | |
durch ausgeklügelte kryptografische Verfahren, die ein Mann 2008 beschrieb, | |
der sich Satoshi Nakamoto nannte und dessen Identität bis heute nicht | |
geklärt ist. Bitcoin, das ist der Test eines Traums von einer Welt ohne | |
Hierarchie. | |
Was aber andererseits bedeutet: Hier Geld zu bekommen, zu verwalten und zu | |
transferieren, erfordert noch mehr Wissen als bei einer herkömmlichen Bank. | |
Wer Bedienungsfehler macht, Codes verliert, der kann sich nirgendwo | |
hinwenden, um sich Geld erstatten zu lassen. | |
Gute Gründe, mich erst einmal schlauzumachen, wie das System Bitcoin | |
funktioniert. Ich pflüge mich durch das breite Angebot von Anleitungen und | |
Einführungen. Einiges wird schnell klar. Doch versucht man auch nur etwas | |
genauer zu verstehen, was für Prozesse und Verfahren ablaufen, wird es | |
schnell kompliziert. | |
## Erst Wallets, dann Bitcoin | |
Das Hauptproblem: Ohne anständige Sicherung sind Bitcoin Mist. Ich | |
durchwühle Foren, werde verunsichert und fange vorsichtshalber nochmal bei | |
Null an. Säße ich in einer Bank und der Berater würde fragen, wie | |
risikobereit ich so bin, ginge die Antwort wohl eher so Richtung | |
Bausparvertrag. Doch bequem bin ich halt auch. Und so pendle ich mich | |
irgendwo in der Mitte zwischen beidem ein. | |
Bevor ich den ersten Bitcoin erstehe, soll ich Wallets anlegen, lese ich: | |
digitale Geldbörsen. Wallets verwalten die privaten Schlüssel der Adressen, | |
auf denen ihre Bitcoins gespeichert sind. Nichts verstanden? Macht nichts. | |
Die meisten Wallets haben Oberflächen, die stark ans Onlinebanking | |
erinnern. Tatsächlich nutzt man Wallets vor allem zum Senden von Bitcoins. | |
Sie sichern den privaten Schlüssel und sind nötig, um Transaktionen zu | |
signieren – das heißt, um zu beweisen, dass man den jeweiligen Bitcoin, den | |
man ausgeben will, überhaupt besitzt. | |
Um meine Verwirrung zu maximieren, lege ich gleich drei Wallets an: eine | |
auf meinem Desktop, eine online und eine auf meinem Smartphone. | |
Bislang dachte ich, dass jeder, der im Bitcoin-System mitspielen will, eine | |
inzwischen etwa 75 Gigabyte große Datei herunterladen muss: die Blockchain. | |
Das ist eine Art digitales Kassenbuch, auf der jede Transaktion, die jemals | |
mit Bitcoin getätigt wurde, vermerkt ist. Indem abertausende Kopien dieser | |
Blockchain im Umlauf sind, die ständig aktualisiert werden, soll | |
sichergestellt werden, dass Bitcoins nicht mehrfach ausgegeben werden oder | |
Transaktionen nachträglich manipuliert werden können. In den Grundzügen | |
stimmt das zwar, allerdings muss längst nicht mehr jeder einzelne Nutzer | |
die gesamte Blockchain auf den Rechner schaufeln: Viele Desktop-Wallets | |
speichern nur einen Teil der Blockchain. | |
Eine Dreiviertelstunde später bin ich umringt von Zetteln, Notizbüchern und | |
USB-Sticks. Supersichere Passwörter und Passworthinweise, unzählige | |
Bestätigungscodes habe ich eingetippt und sogar Zettel ausgedruckt, auf | |
denen Passphrasen notiert sind. Bloß gut wegpacken: Verbasle ich alle | |
Zugriffsmöglichkeiten auf eine Wallet, dann komme ich an die Bitcoins dort | |
auch nicht mehr ran. | |
## Erstmal nackig machen | |
Bitcoin kaufen ist in Deutschland nicht ganz unkompliziert. In Hannover | |
soll es einen Bitcoin-Automaten geben – zu weit weg. Ich könnte online nach | |
jemandem suchen, der mir bei einem persönlichen Treffen Bargeld gegen | |
Bitcoins tauscht. Entscheide mich dann aber doch für die digitale Variante: | |
bitcoin.de, den größten Marktplatz für Bitcoins in Deutschland. | |
Wer sich wie ich vorstellt, dass Bitcoin eine eher anonyme Angelegenheit | |
ist, ist noch nie mit bitcoin.de in Kontakt getreten. Denn da muss man sich | |
gleich nach der Erstanmeldung richtig nackig machen: Echte Adresse, echtes | |
Geburtsdatum, Geburtsort, daran führt kein Weg vorbei. Denn um tatsächlich | |
über das Portal Bitcoins kaufen zu dürfen, gleicht bitcoin.de meine Angaben | |
mit denen auf meinem Girokonto ab. | |
Um mich zu identifizieren, muss ich erst einmal 9,90 Euro an bitcoin.de | |
überweisen – als Gebühr für das anschließende Ident-Verfahren. Weil es er… | |
weitergeht, wenn bitcoin.de das bestätigt – und das ziemlich dauert, | |
entscheide ich mich spontan für ein Videoident-Verfahren. Ich bin unsicher, | |
