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# taz.de -- Nachruf auf Henning Voscherau: Der Sozialdemonarch
> Hamburgs Ex-Bürgermeister Henning Voscherau ist tot. Er war ein kühl
> kalkulierender Politprofi mit ausgeprägter Leidenschaft für
> Sekundärtugenden
Bild: „Ich wünsche der Stadt viel Glück, sie wird es brauchen“: Henning V…
Henning Voscherau hatte ein Problem, und das hieß Henning Voscherau. Er
litt unter einem überhöhten Glauben an sich selbst. Und deshalb wurde der
zu napoleonischen Tendenzen neigende Sozialdemonarch im Laufe seiner
Regierungszeit als Hamburger Bürgermeister immer mehr zu einem
stadtstaatlichen Kleinfürsten.
Seine Karriere hatte der aus einer Schauspielersippe stammende Voscherau
kühl geplant. Nach fünf Jahren als SPD-Fraktionsvorsitzender in der
Bürgerschaft trat er 1987 aus Protest gegen die deeskalierende
Hafenstraßen-Politik von SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi zurück, zog
fortan von der Hinterbank seine Strippen und wurde ein Jahr später Erster
Bürgermeister. Die herzliche Abneigung, in der sich der adlige Herrenreiter
von Dohnanyi und der preußische Technokrat Voscherau zugetan waren, währte
bis zum Tode.
Henning Voscherau verkörperte nach seinem Selbstverständnis den Typus des
Hanseaten: korrekt, kühl, distanziert. Bis zur Arroganz lebte er
Sekundärtugenden aus, „Fleiß, Härte und Präzision“ waren seine Leitlini…
Was Voscherau nie verstand, war, dass er für das wahre hanseatische
Großbürgertum stets ein Emporkömmling blieb. Da halfen auch Jurastudium,
das Notariat an der Binnenalster und gelegentliches Hockeyspielen nicht.
Umso unleidlicher war er gegenüber den Grünen, mit denen er 1993 der Form
halber Sondierungsgespräche über eine Senatsbildung führte. Seine Maxime,
„keinen spielerischen Umgang mit den Grundfunktionen der Stadt“ zu dulden,
engte den Verhandlungsspielraum vorsätzlich arg ein: An der Kaikante lag
seine Demarkationslinie, Elbvertiefung und Hafenerweiterung standen nicht
zur Disposition, und als die Grünen sogar darüber Gesprächsbereitschaft
signalisierten, triezte er sie mit frauenfeindlichen Witzchen. Er bekam,
was er wollte: die Koalition mit der Statt-Partei, dem kleinbürgerlichen
Vorläufer von Schill und AfD.
Als sich 1997 andeutete, dass er keine genehme Option für das
Weiterregieren haben würde, versuchte Voscherau die Wähler mit einer
„Schmerzgrenze“ zu erpressen. Das ging schief, doch Schuld war ja nicht er,
sondern das undankbare Volk. Das drückte die SPD unter 37 Prozent, stimmte
die Statt-Partei aus der Bürgerschaft und die FDP nicht hinein. Voscherau
trat nach gut neun Jahren beleidigt zurück – mit den Worten: „Ich wünsche
der Stadt viel Glück, sie wird es brauchen.“
Doch nach kurzer Karenzzeit begann er durch die TV-Talkshows zu touren, bis
er einsehen musste, dass SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder ihn nicht zum
Bundesfinanzminister machen würde. Peinlich war Voscheraus Taktieren 2008,
als er wieder SPD-Bürgermeister-Kandidat werden wollte, aber nicht
verstehen konnte, dass niemand in der Partei ihn darum bat. Die monatelange
Hängepartei endete mit seinem Hinweis „niemand braucht auf mich zu warten“.
Das aber hatte auch niemand getan.
Und so wurde auch Henning Voscherau zu einem der großen, alten Männer, die
nicht verstehen konnten, dass die Zeit über sie hinwegging. In der Nacht zu
Mittwoch verstarb der 75-Jährige zu Hause in Wellingsbüttel.
24 Aug 2016
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Gerhard Schröder
Hamburg
Schwerpunkt Landtagswahlen
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