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# taz.de -- Selbstmordanschlag in Istanbul: Getroffen sind alle
> Der Anschlag auf Istanbuls größten Flughafen zeigt eine neue Dimension
> des Terrors. Die Regierung versucht, Sicherheit vorzugaukeln.
Bild: Klare Wirkung: Jeder könnte Opfer sein.
ISTANBUL taz | Wer bislang glaubte, es könne nicht schlimmer werden, wird
in der Türkei aufs Neue eines Besseren belehrt. [1][Der Anschlag auf den
Hauptflughafen von Istanbul] zeigt eine neue Dimension des Terrors. Das
Drehkreuz des Landes ist getroffen. Jeder könnte eines der Opfer sein und
entsprechend fühlt sich auch jeder betroffen.
Die Empörung in den sozialen Medien ist enorm. Haben wir überhaupt noch
eine Regierung die uns schützt, ist der Tenor der Äußerungen auf Twitter.
Warum ist Innenminister Efkan Ala und warum Geheimdienstchef Hakan Fidan
noch im Amt? Was macht Präsident Recep Tayyip Erdoğan? Das sind Fragen, die
die Menschen jetzt umtreiben.
Erdoğan machte in der letzten Nacht erst einmal die gesamte
Weltgemeinschaft verantwortlich, die angeblich nicht genug gegen die
terroristische Bedrohung tun würde. Sein neuer Ministerpräsident Binali
Yıldırım muss sich unterdessen der unangenehmen Aufgabe stellen, und das
neuerliche Versagen der Sicherheitsvorkehrungen vor der Öffentlichkeit
rechtfertigen. Obwohl es bislang keinerlei Bekenntnisse zu dem Attentat
gibt, geht die Regierung davon aus, dass der sogenannte Islamische Staat
(IS) der Auftraggeber des Terrors ist. Als Ministerpräsident Binali
Yıldırım in der Nacht vor die Presse trat, war sein hauptsächliches
Bemühen, darzustellen, dass es kein Sicherheitsproblem am türkischen
Hauptflughafen Atatürk geben würde.
Die schwerbewaffneten Terroristen seien bereits an der ersten
Sicherheitskontrolle am Betreten des eigentlichen Flughafenbereiches
gehindert worden und hätten dort ihre Sprenggürtel gezündet. Mithin, die
Sicherheitseinrichtungen hätten funktioniert. Angesichts von mindestens 36
Toten und 150 teils schwer verletzten Menschen wird das überwiegend als
Hohn empfunden, zumal es mittlerweile etliche Augenzeugenberichte gibt, die
im Gegenteil erzählen, dass es mindestens ein Terrorist durch die Sperre
geschafft hat und in der Abflughalle auf Passagiere das Feuer eröffnete.
Trotzdem wurde der Flugverkehr heute Morgen um 8:00 Uhr bereits
wiedereröffnet. Krampfhaft soll eine Normalität vorgegaukelt werden, die
natürlich in keiner Weise besteht.
## Es geht nicht nur um Angst
Nach bereits sechs Terroranschlägen allein in Istanbul in diesem Jahr geht
nun endgültig die Angst um. Wo kann ich überhaupt noch hingehen, fragen
sich die 15 Millionen Einwohner der größten Metropole des Landes. Wer sorgt
noch für meine Sicherheit?
Nachrichtensperren und die Angst der Journalisten, Fragen zu stellen,
verhindern, dass die Sicherheitsdebatte in den großen Fernsehanstalten laut
wird. Aber auf Dauer wird die Empörung der Menschen im Land wohl kaum zu
unterdrücken sein. Denn es ist ja nicht nur die Angst, die sich jetzt wie
ein Alptraum über die Türkei legt. Der Terror hat auch massive ökonomische
Auswirkungen.
Der Flugverkehr ist eine der wichtigsten Wachstumsbranchen der Türkei.
Schon jetzt wurden am Atatürk Flughafen mit 60 Millionen Passagieren im
Jahr genauso viele Menschen abgefertigt wie am größten deutschen Flughafen
in Frankfurt am Main. Istanbul hat aber noch einen zweiten Flughafen der
ebenfalls mit großer Geschwindigkeit wächst: Sabiha Gökçen. Vor allem aber
ist zur Zeit ein neuer Großflughafen im Bau, der ab 2018 doppelt so viele
Passagiere abfertigen soll wie jetzt Atatürk, nämlich 120 Millionen
Menschen. Auch um diese Planung nicht zu gefährden, wird nun alles getan,
um den Terroranschlag am Flughafen Atatürk herunterzuspielen.
Unmittelbar betroffen ist auch der Tourismus in der Türkei. Schon jetzt
sind die Strände an den türkischen Küsten leer. Istanbul ist die Stadt mit
den größten Einbußen in der Tourismus-Branche in ganz Europa. Der Anschlag
vom Dienstag wird diese Entwicklung weiter verstärken und damit
hunderttausende Menschen um Job und Einkommen bringen.
## Zentraler Knotenpunkt des Tourismus
Der Terror geht in der Türkei von zwei entgegengesetzten Lagern aus. Da ist
zum einen die PKK und ihre Unterorganisation Freiheitsfalken (TAK), die aus
Rache für das Vorgehen von Polizei und Armee in den kurdischen Gebieten im
Osten des Landes Terrorangriffe im Westen des Landes unternehmen. Davon
betroffen sind aber hauptsächlich Militär- und Polizeieinrichtungen, auch
wenn die TAK-Opfer unter Zivilisten bereitwillig in Kauf nimmt. Auf das
Konto der TAK ging auch der Anschlag am 7. Juni diesen Jahren in der
Altstadt von Istanbul, als sie ein mit Sprengstoff beladenes Auto neben
einem Polizeibus zündeten und dabei auch den Tot zahlreicher Zivilisten
herbeiführten.
Die anderen Angreifer sind die des „Islamischen Staates“ (IS). Der IS
verbreitet Terror, indem er möglichst viele Menschen tötet, allerdings in
Istanbul zielgerichtet gegen Touristen, oder wie jetzt am Flughafen, gegen
zentrale Knotenpunkte des Tourismus vorgeht. Dadurch soll nicht nur, wie
Erdoğan jetzt behauptet, das Land insgesamt destabilisiert, sondern einer
der wichtigsten Wirtschaftszweige gezielt getroffen werden. Und während
Erdoğan die Weltgemeinschaft beschuldigt, zu wenig gegen den Terror zu tun,
ist immer noch völlig ungeklärt, in welchem Ausmaß die türkische Regierung
jahrelang mit dazu beigetragen hat, den IS stark zu machen und welche
Beziehungen der türkische Geheimdienst nach wie vor zu der islamistischen
Terrororganisation hat.
29 Jun 2016
## LINKS
[1] /Anschlag-in-Istanbul/!5317952/
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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Terrorismus
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