ob dem Dienstleister, der das abwickelt, zu trauen ist, weiß aber ob der | |
Deadline dieses Textes, dass mir keine andere Wahl bleibt, als diesem | |
bleichen Mann im Anzug per Videochat meinen Personalausweis zu zeigen. | |
Kurze Zeit später darf ich endlich auf bitcoin.de kaufen und verkaufen. | |
Am Vormittag darauf lese ich ein bisschen quer, worauf ich bei der Auswahl | |
meines ersten Bitcoin-Verkäufers achten sollte, und beobachte, wie der Kurs | |
klettert. Darum wähle ich einfach einen mit okayem Kurs, vielen Verkäufen, | |
positiven Bewertungen und vollständiger Authentifizierung. Soll ich | |
wirklich? Den? Uaah, ich mach das jetzt einfach: 0,1 Bitcoin für 57 Euro | |
irgendwas. „Jetzt kaufen“. | |
## Zettel mit Recovery-Passphrasen | |
Per Mail wird mir mitgeteilt, wohin ich das Geld überweisen muss. Eine | |
Stunde habe ich Zeit, dann muss ich es auf bitcoin.de als bezahlt | |
markieren, sonst wird die Transaktion ungültig. 30 Minuten später hat nicht | |
nur der Verkäufer den Zahlungseingang bestätigt, mein Bruchstückchen | |
Bitcoin ist mir auch schon gutgeschrieben. Was daran liegt, dass hier gar | |
nichts über die öffentliche Bitcoin-Blockchain abgewickelt wurde, wie ich | |
bei der Pressestelle von bitcoin.de erfahre: Mein Einkauf sei einfach nur | |
eine schnöde Verschiebung auf der Datenbank von bitcoin.de gewesen. Erst | |
ein Transfer auf eine meiner Wallets würde auf der Blockchain verzeichnet. | |
Ach ja, die Wallets. Binnen all der Tage, die der | |
bitcoin.de-Authentifizierungsklimbim gedauert hat, haben sich all die | |
Zettel, USB-Sticks und Notizbücher, in denen ich die Zugriffsdaten für | |
meine Bitcoinwallets so dezentralisiert habe, in alle Himmelsrichtungen | |
verteilt. Hektisch krame ich nach Zetteln mit Recovery-Passphrasen drauf, | |
um zumindest eines der Konten schnell wiederherzustellen. Und überweise | |
umgehend 0,05 Bitcoin darauf. Weniger geht nicht. | |
Für den Transfer brauche ich den öffentlichen Schlüssel meines | |
Empfängerkontos – ein 33-stelliges Zahlenungetüm –, ein Passwort und muss | |
den zu überweisenden Betrag eingeben. Keine Stunde später sind meiner | |
Onlinewallet 0,05 Bitcoin gutgeschrieben. | |
Ich bin überrascht – hatte ich mich doch auf eine wesentlich längere | |
Wartezeit eingestellt, bis die Transaktion durch ist. Mitunter würde es | |
nicht Stunden, sondern Tage dauern, bis ein Bitcoin von einer Wallet auf | |
die andere transferiert ist. | |
Was zum einen daran liegen kann, dass zu viele Transaktionen aufgelaufen | |
sind und erst langsam abgearbeitet werden. Oder aber daran, dass man | |
niedrige oder gar keine Transaktionsgebühren bezahlt hat – und die Miner | |
den Vorgang darum erst besonders zögerlich anfassen. | |
## Boom sieht anders aus | |
Und jetzt? Endlich konsumfähig, fühle ich mich kurz euphorisch. Dann fällt | |
mir auf, dass ich weder ein neues Laptop noch Drogen aus dem Darknet | |
brauche, geschweige denn für 0,05 BTC bekommen würde. Der Versuch, mit | |
Bitcoins mein Mittagessen zu bezahlen, scheitert: Von den drei | |
Bitcoin-akzeptierenden Restaurants in einer Straße hat eines dichtgemacht, | |
ein anderes ist auf Hostel umgesattelt und das dritte öffnet erst abends. | |
Boom sieht irgendwie anders aus. | |
Heimlich bin ich ganz froh darüber. Denn eigentlich wollte ich mit meinen | |
Bitcoins von Anfang an etwas ganz anderes anstellen. Ich lege eine | |
sogenannte Paperwallet an. Die absolut sicherste Variante, Bitcoins zu | |
verwahren: aufgeschrieben auf einem Stück Papier. Ich lasse mir von einem | |
Anbieter einen privaten und einen öffentlichen Schlüssel generieren, die | |
ich ausdrucke. Transferiere das gesamte Guthaben meiner bisherigen Wallet | |
durch eine Auszahlung an die Adresse des öffentlichen Schlüssels. Stecke | |
den Zettel in einen Briefumschlag, klebe ihn zu und packe ihn gut weg. Er | |
soll ein Geschenk sein. | |
In 15 Jahren, wenn der Briefumschlag geöffnet wird, ist er entweder eine | |
Niete – weil es die Onlinewährung Bitcoin dann nicht mehr gibt. Oder die | |
Zeit hat einen kleinen Jackpot daraus gemacht, weil der Wert eines Bitcoins | |
vielleicht auf über 10.000 Dollar gestiegen ist. | |
2 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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