Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Badekulturen: Meer geht nicht
> Während ein Sprung ins kalte Wasser in Deutschland knappe 3 Euro kostet,
> legt man dafür im Libanon schon mal 30 Dollar hin. Freibad hier,
> Privatstrand dort. Zwei Länder, zwei Konzepte, eine verwirrte Deutsche
Bild: Gemütlich: VIP-Liegen am VIP-Pool
Ich wohne direkt an der Mittelmeerküste. Das Beste am Am-Mittelmeer-Wohnen
ist, dass man diesen Satz sagen und die Reaktionen genießen kann. Leider
beruht der deutsche Neid auf der deutschen Unwissenheit: Die libanesische
Mittelmeerküste ist nicht so wie die spanische Riviera und auch nicht wie
Korsika oder Sardinien. Rein theoretisch könnte sie viel toller sein: keine
Hotelketten, keine Touristenhorden, kein Clubschiff im Hafen. Rein
theoretisch. Praktisch ist sie wieder ganz anders, wobei dabei drei
Möglichkeiten zu unterscheiden sind: Entweder der Strand ist zu steil, zu
steinig und überhaupt nicht zugänglich. Oder er ist weder steil noch
steinig, sondern mit Autos bequem erreichbar. In diesem Fall ist er dann
aber kein Strand, sondern eine Müllhalde. Die dritte Möglichkeit heißt
Privatstrand und ist so in etwa das Pendant zum deutschen Freibad -
zumindest insofern, dass man hingeht, wenn es heiß ist, und dass es dort
Wasser gibt, in das man springen kann. Das war’s dann mit den
Gemeinsamkeiten.
Während man in Deutschland fünf Runden auf dem Freibadparkplatz dreht,
bevor man im letzten Eck und in praller Sonne eine Lücke findet, bremst man
im Libanon einen Meter vor der Kasse scharf ab, steigt aus - und wirft den
Autoschlüssel einem schon wartenden Boy mit blauem Hütchen zu. Während man
sich in Deutschland schweißtropfend mit Strohmappe unterm Arm, Badetuch
über der Schulter, Nivea-Sonnenmilch und Picknickausrüstung in den Händen
gen Eingang schiebt, sucht der Boy im Libanon nach einem schattigen Platz
für dein Auto, während du nur noch überlegen musst, ob du einfach nur
"adult" oder doch lieber "VIP" bist. Wer sich für "adult" entscheidet,
zahlt rund 20 Dollar. VIPs zahlen 40, haben dafür aber Zugang zum
VIP-Swimmingpool, zu den VIP-Strandliegen und der VIP-Poolbar. Gewöhnliche
Erwachsene müssen sich mit den drei, vier anderen Pools, weniger fluffigen
Strandliegen und nur einer Champagnerbar begnügen. Vorausgesetzt, sie
kommen rein.
Während Deutschlands Freibadkassierer vor nichts zurückschrecken und selbst
Leute mit Socken in den Sandalen reinlassen, wird an der libanesischen
Privatstrandkasse rigoros ausgesiebt: möglichst sexy, möglichst schick,
möglichst weiblich. Zwei Männer ohne Frauenbegleitung haben keine Chance,
es sei denn, sie können per Handyanruf beweisen, dass ihre Freundinnen
drinnen warten. Wahrscheinlich jedoch werden die wartenden Freundinnen von
dem Anruf nichts hören, denn innen dröhnt die Partymusik. Inmitten der
Strandliegen und Swimmingpools und Palmwedel steht ein DJ, dessen Aufgabe
es ist, für kalifornisch-coole Atmosphäre zu sorgen: extatisch tanzende
Jugendliche, ohrenbetäubende Musik, sündhaft teure Cocktails.
Um die Mittagszeit stimmt der DJ das Publikum mit Softrock und
Latinorhythmen ein, ab zwei Uhr nachmittags folgen Technobeats. Der DJ ist
schlecht, aber die Soundqualität ist noch schlechter. So schlecht, dass man
als Deutsche darauf wartet, dass sich jemand beschweren geht. Vergeblich.
Die anderen beschweren sich nicht, sie wippen mit den Füßen. Die Deutsche
stopft sich Klopapier in die Ohren und versucht beim Schwimmen lange
unterzutauchen.
