# taz.de -- Bericht des Club of Rome: Gummi gerissen, 80.000 futsch | |
> Im Bericht des Club of Rome schlagen die Autoren Prämien zur | |
> Nachwuchsreduzierung vor. Das ist Unsinn – aber sie haben noch mehr zu | |
> bieten. | |
Bild: Für weniger Wachtum brauchen wir weniger Menschen. Also mehr Kondome, ri… | |
Sie und er also im Bett, beide nackt, es geht um Sex. Sagt sie: „Bitte nimm | |
einen Gummi. Nein, besser zwei. Denk an die 80.000. Wir dürfen nichts | |
riskieren.“ | |
Ein sehr hypothetischer Satz. Aber man sieht schon, die praktische | |
Umsetzung des neuen Vorschlags des Club of Rome zur Rettung der Welt könnte | |
zu einer alltäglichen Herausforderung werden. Jorgen Randers und Graeme | |
Maxton haben den Bericht verfasst, „Ein Prozent ist genug. Mit wenig | |
Wachstum soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel bekämpfen“ | |
heißt er und wurde gerade in Berlin vorgestellt. Darin schlagen der | |
norwegische Zukunftsforscher und der britische Ökonom unter anderem vor, | |
dass jede Frau, die bis zu ihrem 50. Lebensjahr höchstens ein Kind bekommt, | |
eine Prämie von 80.000 Euro erhalten sollte. | |
Der Bonus wäre „eine Wertschätzung derer, die dazu beitragen, dass die | |
Menschheit verantwortungsvoller mit der Erde umgeht“, schreiben die | |
Autoren. Die Logik dahinter: Wenn der Mensch in seiner Konsumsucht den | |
Planeten zugrunde richtet, dann muss es entweder weniger Menschen oder | |
weniger Konsum geben. Also schaffen wir doch einen Anreiz für weniger | |
Menschen. | |
Nun ist der Club of Rome bei all seinen Verdiensten keine heilige Kuh und | |
deshalb vorneweg: Der Vorschlag ist Schwachsinn. | |
## Kinderlose haben schon mehr Geld | |
Das fängt bei einer schlichten Feststellung an: Kinderlose haben, gerade in | |
reichen Ländern, ohnehin einen gravierenden finanziellen Vorteil gegenüber | |
denen, die Kinder haben. Da braucht es keinen Anreiz mehr. Familien | |
benötigen mehr Wohnraum, gerade bei Frauen bleibt die Karriere oft auf der | |
Strecke – und die sollen jetzt auch noch für den Drittwagen der | |
Nachwuchsabstinenzler zahlen? | |
Vielleicht sollte man auch mal ausrechnen, ob kinderlose mit ihren drei | |
Tauchurlauben auf den Malediven jährlich nicht so viel Klimagase in die | |
Luft ballern wie die drei Zwerge von nebenan in ihrem ganzen Leben nicht | |
mehr. | |
Man könnte jetzt auch die schwierige praktische Umsetzung solcher Prämien | |
debattieren oder die Frage, wie hoch die künftige Kastrationsprämie für | |
Männer ausfallen sollte. | |
Aber gut, natürlich steht hinter dem Vorschlag ein hilfloser Versuch, ein | |
moralisches Dilemma zu lösen: Wenn sich unsere Spezies ungebremst | |
ausbreitet und damit ihre eigenen Lebensgrundlagen zerstört, macht es dann | |
nicht Sinn, freiwillige Anreize für weniger Menschen zu schaffen? Besonders | |
in den reichen Ländern, wo die Kinder, sind sie groß, womöglich noch mehr | |
CO2 erzeugen als ihre Eltern? Nein, es macht keinen Sinn. | |
## CO2-Ausstoß über allem | |
Weil dahinter der Gedanke steckt, den CO2-Ausstoß eines Menschen zum über | |
allem stehenden ethischen Maßstab politischen Handelns zu stellen. Nach der | |
Logik könnte man auch Flüchtlingen die Einreise nach Europa verweigern, | |
weil sie hier mehr konsumieren und so das Klima belasten. | |
Vor allem aber, und das ist das Entscheidende, haben die vergangenen Jahre | |
gezeigt, dass die Geburtenraten überall dort zurückgehen, wo Frauen Bildung | |
und Rechte genießen, wo patriarchale Strukturen erodieren, wo Menschen | |
genug materielle Sicherheit und vernünftige Jobs haben. Man muss nicht in | |
das elementar Menschliche eingreifen und Prämien gegen Kinder zahlen. | |
Zur Ehrenrettung der Autoren – Jorgen Randers war bereits Koautor des | |
berühmten Berichts „Grenzen des Wachstums“ – muss man sagen: Mit all die… | |
Thematiken beschäftigen sie sich in ihrem Buch. Es ist ein Manifest gegen | |
den Wachstumswahn, für eine bessere Verteilung dessen, was dem Menschen | |
ohne Raubbau an der Natur bleibt. Und für ein Neudenken unserer | |
Gesellschaften, wenn in den kommenden Jahren Roboter die Arbeitsplätze der | |
Mittelschichten in den reichen Ländern vernichten. | |
Aber egal, was daraus folgt: Wer die Freiheit des Menschen, über seinen | |
Nachwuchs zu entscheiden – und sei es über den Umweg der Umverteilung –, | |
gegen das Ökologische in Stellung bringt, der verhindert vernünftige | |
Debatten. „Club of Rome spricht sich gegen Kinder aus“, polemisierte dann | |
auch die FAZ. | |
14 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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