# taz.de -- Privatstrände in Italien: Eintrittsgeld für den Strand | |
> Im Meer schwimmen kann in Italien teuer werden. Denn ein großer Teil der | |
> Strände ist nur gegen eine Gebühr zugänglich. | |
Bild: Mit Grenzmarkierungen eingeteilter Strand in Italien | |
Es ist jedes Jahr dasselbe in Italien: Zu Beginn der Saison, also im Juni, | |
jagen schwitzende Fernsehreporter über die Strände und befragen Badegäste. | |
Ob die Preise für Sonnenschirm und Liegestuhl schon wieder gestiegen seien | |
und wie sie das fänden. Die Badenden ärgern sich vor der Kamera, dass sie | |
15 Euro löhnen müssen – und das nur für einen Tag am Strand, der eigentlich | |
öffentlicher Grund und Boden ist. | |
Dann stellt sich ein braungebrannter Verbandsvertreter der Badebranche ins | |
Bild und erklärt, warum man die Preise nicht senken könne. Schließlich | |
würden Pächter, Bademeister, Kioskbetreiber und Restaurantpersonal nur ein | |
paar Monate im Jahr arbeiten und alles in allem hingen an dem Umsatz der | |
Saison immerhin 300.000 Arbeitsplätze. Außerdem würden sie Duschen und Klos | |
zur Verfügung stellen und die Strände sauber halten, was ja sonst wohl | |
niemand tun würde. | |
Damit ist alles gesagt und das Thema gestorben – bis zum nächsten Jahr im | |
Juni, wenn das Spiel wieder von vorne beginnt. | |
Doch jetzt hat die EU dem italienischen Badebusiness, das seit Jahrzehnten | |
in den Händen der immer selben Privatunternehmer liegt, einen Strich durch | |
die Rechnung gemacht. Eine Richtlinie von 2006 sieht vor, dass die Pacht | |
der Strandabschnitte zeitlich begrenzt und vom italienischen Staat | |
europaweit ausgeschrieben werden muss. | |
Der Europäische Gerichtshof entschied jetzt, dass auch Italien ab sofort | |
diese Regeln einhalten muss. Für Umweltschützer ist dies eine längst | |
überfällige Entscheidung: „Hoffentlich bedeutet dies das Ende der | |
unendlichen Pachtverlängerung und der erste Schritt hin zu einem freien | |
Zugang zu den Stränden“, so Edoardo Zanchini, Vize-Präsident des | |
Umweltschutzverbandes Legambiente. | |
## Carabinieri sorgen für freien Zugang | |
Denn an vielen Strandabschnitten ist der Zugang zum Meer zugebaut und nur | |
erreichbar, wenn man Eintritt bezahlt – wie am Lido di Ostia, dem sechs | |
Kilometer langen Stadtstrand der Römer. Hier ist alles lückenlos | |
zubetoniert mit Bars, Schwimmbädern, Restaurants, Sonnenterrassen und | |
Mauern. Auch wer einfach nur eine Runde schwimmen möchte, wird zur Kasse | |
gebeten. „Ich sollte drei Euro bezahlen, nur um ans Meer zu kommen. Dabei | |
ist das mein Recht als Bürger“, erzählt der Römer Andrea Ferri. Deshalb hat | |
er die Carabinieri gerufen, die ihn zum Wasser begleiteten, ohne | |
Eintrittskarte. Aber die meisten Badegäste sind nicht so couragiert und | |
bezahlen. | |
Dabei hat Italien mit seiner mehr als 7.000 km langen Küste in Europa die | |
meisten Badestrände zu bieten. Während aber in Frankreich nur rund 20 | |
Prozent privat verpachtet werden dürfen, ist das Verhältnis in Italien | |
genau umgekehrt. Deshalb fordern Zanchini und die Legambiente, dass | |
mindestens 50 Prozent der Strände frei zugängig sein sollten, das heißt | |
ohne Eintritt und den Zwang, sich Liege und Sonnenschirm zu mieten. Sie | |
kritisieren Vetternwirtschaft und politischen Filz bei der Pachtvergabe. | |