Zum Schwimmen sind libanesische Swimmingpools ideal. Die Pools sind riesig,
das Wasser ist nicht gechlort, und vor allem: keiner schwimmt. Man steht
entweder lässig an der Bar mitten im Pool, oder man beobachtet vom
Beckenrand aus Angehörige des anderen Geschlechts. Allerhöchstens schwimmt
man zwei, drei Meter zu einem Bekannten, der am Beckenrand ein bisschen
weiter oben seinen Cocktail schlürft. Während man also im deutschen Freibad
von wettkampferprobten Sportschwimmern von der Bahn gedrängt wird,
gleichzeitig aber nicht nach rechts ausweichen kann, weil dort eine Oma mit
Bademütze cholerisch auf jeden Spritzer reagiert, kann man am libanesischen
Privatstrand endlich all das machen, wovon man immer geträumt hat: Fünf
Minuten Rückenschwimmen ohne sich umzudrehen, toter Mann spielen und
treiben lassen, spritzen und planschen so viel man will.
Die belustigten Blicke vom Beckenrand sollte man dabei ignorieren:
Lächerlich gemacht hat man sich ohnehin schon durch die nicht ganz
seidenglatten Beine, die wasserlösliche Wimperntusche, den Billigbikini.
Aufs Bahnen-Schwimmen kommt es nicht mehr an.
Libanesinnen sind nicht nur naturgemäß lieblich anzusehen, sondern wissen
ihre Schönheit auch am Strand ins richtige Sonnenlicht zu rücken: Jede hat
ein kleines Täschchen mit Make-up, Puder und Lippenstift neben sich auf der
Strandliege und ölt sich auf derselben liegend - das linke Bein
ausgestreckt, das rechte Bein angezogen - alle fünf Minuten von oben bis
unten ein. (Falls das hier ein bisschen herablassend klingen sollte, dann
nur deshalb, weil ich in Wirklichkeit vor Neid erblasse.)
Ab drei Uhr nachmittags wird die Musiklautstärke für deutsche Ohren
unerträglich. Während Deutschlands Freibadbesucher auf der Liegewiese
einiges für Meeresrauschen im Hintergrund gäben, wird dies am libanesischen
Privatstrand gekonnt überschallt. Wer braucht schon Meeresrauschen, wenn
das ganze Land am Meer liegt? Die Deutsche flüchtet also in die
Felsengrotte im Swimmingpool, hinter einen künstlichen Wasserfall, in der
Hoffnung, die Töne mögen leiser werden. Leider sind in der Grotte
knutschende Pärchen und sie fühlt sich unwohl. Sie bräuchte männliche
Begleitung, doch woher nehmen, wenn man kein Körperöl, stattdessen aber
stachlige Unterschenkel hat?
Also wieder raus aus der Grotte, zurück in den Pool, ein paar Kreise
schwimmen und versuchen, nicht an die Musik zu denken. In der Mitte des
Pools gibt es eine kleine Insel, und auf der Insel eine kleine runde
Plattform. Auf diese Plattform springt jeden Nachmittag eine junge Dame,
bekleidet mit einem glitzernden BH, einem Stringtanga und einem sehr
knappen Jeansrock. Dann schraubt sich die Plattform in die Höhe, etwa
anderthalb Meter, und die junge Dame beginnt zu tanzen. Sie wackelt mit dem
Hintern und dem Busen, wirft ihren Kopf nach links und rechts, lässt ihre
Lippen leicht geöffnet, streift ihre Hände von Zeit zu Zeit durch die rot
gefärbten Haare und wendet dem planschenden Publikum für die optimale Sicht
auf den Stringtanga meist den Rücken zu. Die Jungs an der Champagnerbar
johlen, die Musik ist so laut wie vorher.
Die Deutsche flüchtet aus dem Pool ans Meer, spaziert am Strand entlang bis
zur Absperrung. Ein hoher Holzzaun trennt den Privatstrand vom öffentlichen
Müllhaldenstrand nebenan. Sie geht am Zaun vorbei, läuft weiter, immer
weiter, so lange, bis die Technobeats verklingen.
Nach Sonnenuntergang baut der DJ seine Anlage ab, die geölten Mädels und
die johlenden Jungs verschwinden, lassen sich an der Kasse ihre
Autoschlüssel wiedergeben und brausen davon. Die Deutsche spitzt hinter dem
Holzzaun hervor, schnuppert, lauscht, und als sie sich ganz sicher ist,
springt sie jauchzend in den leeren Swimmingpool. Und während der letzte
Rest Wimperntusche die Wangen runter rinnt, schwimmt sie Bahnen und denkt
an Freibad. Freibad für 2,50 Euro.
12 Aug 2009
## AUTOREN
Stephanie Doetzer
## TAGS
Reiseland Italien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Privatstrände in Italien: Eintrittsgeld für den Strand
Im Meer schwimmen kann in Italien teuer werden. Denn ein großer Teil der
Strände ist nur gegen eine Gebühr zugänglich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.