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# taz.de -- Psychologie im Sport: Den Teufel im eigenen Kopf loswerden
> Das Tennislehrbuch „The Inner Game“ aus den Siebzigern beschäftigt sich
> mit Erfolgspsychologie. Bei Henrikh Mkhitaryan hat's gewirkt.
Bild: Einfach mal den Kopf ausschalten – dann klappt's auch mit dem Ball
Mittelfeldspieler Henrikh Mkhitaryan kam im Sommer 2013 zu Borussia
Dortmund und spielte unter Jürgen Klopp zwei Jahre viel Murks. Dann kam
Thomas Tuchel und drückte dem Fußballer eine Lektüre in die Hand: ein
Tennislehrbuch aus den 70er-Jahren. Daraufhin spielte er eine bärenstarke
Saison und bereitete so viele Tore vor wie sonst kein anderer
Bundesligaspieler. Hat er sich auf das „Innere Spiel“ eingelassen? So
zumindest nennt Buchautor und Tennislehrer Timothy Gallwey seine Methode.
Die Kernaussage: Nur wenn Selbst 1, das kontrollierende Bewusstsein, dem
Selbst 2, also den schlummernden natürlichen Fähigkeiten, vertraut, ruft
ein Sportler Bestleistungen ab. Bei Mkhitaryan sah es in den ersten zwei
Dortmunder Jahren etwas anders aus: Der hat’s im Kopf, hieß es. In
Interviews sagt Mkhitaryan rückblickend: Er habe zuviel erzwingen wollen.
Wenn er mit dem Ball am Fuß auf den gegnerischen Torwart zulief, spürte der
Armenier, was alle dachten: Das wird eh wieder nichts. Es passiert, was
nach Gallwey nicht passieren darf: Selbst 1 interveniert. Es sind die
Situationen, in denen Sportlern ihr eigener Verstand in die Quere kommt.
„Du Dummkopf“, schreibt Gallwey, so schimpfe Selbst 1 im inneren Dialog
nach groben Schnitzern mit Selbst 2. Jenes Selbst 1, das doch erst durch
„zuviel Nachdenken für Spannung und Probleme bei der Muskelkoordination“
gesorgt habe. Selbst 1, eigentlich verantwortlich für den Fehler, gibt die
Schuld Selbst 2, und jegliches Vertrauen in die Automatismen und in die
natürlichen Bewegungsabläufe ist dahin. Die Muskulatur verkrampft noch
mehr.
Gallwey warnt: Nachdem Selbst 1 mehrere Aktionen ausgewertet hat, geht es
zu Verallgemeinerungen über. Es analysiert nicht mehr sachlich die einzelne
Situation, sondern bewertet und verurteilt die eigene Person. Das Dilemma:
„Wenn das bewertende Denken erst einmal ein Selbstbild geschaffen hat, das
auf negativen Beurteilungen gründet, verdeckt das Rollenspiel weiterhin das
wahre Potenzial von Selbst 2.“ Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
## Der Flow, die entspannte Konzentration
Am besten sind Sportler, wenn ihnen der eigene Verstand nicht in die Quere
kommt – im „Flow“, wie es der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi nennt…
dem sie Schläge und Schüsse geschehen lassen, statt sie zu erzwingen.
Gallwey nennt die Situation den „konzentrierten Verstand“ oder auch die
„entspannte Konzentration“. Es gelte, bewusst ohne bewusstes Nachdenken zu
spielen.
Bleibt die alles entscheidende Frage: Wie wird man bloß dieses Teufelchen
im eigenen Kopf los, das permanent zaudert und zweifelt? Mkhitaryan
berichtet, inzwischen habe er akzeptiert, dass Fußball ein
„fehlerbehaftetes Spiel“ sei. Im Sport geht es nicht darum, keine Fehler zu
machen, sondern darum, die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass dieser
Fehler die nächste Aktion negativ beeinflusst.
Vor dem Ansatz des positiven Denkens warnt Gallwey dagegen. Förderlich sei
vielmehr das sachliche Auseinandersetzen mit der eigenen sportlichen
Leistung, ohne gleich bewertende Maßstäbe wie „schlecht“ oder „falsch�…
benutzen. Lobhudelei ist dieser Sache nicht dienlich: „Konzentration
bedeutet, nicht in der Vergangenheit zu verharren, sowohl bei Fehlern als
auch bei großen Taten.“
Große Taten hat Mkhitaryan inzwischen einige erbracht in Dortmund. Seine
größte aber ist wohl, dass er es geschafft hat, den reziproken Dualismus
von Sein und Bewusstsein zu durchbrechen.
22 Jul 2016
## AUTOREN
Moritz Förster
## TAGS
Psychologie
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Fußball
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