| # taz.de -- Indizienprozess um Kaufhaus-Brand: Herr E. schluchzt | |
| > Es drohen fünf bis zehn Jahre Haft wegen schwerer Brandstiftung und | |
| > Versicherungsbetrug. Der Chef des Kaufhauses „Harms am Wall“ streitet | |
| > alles ab. | |
| Bild: Soll als Geschäftfsührer das Kaufhaus „Harms am Wall“ in Brand gese… | |
| Bremen taz | Der ehemalige Geschäftsführer von „Harms am Wall“ hat seine | |
| Unschuld beteuert. Am ersten Prozesstag unterstellte der Hauptangeklagte | |
| Hans E. der Polizei und der Staatsanwaltschaft anhand von einseitigen | |
| Ermittlungen „ein Motiv zu konstruieren“. Die Tatvorwürfe der | |
| Staatsanwaltschaft lauten: besonders schwere Brandstiftung, Vortäuschen | |
| einer Straftat und schwerer Betrug. | |
| Der 64-jährige E. und ein 53-jähriger mutmaßlichen Mittäter sollen laut | |
| Anklage am Abend des 6. Mai 2015 an verschiedenen Stellen des | |
| Modekaufhauses mit Grillanzündern einen Brand gelegt haben. Zudem sollen | |
| sie einen schweren Raubüberfall vorgetäuscht haben, im Zuge dessen | |
| mindestens zwei maskierte Täter das Kaufhaus angezündet hätten. Laut | |
| Anklage wollte der Hauptangeklagte die Versicherung betrügen. | |
| Den beiden mutmaßlichen Tätern drohen im Falle einer Verurteilung zwischen | |
| fünf und 15 Jahre Haft. Durch den Großbrand in dem Modekaufhaus in Bremens | |
| Zentrum entstand ein Sachschaden von mehreren Millionen Euro. Auch die | |
| umliegenden Häuser sind so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden | |
| müssen. Wegen der Aufräumarbeiten war die Straße Am Wall vier Wochen lang | |
| gesperrt. | |
| Vor Gericht sagt E.: „Ich bin nicht nur unschuldig, sondern Opfer eines | |
| Raubüberfalls.“ Ihm seien durch den Brand keine finanziellen Vorteile | |
| entstanden. Sein Unternehmen habe gut dagestanden und einen günstigen | |
| Mietvertrag gehabt. Zuletzt habe Harms am Wall bis zum April 2015 ein | |
| Umsatzplus von 21,6 Prozent erwirtschaftet. „Das Unternehmen war fester | |
| Bestandteil meiner Rentenversicherung.“ | |
| Den Gewinn beziffert er auf jährlich etwa 100.000 Euro. Das bestätige unter | |
| anderem eine Bonitätseinschätzung der Sparkasse, so der Harms-Chef, den | |
| Erich Joester vertritt. Dem Gericht reicht das nicht: Derzeit prüft ein | |
| Sachverständiger die wirtschaftliche Lage des Modehauses zum Tatzeitpunkt, | |
| ab 15. August wird er im Gericht gehört werden. Geplant ist auch, ein | |
| Überwachungsvideo vorzuführen. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft | |
| zeigt es, wie die Angeklagten die Tat planen: E. und der aus seinem Umfeld | |
| stammende Mitangeklagte schauen sich den genauen Ort an, an dem später der | |
| Brandherd lag. | |
| Laut E. zeigt die Aufzeichnung jedoch nur, wie er dem Mitangeklagten | |
| Sicherheitsinstruktionen gebe, weil in jenem Bereich eine seiner | |
| Mitarbeiterinnen beklaut worden sei. Der Mitangeklagte sei in Vergangenheit | |
| als Kaufhausdetektiv tätig gewesen, daher die Instruktionen. Etwas krude | |
| wirkt E.s Erklärung fürs anschließende Umschauen des Mitangeklagten: „Er | |
| sollte sich Sachen für seine Frau und sein Kind aussuchen.“ | |
| Immer wieder unterbricht E. seine ansonsten ruhig und strukturiert | |
| vorgetragene Einlassung, um einzelne Schluchzer einzustreuen. Seine | |
| fünfmonatige Zeit in U-Haft beschreibt er als „blanken Horror“. Als er | |
| erwähnt, dass sein Vater während seiner U-Haft verstarb, weint er ein | |
| bisschen und putzt sich die Nase. Um daraufhin weiter zu referieren. „Ich | |
| bin erleichtert, dass es endlich losgeht“, sagt Hans E. in einer | |
| Prozesspause in die Fernseh-Kameras: Ich brauche das Verfahren, um meine | |
| Ehre und Reputation wieder herzustellen. | |
| Bei der Befragung durch Richterin Andrea Schneider zum genauen Tathergang | |
| schildert E., wie er in seinem Geschäft nach Ladenschluss von zwei | |
| maskierten Tätern überfallen worden sei, die ihn gezwungen hätten, die | |
| Video-Überwachung auszuschalten und mehrere Tresore zu öffnen. Die Täter | |
| hätten so 10.000 Euro erbeuten können. Anschließend hätten sie ihn in eine | |
| Toilette gesperrt. Zum Glück habe er nach ihrer Flucht die Tür aufbrechen | |
| können. Danach habe er versucht, den Brand zu löschen, vergeblich. Nur den | |
| Videorekorder habe er noch sichern können, als er das brennende Haus | |
| verließ, um ihn dann der Polizei zu übergeben. | |
| Der Auftritt seines Mitangeklagten fällt weniger spektakulär aus. Während | |
| Hans E.s Haftbefehl im vergangenen Mai gegen eine Kaution von 20.000 Euro | |
| außer Vollzug gesetzt wurde, sitzt der mutmaßliche Mittäter, der keinen | |
| Promi-Status hat, noch immer in U-Haft. Die Justizbeamten führen ihn in | |
| Handschellen vor. Sein Anwalt stellt gleich zu Beginn des Verfahrens einen | |
| Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin. Es sei ein Fall von | |
| „Zwei-Klassen-Justiz“, so Anwalt Wilfried Behrendt, dass sein Mandant M. | |
| weiterhin im Gefängnis sitze. Genau wie E. sei auch sein Mandant fest in | |
| Bremen verwurzelt. Er lebe hier mit Frau und seinem siebenjährigen Kind – | |
| es bestehe keine Fluchtgefahr. Er habe zwar keine 20.000 Euro für die | |
| Kaution, hätte sich das Geld jedoch leihen können. Die Staatsanwaltschaft | |
| begründet, geliehenes Geld reiche als Pfand nicht aus. | |
| Das Gericht will in den nächsten Tagen über den Befangenheitsantrag | |
| entscheiden. Es setzte die Verhandlung nach kurzer Unterbrechung fort. | |
| Insgesamt sind 31 Prozesstage angesetzt. Der Prozess dauert mindestens bis | |
| zum Dezember 2016. | |
| 1 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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