Kein Wunder, denn es geht um ein lukratives Geschäft. Die Badeanlagen, die | |
sogenannten Stabilimenti, erwirtschaften jährlich einen Umsatz von zwei | |
Milliarden Euro. | |
In exklusiven Badeorten wie Porto Cervo auf Sardinien kann ein Tag am Meer | |
bis zu 250 Euro kosten. Mietet man sich im weniger exklusiven, dafür aber | |
immer überfüllten Ostia eine Strandkabine mit Sonnenliegen und sonstigem | |
Komfort, muss man dafür monatlich bis zu 3.000 Euro hinblättern. Nach einem | |
Bericht des italienischen Fernsehmagazins „Report“ zahlen einige Pächter | |
einen Apfel und ein Ei an den Staat und vermieten unter der Hand weiter – | |
für astronomische Summen, versteht sich. | |
Es geht aber auch anders. Dafür gibt es in Italien und selbst in Ostia gute | |
Beispiele. Verlässt man das Getümmel am Lido Richtung Torvaianica, erreicht | |
man nach wenigen Auto- oder Fahrradminuten die Dünenlandschaft von | |
Capocotta, wo die Strandabschnitte von der Stadt Rom zur Nutzung an Private | |
und Genossenschaften vergeben werden, die allerdings einen freien Zugang | |
zum Meer garantieren müssen. | |
## Eine Genossenschaft kümmert sich um den Strand | |
Die Mediterranea ist eine dieser Genossenschaften. Sie verwaltet seit dem | |
Jahr 2000 einen Strandabschnitt, der vorher mit Zement verbaut war. Mit | |
Hilfe der Legambiente haben ihre Mitglieder den ursprünglichen Zustand der | |
unter Naturschutz stehenden Dünenlandschaft wiederhergestellt. In der | |
Sommersaison kann man Liege und Schirme mieten – muss man aber nicht. Es | |
gibt eine Bar und warme Küche, Duschen und Klos, einen Kinderspielplatz und | |
Kanus zum Mieten. Außerhalb der Saison werden Exkursionen in den Dünen | |
angeboten. | |
„Wir haben das alles selbst und mit unseren eigenen Ressourcen aufgebaut“, | |
erklärt Claudio Presutti, der Vorsitzender der Genossenschaftschaft ist und | |
eines der Mitglieder, die von der Aktivität des Stabilimento leben. Aber | |
letztendlich gab es auch für die Mediterranea nie gültige Regeln, obwohl | |
die Genossenschaft darauf von Anfang an gepocht hat. „Das hätte uns mehr | |
Sicherheit gegeben“, sagt Presutti. | |
Jetzt ist der Vertrag seit 2015 abgelaufen, aber Presutti und sein Team | |
machen weiter, weil es einfach keine neue Regelung gibt. In diesem Frühjahr | |
wurde ihr Holzhaus im Zuge einer Antimafia-Aktion in Ostia und im Lido | |
beschlagnahmt und ihnen das Fehlen einer Restaurantlizenz vorgeworfen. | |
„Es ist ein Witz, dass wir und die anderen, die das Naturschutzgebiet | |
erhalten, damit über einen Kamm geschert werden“, so Presutti. Wenn nichts | |
geschieht, müssen Mediterranea und die anderen vier Genossenschaften des | |
Capocotta im Oktober schließen. Deshalb haben sie jetzt ein Konsortium | |
gegründet und Claudio Presutti zu ihrem Sprecher gemacht. Auch die | |
römischen Badegäste protestieren gegen das Vorgehen der Stadt. „Wenn ihr | |
uns Capocotta nehmt, dann nehmt ihr uns auch Rom“, heißt es auf einem Blog. | |
Stammgästin Cecilia Pasi hingegen liebt den Sonnenuntergang. Für sie ist | |
klar: „Wenn es die Leute von der Mediterranea nicht gäbe, säßen wir hier | |
zwischen Müll und Zement.“ | |
18 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Michaela Namuth | |
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